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Abraham Melzer

Große Worte: Der selbstgerechte Zadik

Antwort auf Henryk M. Broders Attacke gegen
Heinz Berggruen in der FAZ

Eigentlich müsste Henryk M. Broder schon längst einen karnevalistischen Orden erhalten haben, oder sogar den berühmten Orden "Wider den tierischen Ernst", der leider nur einmal im Jahr verliehen wird und dann auch noch meistens an Prominente aus der Politik und dem Showbussiness. Pech für Broder, dass er nicht prominent genug ist, obwohl seine Homepage voll ist mit jugendlichen Fans, die sich über seine abgestandenen, mit einen sehr langen Bart versehene Witze, lachen und klatschen.

Abraham Melzer

Seit Jahren belustigt, ärgert, erstaunt und entsetzt er seine Gemeinde mit Beiträgen, die manchmal oberhalb aber meistens unterhalb der Gürtellinie sind, nach Broders Belieben, da ist er nicht zimperlich, nicht wählerisch und immer gnadenlos boshaft. Empfindlich ist er nicht, solange es um andere geht. Wenn es um seine Person geht, ist er sofort beleidigt und bricht den Kontakt selbst mit langjährigen Freunde, in deren Küchen er so manchen Kuchen gebacken hat. Die Opfer sind aber meistens sauer, ärgerlich, beleidigt, frustriert und selten froh.

Manchmal aber lässt uns Broder regelrecht im Regen stehen, und wir wissen nicht, ob wir weinen sollen über seinen dumpfen Humor oder lachen sollen über seine moralische Entrüstung.

Henryk M. Broder hat nur eine einzige Regel für seine journalistische Arbeit, nach er lebt und die er weiterhin leidenschaftlich verfolgt: Viel Feind - viel Ehr. Das mit der "Ehr" ist so eine Sache, man weiß nicht wie man sie messen soll. Was die Feinde betrifft, so muss man sie nur zählen. Und da kommt man bei Broder sehr schnell auf astronomische Zahlen. Von Erich Fried bis Raffi Seligmann, von Atze Brauner bis Ralf Eden, von Willi Winkler, wer immer das auch ist, bis Herta Däubler-Gmelin, die jeder kennt, alle tauchen auf in seiner Galerie der "Schmock der Woche", Christoph Diekmann, Adrenne Goehler, Franz-Joseph Wagner, Roger Willemsen, Dr. Motte, Gunther von Hagen, Leanda Haussmann, Sybille Tönnies, Martin Hohmann, Norman Finkelstein, Eva Schweitzer, der alte Feind von 1985, Günther Rühle und der "Mega Schmock" Mathias Bröckers, bei dem keiner weiß wer das ist und warum er Broder so gereizt hat, dass er zum "Mega-Ereignis" wurde.

Jeder verteilt die Orden, die seiner Ehre und gesellschaftlicher Stellung gemäß sind. So ist es Johannes Rau vorbehalten, die Verdienstkreuze der Republik denen an die Brust anzuheften, die für diese Auszeichnung ausgewählt wurden. Immerhin ist Rau der Bundespräsident.

Die Auszeichnung, die Henryk M. Broder zu vergeben hat, entspricht seiner gesellschaftlichen Stellung, seiner Selbstwertschätzung und seinen skurillen, jüdischen Humor. Er kann sie nicht persönlich übergeben und schon gar nicht an die Brust der Frauen und Männer seiner Wahl anheften, denn er riskiert dabei, je nach Temperament, von dem einen oder anderen geohrfeigt zu werden. Dafür wird aber ihr Name in seiner privaten "Homepage" verbreitet und die Begründung obendrauf, die oft geschmacklos ist und immer öfters anmaßend.

In manchen Fällen hat er Recht, wie zum Beispiel im Falle des jüdischen Film-Moguls Atze Brauner, der nicht müde wird in sämtlichen Fettnäpfchen, die ihm Broder vorsetzt, reinzutreten. In den meisten Fällen aber entdeckte ich einen Abschaum von Unvernunft, Häme und Belanglosigkeit. Er kam mir dann sehr borniert, sehr kategorisch und anmaßend vor, ein unmoralischer Moralist aus eigener Machtvollkommenheit.

Broder stellt aus Prinzip nicht nur alles in Frage, sondern auch alles auf dem Kopf. Wenn man als Jude schon nicht per definitionem gebrandmarkt ist, dann soll man dadurch aber zumindest einen Vorteil haben. Das führt bei ihm zu Überheblichkeit und Pharisäertum.

Kein Jude erträgt selbst ein objektives Urteil über "die" Juden, geschweige denn ein abfälliges, auch über einzelne Juden, oder Entartete, sobald das Judentum als solches im geringsten mitbelastet wird. Auch nicht, wenn ein solches Urteil von einem Juden ausgesprochen wird. Und diese Tatsache, die ein genetischer Fehler zu sein scheint, rächt sich, wie wir alle unlängst erfahren haben, insofern, als sich zwischen schönfärbender Apologie, die heute Philosemitismus heißt, und hässlicher Verleumdung, die immer noch Antisemitismus heißt, kaum ein Kompromiss möglich ist.

So hat Henryk M. Broder auf einen Beitrag von Heinz Berggruen in der FAZ, in dem dieser auf die Frage:"Was sagen Sie zu Michel Friedman?", einige kluge oder wenige kluge, an sich harmlose, gleichwohl aber richtige Bemerkungen gemacht hat, mit einer unübersehbaren Portion Schaum vor dem Mund geantwortet und Heinz Berggruen zum "Scmock der Woche" ernannt.

Was ist geschehen? Wodurch hat Berggruen den Zorn des Meisters auf sich gelenkt? Was hat er geschrieben, dass Broder gleichsam wie ein Pawlowscher Hund reagiert hat?

Berggruen bedauerte die unselige Trennung von Juden und Nichtjuden, die es in Deutschland seit Moses Mendelsohn und Heinrich Heine bis zu Jakob Wassermann und Reich-Ranicki gab und leider immer noch gibt. Er wundert sich über die nicht endenden Diskussionen über das Verhältnis der einen zu den anderen. Und über diesen kleinen Umweg kommt Berggruen zu Michel Friedman, dem er empfiehlt sich "diskreter" zu verhalten, er sollte sich "mehr Zurückhaltung auferlegen". Nebbich, könnte man sagen. Hat Berggruen keine anderen Sorgen? Warum musste er seinen jüdischen Kommentar auch geben?

Jakob Wassermann, der in diesem Disput zwischen H.B. und H.B., eine nicht unbedeutende Rolle spielt, schrieb in seinem Buch: "Mein Weg als Deutscher und Jude", die heute noch aktuellen Worte: "Im auserwählten Volk aber, maßt sich der Einzelne nach und nach eine Rolle an, die ihm nicht zukommt, der er nicht gewachsen ist und bei der er überredet wird, die Vorteile der Gesamtposition für sich geltend zu machen, die Verantwortung hingegen auf die Gesamtheit abzuwälzen." Dabei starb Wassermann schon 1934, also lange bevor Michel Friedman geboren wurde. Und da, wo Wassermann in seinem Buch von "prahlerisches Sichbehaupten, wo es galt, sich zu bescheiden" schreibt, meint Berggruen, dass Friedman weder den Juden in Deutschland, die er repräsentiert, noch den liberalen und sozial denkenden Nichtjuden einen Gefallen tut, "mit seinem Hochmut und seiner Art andere zu maßregeln, die anderer Meinung sind".

"Damit die jüdische Frage nicht zu einem Brandherd werde", wie Wassermann seinerzeit ahnungsvoll schrieb, "verlangt die Lebensweisheit, wie sie beispielhaft ein Ignaz Bubis personifizierte, dass man sich mit dem Problem...sehr viel vorsichtiger befasse, als es Michel Friedman immer wieder tut, ziemlich selbstgefällig obendrein."

Wie kommt es, dass selbst ein Nobelpreisträger wie Günter Grass - übrigens von Broder auch schon beehrt - sich gehemmt fühlt, "den schlechten Journalisten M.F. so zu kritisieren, wie er es verdient hat?" Die Antwort darauf gab Harald Weiss im SWR. "Michel Friedman ist ein provozierter Provokateur. Friedman sei immer in Gefahr, mehr zusätzliche Konflikte zu schüren, als dass er welche eindämme. Das Problem: Er vermischt seine Jobs - den des Talkshow-Journalisten, den des Parteipolitikers in der CDU und den des Vizepräsidenten des ZDJ. Doch wer ihn angreift, greift immer auch den Vertreter der Juden in Deutschland an - das macht den Umgang so brisant. Brisant vor allem dann, wenn es bei der Kritik um die Politik Israels geht. Friedman erhebt für sich einen bedenklichen Anspruch: Die Grenze festzulegen, bis wohin Vorwürfe gegenüber Sharon zu rechtfertigen sind und ab wann sie als Antisemitismus zu gelten haben. Der Weg zur Zensur ist da nicht weit." Was anderes hat Berggruen auch nicht gemeint. Er hat es nur leiser und vornehmer ausgedrückt. Er macht sich halt seine Gedanken über einen jüdischen Politiker in einer christlichen Partei, der dazu Repräsentant der Juden ist.

Broder aber spuckt Gift und Galle und spart nicht mit seinen beliebten Verballinjurien und jiddischen Witzen. Dumm ist jeder, der Broder´s Weltansicht nicht teilt. Und da Broder von Beruf in erster Linie "Jude" ist und dazu noch jüdischer Patriot, verbeißt er sich wie ein Terrier in jeden, der von Juden verlangt, sie sollen sich anständig benehmen. Was für ein Glück hat da Berggruen, dass er auch Jude ist. Ansonsten hätte Broder ihn schon längst als einen Antisemiten entlarvt. So reicht es nur für die Galerie der Schmocks, wo er sich immerhin in der Gesellschaft von Paul Spiegel befindet.

Man fragt sich auch was so falsch und verwerflich ist an der Forderung von Heinz Berggruen, Michel Friedman solle sich ein wenig "diskreter Verhalten"?

Hat etwa Heinz Galinski Angst davor gehabt, dass der Deutsche böse werden könnte. Er hat immer dann, wenn es nötig war seine Stimme erhoben und die war gar nicht so leise. Im Unterschied zu Friedman war aber Galinski kein "Hansdampf in allen Gassen", kein Moderator zweier umstrittener Talkshows, die ihren Talkmaster immerhin den Titel "Inquisitor" eingebracht haben, kein ständiger Gast auf allen möglichen und unmöglichen "Talks", kein maßloser Übertreiber und Polemiker, keiner, der sich auf eine solche emotionale und missverständliche Auseinandersetzung mit einem Möllemann eingelassen hätte, bei der von vornherein fest stand, dass der ZDJ nichts gewinnen und Michel Friedman alles verlieren kann. Insbesondere seine Glaubwürdigkeit und seine von ihm so geschätzte Wahrhaftigkeit.

Auch Bubis, der mit der Medienabstinenz von Galinski gebrochen hatte, war immer moderat und niemals so polarisierend wie Friedman, und die Erinnerung von Berggruen an ihn, ist keineswegs seltsam, wie uns Broder einzureden versucht. Es ist zwar richtig, dass Bubis das Schicksal von Wassermann nicht erspart geblieben ist. Auch er hat am Ende seines Lebens eine Bitterkeit in der Brust verspürt, die womöglich auch zum tödlichen Krampf geführt hat. Bubis starb auch mit der Überzeugung, dass alles vergeblich sei: er ist ein Jude. Dennoch hat Bubis vor keiner Auseinandersetzung gekniffen und mit seiner Meinung niemals hinter dem Berg gehalten. Er tat es aber eben mit jener "Zurückhaltung", die dem Thema immer angemessen war. Er hat niemals auf Antisemiten Rücksicht genommen, wohl aber auf die Minderheit, die er repräsentierte. Deshalb hat er sich niemals auf Stammtisch-Niveau runterdrücken lassen und seine Auseinandersetzung mit Walser, ist gekennzeichnet von der Ernsthaftigkeit der Diskussion, auch von der Unmöglichkeit eines offenen Dialogs und nicht zuletzt davon, dass Bubis von vielen Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft unterstützt wurde und nicht, wie Broder bewusst die Tatsachen verdreht, den Beschimpfungen Walsers allein ausgesetzt wurde. Da diese Debatte noch nicht lange her ist, können wir uns alle noch erinnern, dass die Medien wochenlang voll waren mit pro- und contra Beiträgen.

Was hat es genutzt, kann man sich fragen? Möglicherweise gar nichts. Wenn aber Broder uns überzeugen will, dass nichts nützt, weil sie immer sagen werden: er ist ein Jude, dann nützt weder die Provokation, die anscheinend von Broder vorgezogen wird, noch die Zurückhaltung. Dann nützt nur noch die Auswanderung. Und diese scheint aber auch nicht zu nützen, und wer weiß es besser als Henryk M. Broder, der vor Jahren enttäuscht, frustriert und beleidigt fluchtartig dieses Land verlassen hat, nicht ohne vorher darauf hinzuweisen, dass alle Linken, zu denen er sich auch zählte, "neue Antisemiten" seien, weil sie antizionistisch sind. Gegangen ist Broder durch die große Vordertür mit Abschiedbeiträgen in der ZEIT und wer weiß sonst wo, und zurückgekommen ist er still und leise durch die Hintertür.

Plötzlich war er wieder da. Auch Broder demnach ein Jakob Wassermann, der ganz Jude war und ganz Deutscher. Ist es der jüdische Masochismus, der ihn zwingt in einem Land zu leben, in dem er immer ein Außenseiter sein wird, immer ein Jude? Andererseits hat Broder daraus einen Beruf gemacht, die jüdische Antwort auf ein unlösbares Problem.

Während Galinski noch bei der Schuld der Deutschen blieb und diese zu konservieren versuchte, bemühte sich Bubis darum, aus der Schuld eine Verantwortung zu machen, die alle verpflichtet und der sich auch die Juden nicht entziehen können. Seine Nachfolger gehen einen Schritt weiter, leider aber in die falsche Richtung. Sie wollen diese Verantwortung nicht mehr mit den Deutschen teilen, sondern die Verantwortung selbst in zwei Teilen spalten, für die Deutschen die Verantwortung pure, für die Juden die Überwachung der Einhaltung dieser Verantwortung. Dazu gehört allerlei Unsinn bis hin zu der Behauptung, Deutschland müsse aus der geschichtlichen Verantwortung heraus, uneingeschränkt solidarisch hinter Israel stehen. Bei der Einforderung dieser Solidarität machen Friedman und seine Getreuen ein solch lautes Geschrei, dass sie nicht nur die Schlafenden wecken, sondern, auch Tote erwecken, tote Geister und Gespenster, die nach der Auffassung von Ralph Giordano, wieder durch Deutschland irren, sozusagen dem "Ewigen Juden" auf den Fersen. Und Broder rennt den Gespenstern hinterher, immer fast in Reichweite.

Am liebsten beehrt er aber mit seinem Titel "Schmock der Woche" Juden, bei denen er mit Sicherheit annehmen darf, dass sie die jiddische Bezeichnung "Schmock" unmissverständlich verstehen und der Gedanke, seine Opfer könnten sich beleidigt fühlen, bereitet ihm wohl einen geistigen Orgasmus. Wenn es soweit ist, hat Broder gewonnen.

Was Broder diesmal bis aufs Blut, oder besser, bis aufs Konto gereizt hat, war die irrtümliche Annahme, Heinz Berggruen hätte mit seinem Beitrag "die" Juden aufgefordert, "nur nicht zu provozieren". Wovon sollte dann ein Henryk M. Broder leben? Vom Gnadenbrot des SPIEGEL? So kann man die Reaktion von Broder als Panik verstehen, Angst um die eigene Existenz.

Heinz Berggruen hat aber nur aufgerufen zur Sachlichkeit, Anständigkeit und Verhältnismäßigkeit, so zumindest habe ich seinen Beitrag verstanden. Alles Ziele, die ein seriöser Journalist respektieren sollte. Nirgends ist da die Rede davon, dass man als Jude nicht schreien soll, wenn es angebracht ist, dass man über Unrecht schweigen soll, wenn es uns anspringt und Seele und Herz zum Kochen bringt, dass man seinen Schwanz einziehen soll bei Fragen, die uns Juden angehen.

Broder, der gern und gut schreibt, kann anscheinend nicht gut lesen oder zuhören, oder er liest und hört nur das, was in sein Weltbild passt. In seiner Überheblichkeit und Abgehobenheit interpretiert er zynisch und gehässig harmlose Texte so, dass er einen Grund hat als Moralpolizist einzuschreiten. Dabei ist ihm kein Text zu dumm und Opfer zu schade.

Man spürt, dass er Angst hat um seine Macht, denn er ist doch "der" Jude, der berechtigt ist zu jüdischen Fragen Stellung zu nehmen. Er ist eigentlich zuständig, wenn es heißt, "Was meinen Sie zu Michel Friedman?"

Er macht sich über Berggruen lustig und fragt, warum man ihn nicht nach seiner Meinung zu Stefan Raab und Bodo Hauser fragt. Da hat Broder Recht. Und wo er Recht hat, muss gefragt werden: Warum schreibt Broder immer nur zu jüdischen Fragen (und zu Israel)? Warum musste Henryk Broder seine Meinung zum Antisemitismus-Streit mit Möllemann ausgerechnet im SPIEGEL veröffentlichen? Warum wird Henryk M. Broder nicht nach seiner Meinung zu Stefan Raab oder Bodo Hauser gefragt? Er könnte, wie er richtig folgert, viel mehr dazu sagen. Aber, es ist, wie wir alle wissen, wie es ist: Henryk M. Broder ist Jude und deshalb ist seine Meinung zu jüdischen Fragen so wichtig, weil sie zwar nicht unabhängig ist, aber von jedem Antisemitismusverdacht freigestellt. Heinz Berggruen ist übrigens auch Jude und deshalb ist seine jüdische Meinung zu Michel Friedman für die FAZ so wichtig. Was dem SPIEGEL gut ist, soll der FAZ recht sein. So einfach ist das und auch Henryk Broder könnte es verstehen, wenn er nur will.

Anmaßend und überheblich wirft Broder dem 82jährigen Berggruen vor, er habe das o.g. Buch von Jakob Wassermann "nicht gelesen oder nicht verstanden." Es ist halt nicht jeder so belesen und klug wie Broder, der auch in seiner Attacke gegen Möllemann diesem vorgeworfen hat, dieses oder jenes Buch nicht gelesen oder nicht verstanden zu haben. Das ist anscheinend ein Lieblingsvorwurf von Broder, womit er seine jüdisch-abendländische Bildung vorzeigen kann um Pluspunkte zu sammeln.

Und warum soll Berggruen Wassermann nicht verstanden haben? Weil er schreibt: "Damit die jüdische Frage nicht zu einem Brandherd werde, wie Wassermann seinerzeit ahnungsvoll schrieb..." Stop. Da muss Broder dazwischen, um zu zeigen, dass er das Buch von Wassermann nicht nur gelesen hat, sondern auch besser als Berggruen verstanden hat. Tatsächlich?

Auf Seite 1 der Originalausgabe steht der Satz: "Heute ist es ein Brandherd."

Nebbich, nebbich. Man könnte glauben hier geht es um "Sein oder Nichtsein". Es geht nur darum, dass Broder die vermeintlich bessere Interpretation weiß, dabei ist es nur eine andere, wenn überhaupt.

Kann man Wassermann nicht auch so verstehen, dass er schon 1920 die geschichtliche Entwicklung voraus sah und schon damals diese prophetischen Worte ausspricht und auf das hinweist, was nur 20 Jahre später geschah, nämlich der tatsächliche Brand, den er eben schon1920 "ahnungsvoll" vorausgesehen hat? Berechtigt diese unverdächtigte, harmlose und im Prinzip nicht unrichtige Interpretation Broder zu solchen Ausfällen. Mensch Broder! Es war doch nur eine harmlose Interpretation.

Und selbst wenn die "jüdische Frage" schon 1920 ein Brandherd war, was ist hier gegen das Wort "ahnungsvoll" einzuwenden. Soll die "jüdische Frage" wieder ein Brandherd werden? Und wenn auch nur auf dem Niveau von 1920? Man hat fast den Eindruck, dass Broder es herbeireden bzw. schreiben möchte. Es ist ja schließlich sein Broterwerb, seine "Parnosse".

Broder, der von Wassermanns 126 Seiten Buch wohl nur die Seiten 1 und 122 gelesen hat, meint, dass Wassermann an keiner Stelle "Zurückhaltung" empfiehlt, wenn es um die Bekämpfung der Judenfeindschaft geht. Wenn er aber auch die Seiten 2 bis 121 gelesen hätte, wüsste er vielleicht, dass Wassermann auch von dem "Missbrauch großer Worte" schreibt und dass er vor Menschen warnt, die "eine Rolle sich anmaßen, die ihnen nicht zukommt, der sie nicht gewachsen sind." Wassermann verachtet Menschen, die "sehr borniert, sehr kategorisch" sind.

Wassermann ist zwar der Meinung, dass es vergeblich ist als Jude, sich zu bemühen den Deutschen zu gefallen, dass es vergeblich ist "für sie zu leben und zu sterben. Sie sagen: er ist Jude."

Damit hat man als Jude aber noch keinen Freibrief sich wie ein "Schmock" zu benehmen. Wassermann tut es nicht, und Galinski und Bubis haben es auch nicht getan. Und Wassermann, wenn er heute lebte, würde sich sicherlich auch dagegen wehren, wenn man die "jüdische Frage" von 2002, die es so nicht mehr gibt, gleichsetzen wollte mit der "jüdischen Frage" von 1920, die, wie wir wissen, zu Auschwitz und Maidanek geführt hat. Und das ist es eben, was Friedman und seine Kollegen, samt Broder und seine Kollegen, uns weismachen wollten: "Wir leben wieder mitten im Dritten Reich". Worte, wie aus einer Kanone geschossen. Genau so laut und genau so verwerflich.

"Heute" schreibt Broder "gibt es wieder eine Jüdische Frage, die sich daran entzündet hat, das ein Jude zynisch und hämisch ist." Mehr nicht? Es reicht also, dass ein Jude, nennen wir ihn beim Namen, Michel Friedman, zynisch und hämisch ist, um die Judenfrage aus der Mottenkiste wieder rauszuholen. Dabei handelt es sich nicht nur um einen Juden, der zynisch und hämisch ist, sondern um einen, der leider auch blind und taub, dumm und polarisierend ist.

Und was wir mit ihm und allen anderen Protagonisten erlebt haben, ist kein "Brandherd", der sich entzünden kann, sondern ein "Medien-event", an den "Schmocks" wie Broder noch kräftig verdienen.

"Man kann durch Erfahrung dumm werden", meint schließlich der Welterfahrene Broder. Ich glaube das nicht. Erfahrung macht niemals dumm, aber manchen macht sie überheblich und selbstgerecht.

Deswegen: Der ZADIK des Jahres geht an Henryk M. Broder für das was er geschrieben hat und noch schreiben wird.

Amen.

Von Abraham Melzer - Quelle: http://www.semit.de/

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