BACK

Briefe an Ignatz Bubis 5/5


DER SPIEGEL
Brandstwiete 19

20 457 HAMBURG

Berlin, 8. September 1994

SPIEGEL TV vom 08. September 1994, 22 Uhr,
Schmähbriefe an Ignatz Bubis

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

gerade habe ich diese Sendung gesehen. Ich bin mit Ihnen einer Meinung, das sind unerträgliche Schmähbriefe von Leuten, die auch nach meinem Verständnis Antisemiten sind.

Aber auch ich habe Herrn Bubis Briefe geschrieben und bin sicher, daß sie unter "Schmähbrief' abgelegt wurden. Auch das finde ich unerträglich.

Ich sehe und habe überhaupt kein Problem mit Juden, aber es gibt ein israelisches Problem:
Ich bin der Auffassung, daß der Staat Israel in seiner täglichen Politik oft in hohem Maße die Normen des Völkerrechts verletzt. Ich habe Herrn Bubis aufgefordert, dagegen genauso Position zu beziehen, wie gegen den Antisemitismus in Deutschland. Aus einem einfachen Grund: Weil deutsche Juden keine Israelis sind, müßten sie selbst ein großes Interesse daran haben, nicht mit (dem Staat) Israel gleichgesetzt zu werden, was durchaus in Deutschland geschieht.

Auf vier Briefe, in denen es nur um dieses Problem ging, habe ich keine Antwort erhalten. Das ist mir vielleicht nur deshalb unerklärlich, weil ich die meiste Zeit meines Lebens in der DDR verbracht habe. Daher fehlt mir einfach der Hintergrund, weshalb die offizielle deutsche Politik offensichtliche Völker- und Menschenrechtsverletzungen Israels nicht zur Kenntnis nimmt. Augenscheinlich berühre ich mit dieser Fragestellung ein (westdeutsches) Tabu. Aber mir wird Angst wenn ich sehe, daß ich damit für Herrn Bubis zum Antisemiten werde.

In meinem Brief vom 14.10.93 habe ich Herrn Bubis geschrieben: "... ein schlimmes Zeichen, wenn man über Israel nicht mal miteinander reden kann. Was wollen Sie dann von denen erwarten, die gar nicht reden wollen ?" Den gesamten (für mich faszinierenden Vorgang) schicke ich Ihnen als Kopie. Ich hoffe sehr, daß Sie diesen Brief beantworten und mir vielleicht Nachhilfeunterricht in deutscher Nachkriegsgeschichte geben können.

Mit freundlichen Grüßen

gez. Jürgen Albrecht

Anlagen

Auch auf Nachfrage:
Keine Antwort

BACK