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Bildung statt Bologna
Der Bologna-Prozess - Rückschritt im Bildungswesen
   
Die Illusion der Bologna-Reform

Der Titel dieser Story stammt von Dieter Lenzen. Er ist Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz und gilt als einer der profiliertesten Kritiker des Bologna-Prozesses. Der Titel weist auf das Grundproblem des Bologna-Prozesses hin: Bologna bedeutet Kommerzialisierung des Bildungsprozesses auf Kosten der Qualität. Es geht um Ausbildung statt um Bildung, um die möglichst preiswerte Produktion von Absolventen und nicht um Persönlichkeiten und um Berufsbefähigung statt um Berufsqualifikation. Die Reform startete mit dem Ziel, der Industrie in kurzer Zeit Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen, die sofort in der Produktion eingesetzt werden konnten, unbeschwert von "überflüssigem" Wissen.

"Als Bologna-Prozess wird eine auf europaweite Harmonisierung von Studiengängen und –abschlüssen sowie auf internationale Mobilität der Studierenden zielende transnationale Hochschulreform bezeichnet, die auf die Schaffung eines einheitlichen Europäischen Hochschulraums gerichtet ist. Der Begriff geht zurück auf eine 1999 von 29 europäischen Bildungsministern im italienischen Bologna unterzeichnete politisch-programmatische Erklärung.

Wesentliche Elemente des gemeinten Konvergenzprozesses sind ein zweistufiges System berufsqualifizierender Studienabschlüsse (typischerweise in der Form von Bachelor und Master), die durchgängige Etablierung des European Credit Transfer System (ECTS), eine fortlaufende Qualitätssicherung im Hochschulbereich und vor allem in Deutschland eine auf Beschäftigungsfähigkeit (Employability) am Arbeitsmarkt zielende Ausrichtung der Studiengänge."
Mehr bei http://de.wikipedia.org ...

Diese europäische Hochschulreform war vordergründig auf die Angleichung und die gegenseitige Anerkennung europäischer Hochschulabschlüssen ausgerichtet. In Wirklichkeit aber waren ökonomische Gründe für diese Reform ausschlaggebend: Der finanzielle Aufwand für die Qualifizierung von Absolventen sollte gesenkt werden. Parallel dazu sollte die Ausbildung, besonders die der Bachelors, möglichst praxisnah erfolgen, ausgerichtet an den Anforderungen der Wirtschaft. Diese Zielstellung wurde zu Lasten der Qualität der Ausbildung durchgesetzt.

Das hatte dramatische Folgen: Die Bachelor-Qualifikation hat keinen guten Ruf. Bachelors haben Schwierigkeiten, eine Anstellung zu finden. Diese Qualifikation ist in erster Linie die Voraussetzung für das anschliessende Master-Studium. Master aber sind oft nicht mehr mit früheren Diplom-Abschlüssen vergleichbar. Bezeichnend für den Qualitätsverlust der Hochschulausbildung ist die Weigerung einiger Technischer Universitäten (Aachen, Dresden, München u.a.) die Zertifizierung als "Diplomingenieur" abzuschaffen.

In der Summe sind sich die Kritiker 15 Jahre nach dem Start des Bologna-Prozesses einig: Diese Bildungsreform ist ein Rohrkrepierer. Der Deutsche Hochschulverband (DHV) und die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) fordern die Rückkehr zu den Diplomstudiengängen.

 

Dieter Lenzen: Bildung statt Bologna!

ISBN-13 9783550080753, Ullstein Buchverlag (2014): Der erste Teil („Bologna: Vom Scheitern einer Reform“) fasst zusammen, wie sich die akademische Bildung in Europa in die derzeitige Sackgasse manövriert hat: Da wurde das amerikanische System blind kopiert, Qualität durch Management verdrängt und jede Neugier auf andere Länder in einer Reise- und Anrechnungsbürokratie – Stichwort Erasmus – erstickt. Eine junge Generation wird erfahrungs-, kompetenz- und inhaltsfrei – aber mit Zertifikaten – auf einen hochspezialisierten Arbeitsmarkt geschickt.

Teil zwei des Buchs („Was ist Bildung?“) erinnert an die Gegensätzlichkeit von Ausbildung und Bildung, die auch denen offen steht, die keine Wissenschaftler werden. Lenzen erinnert daran, dass die deutschen Intellektuellen, die Krieg, Konzentrationslager oder Exil überlebt haben, Humboldts Idee einer allgemeinen Menschenbildung mit einer wichtigen Korrektur wieder aufgenommen hatten. 

Spannend wird es im dritten Teil von Lenzens Buch („Die Zukunft universitärer Bildung“). Denn seine Vorschläge sind umsichtig, realitätsnah und radikal. Umsichtig durch die genaue Ausformulierung von Argumenten. Jetzt können weder Besserwisser gebraucht werden noch Saboteure und Generalverweigerer. Realitätsnah durch eine klare Handlungslinie. Denn: Für Besinnung ist es zu spät. Längst drängen Sekundärverwerter wie Akkreditierungsbüros, Rechtsanwälte, Rankinginstitutionen und Eventkulturen an die Unis heran und plündern die letzten Möglichkeiten, einen Ort außerhalb ökonomischer Interessen zu schützen, an dem – für eine begrenzte Zeit – kritische Reflexion stattfinden könnte, bliebe sie noch so ergebnislos. Radikal sind Lenzens Vorschläge durch ihre klare Absage an jede affirmative Partizipation. Wer Studierenden Bildung beibringen soll, darf sich keiner Erpressung beugen. Bologna benötige akademische Lehrer und Lehrerinnen mit der souplesse, diese Art von Gängelei zu unterlaufen. Mehr bei www.freitag.de ...

 

Die Deutsche Bildungskaterstrofe

Nur 4,55 Prozent des Staatshaushalts werden 2013 für Bildung und Forschung ausgegeben. Die Bildungskatastrophe: Kleinstaaterei im Schulbetrieb: Keine einheitlichen Prüfungen, Schulbücher und Abiturvoraussetzungen. Konfusion bereits in der 1. Klasse: Keine einheitliche Schrift und Didaktik beim Schreibenlernen und der Rechtschreibung (Schreibschrift oder Grundschrift). Alte Lehrer, grosse Klassen, unzureichende technische Ausstattung. Das dreigliedrige Schulsystem ist wegen der zu frühen Festlegung des Bildungsweges ungerecht und längst überholt. Nur rund ein Drittel aller Schüler werden in einer Ganztagsschule unterrichtet. Bildungschancen vom Status der Eltern abhängig, keine Chancengleichheit für Migranten. Hohe Zahl der Schulabbrecher (Durchschnitt 6 Prozent, in Mecklenburg 13 Prozent), die die Grundschule ohne Abschluss verlassen. Ab 1. August 2013 besteht ein Rechtsanspruch auf Kita-Plätze, aber es gibt nicht genügend davon, besonders nicht im Westen und im Süden Deutschlands. Die Bologna-Reform hat zur Absenkung der Qualität der Hochschulausbildung geführt. Das deutsche Beamtenwesen ist innovationsfeindlich und verhindert Reformen im Bildungswesen. Details bei www.storyal.de ...

 

Wer stellt einen Bachelor ein?

Mit Bologna sollte der Bachelor als berufsqualifizierender Abschluss kommen. Das war der Plan - die Realität sieht jedoch anders aus. Wie eine neue Studie zeigt, meint die große Mehrheit der Studenten einen Master dranhängen zu müssen.

Mehr als jeder zweite Student sieht sich mit einem Bachelor-Abschluss nur unzureichend auf das Berufsleben vorbereitet. Auch äußert die Mehrzahl der Studierenden deutliche Zweifel an der Akzeptanz eines Bachelor-Abschlusses durch die Arbeitgeber. Dies sind Ergebnisse einer repräsentativen Studenten-Befragung durch das Allensbach-Institut im Auftrag des Reemtsma Begabtenförderungswerks. Mehr bei www.n-tv.de ...

 

Keine Verkürzung der Studienzeiten

Die durchschnittliche Studiendauer beim Bachelor-Abschluss liegt zum Teil deutlich über der Regelstudienzeit von sechs Semestern. Das geht aus Zusammenstellungen einzelner Bundesländer vor, die der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vorliegen. In Nordrhein-Westfalen, wo rund ein Viertel der deutschen Studierenden eingeschrieben ist, machten die Bachelor im Jahr 2013 ihren Abschluss nach 8,64 Hochschulsemestern. In Berlin lag die mittlere Studiendauer an Universitäten im Jahr 2013 bei 7,8 Semestern. Die bayerischen Bachelor-Studenten an Fachhochschulen brauchten im Schnitt acht Semester. 

Kurze Studienzeiten galten bisher als einziger durchschlagender Erfolg der Studienreform. 1999 hatten die Wissenschaftsminister in Bologna beschlossen, die Studienprogramme ganz Europas auf die angelsächsischen Abschlüsse Bachelor und Master umzustellen. Deutschland hatte ein besonderes Interesse daran, es wollte den Ruf loswerden, die ältesten Absolventen des Kontinents zu haben – mit im Schnitt 28 Jahren. Laut der jüngsten Auswertung des Statistischen Bundesamtes sind Masterabsolventen allerdings im Durchschnitt 29,1 Jahre alt.
Mehr bei www.faz.net ...

 

Der Deutsche Hochschulverband (DHV) fordert die Reform der Reform

Wo liegt das Problem? Sollte mit den neuen Bachelor- und Master-Studiengängen nicht alles besser werden? Schneller, straffer, internationaler, praxisnäher! Diese Adjektive begleiteten die Umstellung auf die neuen Studiengänge, die nach neuen Zahlen der Hochschulrektorenkonferenz bereits zu 75 Prozent, in Berlin sogar zu 90 Prozent, vollzogen ist. Der DHV dagegen urteilt: „gründlich misslungen“. In einer Resolution fordert der Verband die Politiker auf, die Notbremse zu ziehen und das Studium wieder zu verlängern und wendet sich damit gegen ein Kernziel der Reform, nämlich die Verkürzung des Studiums auf drei Jahre.

Nicht nur bei den Professoren wachsen die Sorgen über die neue Studienordnung. Nach einer Studie des Bundesbildungsministeriums zweifeln auch die Studenten am Wert der Bachelor-Ausbildung. Sie führe zu "Akademikern zweiter Klasse", befürchten viele. Sie klagten über Stress, finanzielle Probleme und die Angst, auf dem Arbeitsmarkt zu scheitern. Denn obwohl die Unternehmer die kürzeren Studienzeiten einst am lautesten einforderten, haben es viele Betriebe bisher noch versäumt, sich auf die jungen Berufseinsteiger einzustellen.

Der Hochschulverband sieht deshalb nur noch einen Ausweg: die Rolle rückwärts. Die Regelstudienzeit solle nicht, wie geplant, bereits nach dem Bachelor enden, sondern erst zwei Jahre später nach dem Master. Das würde bedeuten, dass künftig 80 Prozent statt 20 Prozent der Studenten den Master absolvieren. Außerdem verlangt der DHV, zum renommierten Studienabschluss Dipl.-Ing. zurückzukehren und vorerst keine weiteren Fächer mehr auf die neue Studienordnung umzustellen. Inzwischen entsprechen fast70 Prozent der Studiengänge dem System. Um diese zu verbessern, forderte der DHV mehr Förderprogramme, um die Lehre verbessern zu können.
Mehr bei www.sueddeutsche.de ... (17. Mai 2010)

 

Harsche Kritik am Bologna-Prozess durch die Hochschulrektorenkonferenz (HRK)

Zehn Jahre nach dem Start des Bologna-Prozesses sehen die Direktoren der deutschen Hochschulen schwere Mängel in der Reform: Die Mobilität der Studenten sei eingeschränkt, die Studienzeiten seien verkürzt.

Hippler rückt damit von Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) ab, die das Bologna-Abkommen als Beispiel für eine europäische Erfolgsgeschichte gelobt hatte, weil es auch die Mobilität der Studierenden gefördert habe.

Horst Hippler, der HRK-Präsident sprach sich für eine Verbesserung des Systems aus: "Vor allem brauchen wir wieder ein Studieren in unterschiedlichen Geschwindigkeiten, abseits der starren Vorschriften der Regelstudienzeit." Wer neben dem Beruf studiere, Kinder habe oder Angehörige pflege, könne das Studium in sechs Semestern nicht leisten.

Eine Universität müsse mehr leisten als Ausbildung, nämlich Bildung und das tue sie mit dem Bachelor nicht, sagte Hippler weiter. Dass dieser Ansatz falsch sei, habe inzwischen auch die Wirtschaft erkannt: "Die Unternehmen brauchen Persönlichkeiten, nicht nur Absolventen." Der "Jugendwahn" sei an dieser Stelle vorbei.
Mehr bei www.zeit.de ... (14. August 2012)

 

AfD für Erhalt des deutschen Diploms

Er ist immer noch ein Markenzeichen. Der Dipl.-Ing. ist ein Abschluss, der großes internationales Ansehen genießt. Egal ob in Maschinenbau, Elektrotechnik, Bauwesen, Physik, Chemie oder Informatik: In der Wirtschaft und Industrie ist ein erfolgreich abgeschlossenes Diplomstudium an einer technischen Universität oder Volluniversität eine klar einzuordnende Qualifikation.

Auch die an Fachhochschulen erworbenen Diplome (FH) sind nach wie vor ein Qualitätsmerkmal der Ausbildung. Ob ein Unternehmen das Hochschul- oder Fachhochschuldiplom bei der Einstellung seiner Ingenieure bevorzugt, hängt oft von der Art der Tätigkeit ab. Beispielsweise wird Absolventen der Fachhochschulen ein schnellerer Einstieg in die Berufspraxis zugetraut. Andererseits sind die eher theoretisch geschulten Universitätsabsolventen besonders in der Forschung und Entwicklung neuer Technologien gefragt.

Bei den neu eingeführten Bachelor- und Masterabschlüssen ist beides infrage gestellt. Denn einerseits sind die neuen Studiengänge mindestens ebenso verschult wie die Ausbildung an den Fachhochschulen, jedoch ohne den wertvollen Praxisbezug zu haben. Andererseits reicht der Bachelor-Abschluss für anspruchsvolle Aufgaben in der Wirtschaft, Industrie, Forschung und Entwicklung nicht aus. Für den aufbauenden Masterstudiengang gibt es oft zu wenige Studienplätze.

Die AfD hat sich dafür ausgesprochen, den Universitäten die Rückkehr zu Diplomstudiengängen zu ermöglichen.
Mehr bei www.freiewelt.net ...

 

Mecklenburg-Vorpommern macht nicht mehr mit
Artikel Bologna FAZ

 

Das ECTS-Punkte-System

Stefan Kühl: Es wird suggeriert, dass Studiengänge nach einem einfachen „Baukastensystem“ zusammengestellt werden können, das es Studierenden ermöglicht, Module wie Legosteine miteinander zu kombinieren. Genauso wie Legosteine unterschiedlich viele Noppen haben können, könnten im Europäischen Hochschulraum auch die Module – je nach Arbeitsaufwand – aus unterschiedlich vielen ECTS-Punkten bestehen, am Ende würden diese „Bausteine“ jedoch auf eine für alle nachvollziehbare Art und Weise vielfältig kombinierbar sein. Genauso wie es dabei bei Legosteinen möglich sei, blaue, gelbe und rote Steine je nach Geschmack zusammenzusetzen, könnten zukünftig auch – wenn von den Studiengangsplanern gewünscht - in einem interdisziplinären Studiengang Module beispielsweise der Philosophie, der Wirtschaftswissenschaft, der Ethnologie, der Biologie, der Germanistik und der Sportwissenschaft miteinander kombiniert werden.

Aber das aus Modulen bestehende Baukastensystem, das durch die neue Studienstruktur produziert wird, hat, wie im Folgenden gezeigt werden soll, nicht das Geringste mit diesem „Lego-Effekt“ – der völlig flexiblen Kombinationsmöglichkeiten von Bausteinen – zu tun. Vielmehr ähnelt die Gestaltung, aber auch das Studieren von Studiengängen durch die Einführung der Kunstwährung ECTS immer mehr der Entwicklung und Lösung eines komplizierten Sudokurätsels.
Mehr bei www.uni-bielefeld.de ... und auch als Buch zu haben: www.transcript-verlag.de ...

Kommentar Al: Unglaublich! Wie heisst das Gesetz, nachdem Beamte, die sich selbst überlassen werden, alle Geisteskraft auf die Ausarbeitung von Begründungen konzentrieren, warum weitere Beamte dringendst benötigt werden? Ja, genau, das ist es: Parkinsons Gesetz. Das hat die ECTS-Punkte produziert. Und ECTS wird längst nicht die letzte schillernde Blüte des Bologna-Prozess gewesen sein ...!

24.04.2012 15:36

Kritik an der Bologna-Reform

Der GENERAL-ANZEIGER aus Bonn meint:
"Nun könnte man argumentieren: Aber fürs Berufsleben hat sich der Umbau ausgezahlt. Doch selbst das stimmt nicht. So kann man sich nur freuen über die Ehrlichkeit, mit der der neue Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler, Reformbilanz zieht. Er fordert Bildung statt Ausbildung, Persönlichkeiten statt Absolventen, Berufsqualifikation statt Berufsbefähigung. Und wird damit folgenlos bleiben. Wilhelm von Humboldt würde heulen."

Auch der DONAU-KURIER hält sich mit Kritik nicht zurück: 
"Hat denn niemand bei der Einführung der Bologna-Studienreform daran gedacht, dass ein 20-Jähriger mit Bachelor-Abschluss keine ausgereifte Persönlichkeit sein kann, dass er in diesem prüfungsintensiven, verschulten Turbo-Studium gar nicht die Zeit hatte, sich außerhalb des Hörsaals zu engagieren und damit soziale Kompetenzen zu erlangen? Kommt der Aufschrei zehn Jahre nach der Reform nicht ein bisschen spät? Zurückrudern hilft jetzt nichts, die Reform muss nachgebessert werden."

Schließlich noch der Kommentar aus der in Hannover erscheinenden NEUEN PRESSE: 
"Bezeichnet Bildungsministerin Annette Schavan den Bologna-Prozess als 'europäische Erfolgsgeschichte', hätte sie vielleicht vorher mal bei Professoren und Studenten nachfragen sollen. Die halten das Bachelor- und Masterverfahren auch nach zehn Jahren noch für stark verbesserungswürdig. Zu verschult die Lerninhalte, zu straff die Organisation, zu unflexibel die Ausgestaltung. Zentrale Anliegen, die mit der Einführung der neuen Abschlüsse vereinfacht werden sollten, haben sich nicht erfüllt. Inzwischen haben auch die Arbeitgeber erkannt, dass Schnelligkeit beim Studienabschluss nicht alles ist. Nur Frau Schavan, die ficht die ganze Diskussion um Bologna nicht an - schließlich hat unsere Bildungsministerin mal Philosophie (und Katholische Theologie ...!) studiert. Und da entwickelt man eben eine ganz eigene Sicht der Dinge." Quelle:www.dradio.de/presseschau/

August 2012

Googeln statt selber denken

Die Bildung à la Freiherr von Guttenberg tritt ihren Siegeszug an. Damit ist nicht gemeint, dass man benutzte Quellen verschweigt und auf diese Weise fremden Lorbeer einheimst. So verfahren nur ein Guttenberg und ähnliche Charaktere. Nein, die Art und Weise, wie der fränkische Baron seine Doktorarbeit fabriziert hat, ist im Kommen. Er ist dabei in gewisser Weise selbst ein Opfer des Trends geworden, ganze Wissensblöcke zu übernehmen und auf die mühevolle Aneignung derselben zu verzichten. Im Internet liegen eine Unmenge Wissens-Versatzstücke vor und rufen danach, irgendwo eingefügt zu werden, und Guttenberg hat einfach diesen Ruf erhört. Wenn er stattdessen selbst ganze Bücher hätte lesen müssen, um die Wissenssequenzen ausfindig zu machen, welche dem Gedankengang der Arbeit sich einfügen, so hätte sich der Betrug wohl erübrigt. Mehr bei www.dradio.de ...

Kommentar Al: Ein bedenkenswerter Essay: Was bedeuten Bildung und Qualifizierung in einer Welt, in der das Internet existiert und eine breite, "bildungsferne" Unterschicht einer schmalen, aber reichen elitären Schicht gegenüber steht, die sich ganzheitliche Bildung im Humboldt'schen Sinne leisten kann? Das könnte zu einem Paradigmenwechsel führen: Nicht das Ganze, seine Funktion und Struktur, ist mehr das Ziel von Bildung, sondern die Beantwortung einzelner, sehr spezieller Fragen. Dadurch ändert sich nicht - wie mehrfach prognostiziert - das menschliche Denken, sondern das menschliche Wissen. Isoliertes Spezialwissen, Fachidiotie ist die Folge. Der Überblick und der Durchblick gehen verloren, wenn nur noch Fakten wichtig sind, aber die Zusammenhänge fehlen, die auf das Ganze schliessen lassen (Elemente + Relationen = Struktur). Die Spezialisten sind dann nur noch nützliche Idioten. Sklaven der Eliten, die mit ihrem Wissen über das Ganze sinnvolle (oder eigennützige) Ziele vorgeben können.

Die Bologna-Reform liegt genau auf dieser Linie: Praxisnahes Spezialwissen für die Masse und private Elite-Universitäten für die, die sie bezahlen können. Das führt dann zu solchen paradoxen Situationen, dass Bachelor-Absolventen zwar mit Excel umgehen und auf Knopfdruck aus Messwerten bunte Grafiken erzeugen, sie aber nicht interpretieren können. An diesem Beispiel ist zu erkennen: Das Internet ist ein vorzügliches Werkzeug, um diese Entwicklung zu begünstigen. Es ist aber nicht ihre Ursache. Die setzt die Politik der Eliten, die nützliche Fachidioten für die Wirtschaft benötigen und ein gebildetes Volk (aus verständlichen Gründen) nicht gebrauchen können. 
Siehe auch www.storyal.de ...

09.10.2011 12:12

 

Qualitätsbegriff "Diplomingenieur"

Im Nachbarland Österreich hat der Bachelor-Abschluss offenbar keinen hohen Stellenwert. Im Mai veröffentlichte das Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft eine Befragung von 490 Unternehmen mit 50 oder mehr Beschäftigten. 65 Prozent hielten es demnach für "fraglich", ob sie den Bachelor überhaupt als "Akademiker" einstufen sollten. Rund die Hälfte der Betriebe befürchtete überdies, dass mehr Geld als bisher in die Einarbeitung der Absolventen investiert werden muss und obendrein, "dass der Bachelor unzureichende fachliche Qualifikationen haben wird".

Am Wochenende plädierte der designierte Rektor der TU-Dresden, Hans Müller-Steinhagen, im Focus und offenbar mit Einverständnis der Bundesministerin Annette Schavan für die Wiedereinführung des Diplomtitels - zumindest in den Ingenieursfächern.

Dieser Abschluss "genieße im Ausland einen hervorragenden Ruf, auf den man nicht verzichten dürfe", meinte Müller-Steinhagen, der nicht für sich allein sprach, sondern für die einflussreiche TU9, eine Interessenvertretung der bundesweit führenden Technischen Hochschulen RWTH Aachen, TU Berlin, TU Braunschweig, TU Darmstadt, TU Dresden, Leibniz Universität Hannover, Karlsruhe Institute of Technology, TU München und Universität Stuttgart.

Ernst Schmachtenberg, Rektor der RWTH Aachen, wirbt seit geraumer Zeit für ein Comeback des Diplom-Ingenieurs und signalisierte am Montag umgehend Unterstützung für den künftigen Amtskollegen. Das Diplom sei "ein weltweit anerkannter Qualitätsbegriff wie das 'Made in Germany'" und überdies "ein Label für die deutsche Ausbildung von Ingenieuren", das den Inhabern "eindeutig einen Wettbewerbsvorteil" verschaffe. Der Master unterscheide dagegen nicht zwischen einem Physiker, Chemiker, Germanisten oder Ingenieur, so dass der Berufsbezug in dem angestrebten akademischen Grad nicht mehr erkennbar sei. Mehr bei www.heise.de ...

03.08.2010 11:47

 

TU München und anderswo ...

Wolfgang Herrmann ist eine bayerische Frohnatur. Wenn es um den Diplom-Ingenieur geht, wird es um den Präsidenten der Technischen Universität München aber ziemlich schnell finster. "Seit mehr als hundert Jahren, seit Kaiser Wilhelm, gilt der Diplom-Ingenieur als wertbesetztes deutsches Markenzeichen. Man muss doch komplett verrückt sein, diesen Titel abzuschaffen", wettert Herrmann. Dipl.-Ing., das sei wie made in Germany. "BMW schafft ja auch nicht sein Propeller-Logo ab, nur weil man heute Autos baut." Mehr ... Das zweite Problem ist die Privatisierung und Anpassung von Lehre und Forschung an die Ökonomie! Gleichzeitig zum Bologna-Prozess wurde der Begriff des Wettbewerbs der deutschen Bildungslandschaft beigefügt. Es gibt aber mindestens einen Bereiche im Leben, in dem Wettbewerb und rein betriebswirtschaftliches Denken absolut keinen Zugang haben dürfen. Bei der Bildung! 
Mehr ... 

Da kann Al, der Diplomingenieur, nur schmunzeln und sich wundern, denn alle Diplomingenieure waren schon vor zehn Jahren der Meinung: Bachelor und Master ist ein Ingenieurstudium light, ein verschultes Studium auf Kosten der Ausbildungsqualität. Jetzt endlich, angestossen durch die Studentenproteste, beginnt die Diskussion darüber! Ein Nebenkriegsschauplatz. Das Hauptproblem des deutschen Bildungswesens ist der Grundsatz, der offen oder versteckt von der Politik vertreten wird: Bildung ist Privatsache; Die Privatisierung der Bildung. Damit wird Deutschlands Position als innovatives Industrieland gefährdet, keine Herausbildung von (geistigen, technischen ...) Eliten gefördert, der Gegensatz zwischen Arm und Reich aber wird verschärft.

Das Handwerk beklagt zunehmend schlechte Schulbildung. Vor dem morgigen Bildungsgipfel von Bund und Ländern hat der Zentralverband des Deutschen Handwerks Defizite bei immer mehr Schulabgängern beklagt. 20 bis 25 Prozent eines Jahrgangs brächten nicht mehr die erforderlichen Grundkenntnisse in Lesen, Schreiben und Rechnen mit, sagte der Generalsekretär des Verbands, Schleyer, der "Braunschweiger Zeitung". Er verlangte, der Bildungsgipfel dürfe nicht bei der Formulierung von Wünschenswertem stehenbleiben. Reparierende Fördermaßnahmen hätten bei Jugendlichen nur begrenzten Erfolg. Vielmehr müssten Länder und Kommunen konsequenter die vorschulische Bildung verbessern, betonte Schleyer. Quelle ...

Dezember 2009

Bildung für Alle

Diese wunderbare Losung hat gestern die Frau Bundeskanzlerin aus dem Ärmel gezogen. Da kann man sich doch nur verwundert die Augen reiben: Bereits im Jahr 2008 erkennt Deutschland, ein rohstoffarmes Land, den Wert seines 'Humankapitals'! In den letzten fünfzig Jahren wurde in Bildung nur das Allernötigste investiert, den Rest besorgte mit weiteren kommunalen Streichungen die Kulturhoheit der Länder. Es hat den Anschein, als ob das dreigliedrige Schulsystem in Deutschland bereits mit der Schulpflicht im Jahr 1794 (fast 100 Jahre nach Preußen!) eingeführt wurde. Wie an einem ehernen, gottgewollten Gesetz, wird daran noch heute festgehalten. Auch am Kruzifix in bayrischen Klassenzimmern. Dazu kommen schlechte Ausstattung, keine individuelle Förderung, Ganztagsschulen als Ausnahme, lebenslang beamtete Pädagogen, Proteste gegen Kitas und das Abitur nach 12 Jahren, der Bologna-Prozess und die neueste Erfindung: Bildung ist Privatsache, also bitte zur Kasse: Studiengebühren. Seit Jahren weisen unzählige Studien auf die immer gleichen Probleme hin: Pisa, der 2. Bildungsbericht & Co. Die Missständewerden von der Politik eisern ignoriert.

Aber jetzt hat es die Bundesregierung begriffen: Bildung für Alle! Wer soll das glauben, solange der Bildungsföderalismus nicht endlich abgeschafft ist!? Das deutsche Grundproblem: Bildung wird vom Staat und seinen Bürgern nicht als Wert angesehen, sondern maximal als 'Recource'. Das Land der Dichter und Denker ist längst Vergangenheit. 300 Jahre nach Kant und 250 Jahre nach der Französischen Revolution ist die Aufklärung in Deutschland immer noch nicht angekommen, sind Staat und Kirche immer noch nicht getrennt. Die politische und wirtschaftliche Elite Deutschlands will und braucht kein gebildetes Volk. Jetzt aber wird alles anders ...

13-Jun-2008 10:57

 

Prinzipielle Probleme der Bologna Reform

Reform wider besseres, vorhandenes Wissen:

  • Keine umfassende Bildung, sondern Ausbildung
  • In Deutschland fehlt der akademische Mittelbau
  • Das zu Bachelor und Master gehörende Tutorenwesen existiert nicht
  • Die Persönlichkeitsbildung wird vernachlässigt
  • Keine Zeit für ein Auslands-Studienjahr
  • Die Qualifikation Bachelor reicht nicht aus, der Master muss angehängt werden
  • Auch der Master entspricht nicht dem Diplom
  • Der Titel "Diplomingenieur" hat international hohes Ansehen
  • Senkung des Qualifikationsniveaus
  • Keine Verkürzung der Studienzeiten
  • Keine ökonomischen Vorteile in Zeit und Geld
  • Forschung ist nur noch Drittmittelforschung
    (fehlender akademische Mittelbau und unzureichende technische Ausstattung)
  • Das erste und zweite Staatsexamen ist (trotz Bologna!) für die klassischen Karrieren eines Rechtsanwaltes immer noch erforderlich (beruhigend)

 

Notwendige Reformen
  • Rückkehr zu den Humboldtschen Bildungsidealen
  • Stärkung des akademischen Mittelbaus
  • Rückkehr zu den Diplom-Studiengängen
  • Gegen die Verschulung des Studiums
  • Technische Ausstattung der Hochschulen und Universitäten verbessern
  • Raum für Eigenstudium
  • Pflicht zum Auslandsstudienjahr

 

 

 

Links zum Thema

Lange Studienzeiten - Bachelor-Studenten bummeln www.faz.net ...

Die aktuelle Abrechnung des Bologna-Kritikers Dieter Lenzen www.freitag.de ...

Die Bertelsmann-Stiftung
Von der Freiheit der Wissenschaft zur „unternehmerischen Hochschule“ www.nachdenkseiten.de ...

Bologna-Prozess http://de.wikipedia.org ...

Dieter Lenzen: Bildung statt Bologna!
ISBN-13 9783550080753, Ullstein Buchverlag (2014) www.ullsteinbuchverlage.de ...

Zehn Jahre Bologna-Reform - Harsche Kritik an Bachelor und Master www.sueddeutsche.de ...

DHV fordert die Reform der Reform - Der Bachelor-Blues www.sueddeutsche.de ...

Bologna-Reform in der Kritik www.deutsche-bildung.de ...

 

 

 

 

Jürgen Albrecht, 27. Juli 2014
update: 28.07.2014

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