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Mit dem Bike zur Kirche San Augustin

 


Das Bike sieht besser aus, als es ist. Das Tretlager schlackert, die Führung der Gabel ist ausgeleiert und die 26-Gänge-Schaltung ist nur noch auf einen Gang fixiert. Macht nichts, ich werde versuchen, wie man auf Panglao mit dem Fahrrad fahren kann. Ohne Fahrrad ist der Aktionsradius zu gering.

Die Beach im Westen von Tawala interessiert mich, denn von hier aus kann man hinter der Insel Cebu die Sonne untergehen sehen. Also auf der schönen Strasse vorbei am Internet Café und der Kirche in Richtung Westen. Schon nach ein paar hundert Metern ist aus der Teerstrasse eine Schlaglochpiste geworden, die sich gabelt. Nach rechts, denn dort ist die Beach. Die Strasse führt durch 'Bush', aber höchstens einen Kilometer.

Dann beginnt ein Dorf, das überhaupt nicht mehr aufhört! Überall leben Menschen und überall viele Kinder. Sie leben meistens in Bambushütten auf Stelzen. Das ist wegen Insekten und Schlangen eine sehr geschickte Bauweise. Ausserdem kann man durch den Bambusfussboden gleich die Essensreste nach unten kehren, wo Schweine und Hühner schon darauf warten. Aber inzwischen gibt es auch gemauerte Häuser und sie stehen nicht auf Stelzen. Die Stromversorgung ist in allen Häusern gesichert, auch Telefonleitungen sind zu sehen. In diesem mindestens drei Kilometer langen Strassendorf gibt es viele kleine Läden, Fenster und Türen gegen Diebe vergittert. Auch sonntags ist der CocaCola-Laster unterwegs und versorgt diese kleinen Läden: CocaCola und St. Miguel Beer sind inzwischen auch hier, weitab vom Schuss, unverzichtbar geworden. An mindestens drei sehr einfach gebauten Kirchen fahre ich vorbei. Es ist Sonntag und 'Service'. Auf der Strasse reger Verkehr: Linienbusse und Tricycle. Denn hier in Barangay Poblacion endet die Strasse, die von Tagbilaran durch die Mitte der Insel Panglao führt.

Gleich am Anfang der langen Strasse steige ich beim Bohol Sea Resort ab. Eine schöne Anlage mit mindestens 25 Lodges. Nur eine ist bewohnt. Das grosse Restaurant so leer, wie auch das unvermeidliche Dive Center. Die Staffs langweilen sich und begrüssen mich freundlich. Am flachen Strand (es ist Ebbe) Korallenschutt und unendlich viele Schalen von Muscheln und Schnecken, mit Sicherheit Reste von Seafood. Palmen und blühende Bäume säumen die Beach, Fischer ordnen ihre Netze nach der Ausfahrt.

Nachdem ich ungefähr 6 Kilometer durch das lange Dorf gefahren bin, biege ich links ab, weil es hier deutlich sichtbar zur nahen Beach geht. Wattenmeer, soweit das Auge reicht, Mangroven auf Stelzen, Fischer, die im Wattenmeer nach Schnecken und Muscheln suchen. Ganz unerwartet sehe ich einen steinernen Wehrturm am Ufer stehen. Ohne dass ich es gemerkt habe, bin ich im Zentrum von Barangay Poblacion gelandet. Es wird von diesem Turm und der grossen Kirche San Augustin dominiert. Beide Bauwerke wurden aus Muschelkalk errichtet. Dazu hat man ihn in Blöcke zersägt und kunstvoll bearbeitet. Ganz offenbar spanische Katholiken und Handwerker waren hier vor am Werke. Die Spanier haben 1565 die Visayas besetzt und damit eine 333-jährige Kolonialherrschaft begründet. Aus dieser Zeit stammen die Gebäude. Heute noch ist diese vielleicht 250 Jahre alte Kirche in Betrieb. Die Messe ist um 11 Uhr vorbei, aber in einem nackten Rohbau eines Nebengebäudes findet die 'Auswertung' statt: Viele junge Mädchen, ganz in Weiss mit einem grossen Kreuz um den Hals, werden von alten Männern unterwiesen. Später treffe ich zwei dieser Jungfrauen unter einem Regenschutz wieder. Es sind keine Ordensschwestern: 'We serve the mass.' Sie schmücken die Messe und helfen den Priestern.

Vor der Kirche ein grosser Platz. Zwei Denkmäler, ein überdimensionales Herz aus Holz und Plastikfolie, eine gesonderte Kapelle, offenbar die Reste der ersten Kirche, die hier einmal stand. Um den Platz herum öffentliche Gebäude und ein kunstvoll geschnitztes Holzhaus, in dem ehemals die Kirchenfürsten residierten. Jetzt ist auf der anderen Seite ein mit rostigem Wellblech gedeckter Komplex entstanden, der auch die 'Akademie San Augustin' beherbergt. Dafür wurde das schöne, zweistöckige Holzhaus aufgegeben. Im Wehrturm kann man über eine Steintreppe den ersten Stock erreichen. Die Zwischendecken existieren nicht mehr, nur der alle Decken tragende Mittelpfeiler aus Holz hat überlebt und lehnt an der Wand. Auch die solide Dachkonstruktion existiert noch, das Dach aber nicht mehr.

Ich habe alles gesehen und mache mich auf den Heimweg. Direkt vor der Kirche befindet sich die Kreuzung der Hauptstrassen. Ein Schild, so gross wie ein LKW: Diese Strasse gehört zu den hoch priorisierten Projekten der Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo! Der örtliche Gouverneur stellt gleich noch ein ähnliches Schild auf. Eine schöne Strasse, 5 Meter breit, Teerbelag. Nach einer Biegung und höchstens zwei Kilometern ist die Priorität nicht mehr gegeben. Das Geld wurde dringend an anderer Stelle gebraucht und bis zur Alona Beach ist die Strasse eine 6 Kilometer lange Schotterpiste.

Es fängt an zu regnen und daraus wird schnell ein tropischer Regen: Es giesst aus Eimern. Ich stelle mich unter das Flachdach einer Bushaltestelle, wo schon die weissen Jungfrauen mit ihrem Motorbiker stehen. An dieser Haltestelle hält kein Bus, weil er auf Zuruf überall hält. Auch diese Bushaltestelle ist ein staatlich initiiertes Projekt mit Mülltonne davor. Die Mülltonne hat einen Deckel und sie ist leer. Aber im Umkreis von 10 Metern liegt alles voll Müll: Zivilisationsmüll: Es sind alles Verpackungen von Snacks, Crackers and Nuts.

Als ich wieder zurück bin, sind die Staffs gerade beim Essen. Auch unter den Staffs gibt es eine Rangordnung: Hier sitzen die Handwerker mit den Zimmermädchen beim Essen zusammen. Von dem jungen Mann, der täglich den Pool in Ordnung hält, habe ich mir das Fahrrad geborgt. Er ist erleichtert, dass ich es heil zurückbringe. Sie bieten mir von ihrem Essen an: Reis, kleine Schnecken (mit Gehäuse) in einer würzigen Sosse, unbekanntes Gemüse. Das Essen stammt von der Garküche am Internet Café, bei der ich auch schon mehrfach gegessen habe. Ich probiere, nicht nur aus Höflichkeit, sondern auch aus Neugier. Alles schmeckt lecker. Ich bedanke und entschuldige mich, dass ich nicht mehr essen kann: Ich muss unter die Dusche!

 

Jürgen Albrecht, 17. Februar 2003

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