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MARCEL REICH-RANICKI

Geheimagent mit Leidenschaft?

Die Rolle Marcel Reich-Ranickis als Agent des polnischen Geheimdienstes war offenbar größer als bisher bekannt. Neue Akten schildern angeblich den späteren Literaturkritiker als eifrigen und leidenschaftlichen Spion der Nachkriegszeit.

Kritiker Reich-Ranicki: ''Kein Wort zu korrigieren''
DPA
Kritiker Reich-Ranicki: "Kein Wort zu korrigieren"
Frankfurt/M./Berlin - Die "Welt" veröffentlichte am Montag erstmals Auszüge aus einer geheimen Personalakte des polnischen Ministeriums für Öffentliche Sicherheit (MBP). Dem Dossier zufolge soll der spätere Literaturkritiker die geheimpolizeiliche Arbeit geradezu mit Leidenschaft betrieben haben und ein hervorragender Agentenführer gewesen sein.

Der in Frankfurt lebende Kritiker sagte dem Blatt hingegen, seine Rolle sei nicht größer gewesen, als er sie in seiner 1999 erschienenen Autobiografie "Mein Leben" geschildert habe. Er könne sich "des Eindrucks nicht erwehren, dass hier jemand eifrig bemüht war, diejenigen Angaben herauszufischen, die vielleicht gegen mich sprechen könnten". Er habe "in seiner Darstellung kein Wort zu korrigieren", meinte Reich-Ranicki. Allerdings sagte er auch, er kenne die von der "Welt" zitierte Akte nicht.

Nach Angaben der Zeitung wurde Reich-Ranicki Ende 1944 im Alter von 24 Jahren im kommunistischen Polen Mitglied des Geheimdienstes und blieb es mit kurzer Unterbrechung bis zum 28. Januar 1950. Seine Vorgesetzten loben dem Blatt zufolge in der Geheimakte seine Intelligenz und seinen Eifer. Er sei "gut in der operativen Arbeit" gewesen, "vernarrt in den Geheimdienst" und "kenne die Psyche des Agenten", auch sei er der Volksrepublik Polen ergeben und politisch zuverlässig. Bescheinigt werden ihm auch umfangreiche gesellschaftliche Kontakte in Parteikreisen. Allerdings würden in manchen Bewertungen die Eigenschaften Arroganz und Opportunismus sowie "intelligenzlerhafte Manieren" getadelt. In der Mehrzahl seien die Bewertungen jedoch positiv gewesen.

"Belanglos und überflüssig"

Die Akte umfasst laut "Welt" 109 Blätter, darunter Reich-Ranickis Aufnahmegesuch, Verpflichtungs- und Schweigeerklärungen, handschriftlich verfasste Lebensläufe, detaillierte Personalfragebögen, Anträge der Vorgesetzten auf Beförderung, Fotos und Briefe. Sie liegt unter der Nummer IPN 0193/896 im polnischen Institut des Nationalen Gedenkens in Warschau, der polnischen Entsprechung der Gauck-Behörde.

Wie der Kritiker auch in seiner Autobiografie beschreibt, war er zunächst in Polen in der Postzensur beschäftigt, wo er die Korrespondenz mit dem Ausland überwachte. 1948 und 1949 arbeitete er als Konsul für das polnische Außenministerium in London, wo er laut "Welt" inoffiziell als Agentenführer tätig war. "Unter seiner Leitung wurde eine Kartei mit Informationen über mehr als 2000 Emigranten geführt", schreibt das Blatt. 1949 fiel Reich-Ranicki in Polen unter anderem wegen seiner "unklaren Rolle im Getto" als Mitarbeiter der Getto-Verwaltung in Ungnade. 1950 wurde er aus Partei und Ministerium ausgeschlossen.

Reich-Ranicki sagte der Zeitung, er habe die Arbeit beim Geheimdienst stets für "belanglos und überflüssig" gehalten und ungern gemacht. Zu seiner Tätigkeit bei der Zensur sei er nur deshalb gekommen, weil er Fremdsprachen beherrschte. Die Kartei in London sei eine "so harmlose wie überflüssige Kartei" gewesen, die "nie benutzt wurde". Im Ministerium sei "alles improvisiert und sehr chaotisch" gewesen. "Es wurde damals von den Halbanalphabeten, die in der Personalabteilung arbeiteten, in den Akten viel Unsinn notiert", sagte Reich-Ranicki.



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12. August 2002 
 
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