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Abbildungsqualität versus Bildqualität

 

 

Testbilder
In zwei digitalen Bildern mit gleichem Motiv und der gleichen Pixelanzahl kann unterschiedlich viel Bildinformation enthalten sein. Die Testbilder von zwei verschiedenen Cameras demonstrieren das sehr deutlich. Die beiden Cameras bilden die Realität in unterschiedlicher Qualität ab. Dazu sage ich Abbildungsqualität. Bei den DCTau-Messprotokollen werden vergleichbare Begriffe benutzt: ' Linearer Wirkungsgrad', 'Effizienz der Darstellung von Bilddetails' und 'Nettodateigrösse'. Es ist aber nicht klar, mit welchem Verfahren dieser deutlich sichtbare Unterschied zweifelsfrei und objektiv gemessen werden kann. Existieren Messverfahren, die diesen (Qualitäts-) Unterschied numerisch eindeutig erfassen?

Testbild S80
Testbild F30
Canon PowerShot S80
Originalbild 3264 x 2448 x 24b, 8,0 MPixel
ISO 50, Kompression Superfine, Zoom max
Programm Av, Blendenautomatik

Zeit: 15.11.06, 16:12, Belichtung 1/50, F 5,3
Beschnitten, komprimiert auf 90 Prozent, Photoshop
Fujifilm FinePix F30
Originalbild 2848 x 2136 x 24b, 6,1 MPixel
ISO 100, Kompression Fine, Zoom max
Programm A, Blendenautomatik
Zeit: 15.11.06, 16:13, Belichtung 1/110, F 5
Beschnitten, komprimiert auf 90 Prozent, Photoshop

Ein weiteres Bildbeispiel:

Testbild S80
Testbild F30
Canon PowerShot S80
Originalbild 3264 x 2448 x 24b, 8,0 MPixel
ISO 50, Kompression Superfine, Zoom max
Programm Av, Blendenautomatik

Zeit: 10.11.06, 12:41, Belichtung 1/160, F 5,3
Beschnitten und komprimiert auf 90 Prozent, Photoshop
 
Fujifilm FinePix F30
Originalbild 2848 x 2136 x 24b, 6,1 MPixel
ISO 100, Kompression Fine, Zoom max
Programm A, Blendenautomatik
Zeit: 10.11.06, 12:43, Belichtung 1/210, F 5,6
Beschnitten und komprimiert auf 90 Prozent, Photoshop

Weitere Bildbeispiele ...

 

DCTau-Messprotokolle
Bei den DCTau-Testprotokollen von digitalcamera.de wird zu ungenau beschrieben, wie Wirkungsgrad und Nettodateigrösse definiert sind und mit welchem Verfahren diese Messwerte gemessen werden. Es ist nur zu erkennen, dass es sich um Vergleichsmessungen handelt. Dass es zu Messwerten über 100 Prozent kommen kann, lässt am Messverfahren zweifeln. Hier die Erläuterung zu den DCTau-Testprotokollen:

Der Wirkungsgrad beschreibt die Effizienz, mit der eine Kamera Bilddetails darstellen kann. Im Vergleich zu einer definierten theoretischen Idealkamera mit einem Wirkungsgrad von 100 Prozent gibt ein Testgerät, je nach seiner Leistungsfähigkeit, mehr oder weniger Bilddetails wieder. Wirkungsgrade im Bereich von 80 bis 90 Prozent sind als gut bis ausgezeichnet. Ist ein Wert über 90 Prozent angegeben, ist es entscheidend, ob die Detailwiedergabe durch Artefakte gestört wird. Das Verhalten der Kameras in diesem Punkt ist im dann folgenden Absatz textlich beschrieben. Steigt der Wirkungsgrad über 100 Prozent, so enthält das Bild mehr Informationen als die Vorlage, was bis auf Ausnahmen durch intensives Aufpeppen des Bildes durch künstliche Manipulationen (mit Artefakten als Folge) und übertriebene Scharfzeichnung erreicht wird.

Linearer Wirkungsgrad

Während der Wirkungsgrad gut geeignet ist Kameras gleicher Pixelzahl zu vergleichen, beschreibt die Nettodateigröße den echten Gehalt an Nutzinformationen im Bild. Sie ist damit ideal für den Vergleich verschiedener Kameras über Auflösungsklassen hinweg. So kann beispielsweise eine 4-Megapixel-Kamera mit sehr gutem Wirkungsgrad im Endeffekt eine höhere Nettodateigröße liefern als eine 5-Megapixelkamera mit niedrigem Wirkungsgrad. Übersteigt die Nettogröße die unkomprimierte Bruttodateigröße, so heißt das nichts anderes, als dass mehr Information in der Datei enthalten sind als sein dürften – ein Zeichen für Anreicherung mit Artefakten durch aggressive interne Bildverarbeitung der Kamera. Die Nettodateigröße wird übrigens nicht aus den JPEG-Komprimierungsstufen errechnet, sondern basiert auf einer sehr komplexen Berechnung der unidirektionalen Auflösung an mehreren im Bild verteilten Messpunkten.

 

Ungelöste Probleme
Beide Verfahren sind Vergleichsverfahren, die Messung liefert relative, aber keine absoluten Messwerte und es ist unklar, was mit dieser Messung eigentlich gemessen wird. Aus dieser unbefriedigenden Beschreibung der Messwerte und Messverfahren ist zu schliessen, dass es bisher ein absolutes Messverfahren nicht gibt. Die Ursachen dafür sind folgende technischen Probleme, für die es derzeitig offenbar keine Lösung gibt:

  • Es existiert keine naturwissenschaftliche Definition für 'Bildinformation'. Deshalb ist auch unklar, wie der Informationsinhalt eines realen Bildes gemessen werden kann, das von unserem Auge wahrgenommen wird.
  • Die absolute Messung des 'Wirkungsgrades der Abbildung' müsste den Informationsinhalt eines real sichtbaren Bildes mit dem des digitalen Bildes vergleichen, das diese Wirklichkeit mit Hilfe der Camera abbildet. Ein solches Messverfahren existiert nicht.
  • Es existiert erst recht keine naturwissenschaftliche Definition für 'Bildqualität'. Diese Definition ist noch schwieriger oder sogar unmöglich, weil Bildqualität eigentlich nur subjektiv zu bewerten ist und von vielen Faktoren (auch technischen) abhängt.
  • Es ist nicht zu erwarten, dass man je in der Lage sein wird, die ästhetische Bildqualität numerisch zu messen (... möglichst noch mit einer Einwertaussage!). Der Begriff 'Bildqualität' sollte deshalb beim Vergleich von Cameras durch den Begriff 'Abbildungsqualität' ersetzt werden.
  • Von Messungen der Abbildungsqualität ist aber nicht direkt auf die Bildqualität zu schliessen, sobald man darunter auch ästhetische Qualitäten versteht.
  • Die Nettodateigrösse bietet sich möglicherweise als Messwert für die Menge der Bildinformationen digitaler Bilder und den Wirkungsgrad der Bilderzeugung an.
  • Da die Nettodateigrösse aber von der Hard- und Software der Camera beeinflusst wird, kann es hierbei nur normierte Vergleichsmessungen und keine absoluten Messwerte geben. Die Normierung und Eichung des Verfahrens ist das Hauptproblem

Schwierige, technische Probleme und ich hoffe, ganze Heerscharen arbeiten an solchen Messverfahren! Denn der 'Wirkungsgrad der Bilderzeugung' ist die entscheidenden Kenngrösse für die Effektivität des digitalen Bilderzeugungsprozess in einer Camera: Reales Bild >Bildsensor >Signalverarbeitung >Bildbearbeitung >Komprimierung >Speicherung >digitales Bild. ABER: Letztendlich interessiert nicht die Effektivität dieses Prozesses, sondern allein die (nicht messbare) Bildqualität!!


Abbildungsqualität
Wie aber kann man in dieser technisch sehr komplexen Situation die Eigenschaft unterschiedlicher Cameras vergleichen die dazu führt, dass deutlich sichtbar in zwei vergleichbaren, digitalen Bildern unterschiedlich viel Bildinformation enthalten ist?
Ich könnte mir folgende Lösung vorstellen:

  • Spricht man von Abbildungsqualität an Stelle von Bildqualität, kann man den subjektiven Faktor eliminieren.
  • Die Abbildungsqualität vergleicht das Bild mit der Realität ohne nach der ästhetischen Komponente des Bildes zu fragen.
  • Der 'natürliche' Messwert der Abbildungsqualität ist die Auflösung oder 'Resolution': Wie gross sind die Gegenstände in der Realität, die von der Camera noch abgebildet werden?
  • 'Resolution' (of a displaying device) ist nicht zu verwechseln mit der Auflösung eines Bildsensors in Pixel oder der Auflösung eines gedruckten Bildes in DPI ...!
  • Auch hier müssen die Umstände der Messung normiert werden. Mindestens: 1. Grösse und Fläche der Objekte 2. Abstand der Objekte von der Camera 3. Beleuchtung 4. Fläche des digitalen Bildes in Pixel f(x,y) usw.
  • Nach der Normierung der Umstände aber werden Absolutwerte gemessen: Länge und Fläche der Objekte, die gerade noch abgebildet werden können.
  • Die normierten Messwerte sind der Abbildungsqualität direkt proportional.
  • Es ist allerdings anzunehmen, dass weitere technische Parameter die Abbildungsqualität beeinflussen ... Welche?

Mit einem Messverfahren, das diese 'Resolution' misst, kann die Abbildungsqualität zweier Cameras verglichen werden. Die ersten beiden Bilder (s.o.) demonstrieren das eindrucksvoll:


Links: Canon S80 - Rechts: Fujifilm F30
Oben auf 300 % vergrössert - Unten Original 100 %

Eindeutig ist zu sehen: Die Fujifilm F30 bildet die Spitze auf dem Dach noch ab, die Canon S80 nicht. Wären diese beiden Bilder unter normierten Bedingungen entstanden, könnte man (trotz eines kleinen Ermessensspielraums) eine objektive Aussage zur Abbildungsqualität beider Kameras treffen. So könne eine Beurteilung aussehen:

Die F30 bildet einen Gegenstand von einem Meter Länge und einer Fläche von 0,4 Quadratmetern in einer Entfernung von zwei Kilometer bei der Beleuchtung xyz und einer Pixelanzahl von 42 x 30 Pixeln noch ab. Die Canon S80 ist dazu nicht in der Lage.

 

Messung der Resolution in LPH
Die Messwerte LPI und DPI (lines or dots per inch) messen die Auflösung von gedruckten Bildern. Es handelt sich hier um Messverfahren, die die oben beschriebene Resolution messen, allerdings für einen anderen, speziellen Fall: Abbildungsqualität von Bildern, die auf Papier oder Film existieren. Damit kann die Resolution einer Digitalcamera nicht gemessen werden! Siehe ...

Auch die 'Auflösung' einer Digitalcamera, gemessen in Pixel oder MPixel misst etwas anderes: Hier wird absolut die Pixelanzahl in x- und y-Richtung, oder das Produkt daraus gemessen. Diese Messwerte kennzeichnen lediglich die Grösse des digitalen Bildes, das diese Camera erzeugt. Es besteht kein direkter Zusammenhang zwischen dieser Grösse und der Abbildungsqualität der betreffenden Camera (aber ein indirekter).

CHIP Online und Dpreview.com verwenden ein normiertes Verfahren nach ISO 12233 zur Messung der oben beschriebenen Resolution. Gemessen wird in 'Resolution in LPH' (Lines per Picture Height). Hierbei werden als 'absolute resolution' die Anzahl der Linien gemessen, die auf einem digitalen Bild noch als einzelne Linien erkennbar sind. Auch hier gibt es einen Ermessensspielraum. Aber die Anzahl der einzeln sichtbaren Linien ist der Abbildungsqualität der Camera direkt proportional! Siehe ... und Vergleich F30/S80 ...

Die Messung der Resolution in LPH ist also am ehesten in der Lage, den Unterschied in der Abbildungsqualität der oben sichtbaren Testbilder numerisch zu beschreiben und zu erklären. Die ästhetische Bildqualität hat damit unmittelbar nichts zu tun.

 

Facit
Mit der Messung der LPH nach ISO 12233 wird ein Absolutwert ermittelt, der unmittelbar Rückschlüsse auf die Abbildungsqualität der Camera erlaubt. Es wird damit nicht gemessen, wie gross Gegenstände in der Realität sein dürfen, damit sie von einer Digitalcamera noch abgebildet werden können. Auf dieses Kriterium der Abbildungsqualität kann höchsten aus den LPH-Werten geschlossen werden. Vielleicht! Ausserdem ist zu berücksichtigen, dass weitere Bildparameter die Abbildungsqualität beeinflussen: Motiv, Farbe, Helligkeit, Kontrast ... usw.

An dieser Problematik ist zu erkennen, wie raffiniert unsere Sinnesorgane funktionieren: Und sie liefern gerade keine numerischen Messwerte! Wir können sofort sehen, dass das Bild der F30 besser ist, als das der S80. Aber diese Aussage numerisch zu fassen, ist unendlich schwierig.

 

Links: Testmethoden für digitale Cameras

Jürgen Albrecht, 20. November 2006
update: 04.11.2007

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