BACK

Real Utopia in der Salzwüste von Utah 1/5

Der Temple und das Brigham Young Denkmal

Weitere Bilder

DOWNLOAD ALL

Am Morgen fahre ich von Evanston aus in einem Ritt bis nach Salt Lake City, denn das sind nur 140 km. Die Strasse geht stetig bergab und sie führt durch einen engen Canyon. Dieser Canyon hat Geschichte, denn hier sind die ersten Mormonen im Jahr 1847 mit ihrem Treck durchgezogen und haben ZION, das Gelobte Land erreicht. Der Canyon ist tief, er hat steile Sandsteinwände und er endet mit dem richtigen Finale: Nach einer sehr engen und tiefen Stelle der Schlucht geht es nach oben und der Blick weitet sich: Vor meinen Füssen liegt das breite, sonnige Tal von Salt Lake City.

Salt Lake City wurde von den Mormonen gegründet, ist von ihnen geprägt und ist auch heute noch ihre Stadt. Der Gouverneur von Utah ist ein Mormone und die gesamte Verwaltung dieses Bundesstaates der USA wird unbestritten von Mormonen dominiert. NEWSWEEK, September 10, 2001, liefert auf Seite 46 exakte Zahlen.

Der Temple Square in Salt Lake City
Nachdem ich diesen Blick ausreichend genossen habe, fahre ich in die grosse Stadt hinunter. Breite, sechsspurige Strassen, klare Schilder, wenig Verkehr, aber kein Parkplatz. Ich fahre durch das Zentrum, die Main Street, sehe den 'Temple' und finde doch noch in der Nähe einen Parkplatz vor einem Supermarkt. Es ist Sonnabend (08. September 2001), die Stadt ist noch verschlafen. Was mache ich jetzt um 9:30 Uhr in Salt Lake City? Hier mache ich Station, weil ich mich über die Mormonen informieren und ihren Temple Square besichtigen will. Also schliesse ich mein Auto ab und laufe durch Downtown bis zum Temple Square.

Als erstes fällt auf, wie grundsolide, sauber und ordentlich es hier ist und wieviel Blumen überall blühen! In diesem Temple Square ist alles für die Ewigkeit gebaut: Marmor, Granit, Glas, eine hohe Mauer, starke Eisengitter, eine europäische Kirche und erdbebensichere Hochhäuser. Überall Blumen und grosse Bäume. Das beeindruckt. Vor dem Temple stehen Menschen, eine Trauung steht bevor, eine Hochzeit wird gefeiert und die Upper Class ist eingeladen. Anzug, feine Robe, Namensschild am Revers und strikte Eingangskontrolle. Da hat ein dahergelaufener Tourist keine Chance, sich auch in die Kirche zu setzen. Später erst lerne ich, dass zu diesem Temple nur Mormonen Zutritt haben.

Ich sehe mir die Gebäude von aussen an, Sonnenschein und strahlend blauer Himmel. Was für ein riesiges Church Office Building ist für die Verwaltung dieser Kirche nötig!? Ich laufe durch die schönen Parks mit vielen Brunnen und den überall wuchernden Blumen. Beim Tabernacle werde ich von einer der vielen freundlichen Sisters angesprochen: Alle 10 Minuten beginnt eine neue Führung, ob ich mich da nicht anschliessen möchte?

 

Es ist kurz vor 10 Uhr und ich gehe eine halbe Stunde mit den Sisters spazieren. Zwei Sisters führen fünf Touristen, sprechen mit jedem einzeln und möglichst intensiv. Sie informieren über die Historie, ihren Glauben und auf diesem Rundgang kann man den Temple von aussen und das Tabernacle von innen besichtigen. Die Tour endet im North Visitor Center. Wir werden in einen kuppelförmigen Raum in oberen Stockwerk geführt und zum Sitzen aufgefordert. Vor der Statue von Jesus Christus, ganz in Weiss, verkündet eine Stimme, dass die Mormonen die 'einzig wahre und lebende Kirche der Erde' errichtet haben. Dann werde wir zu weichen Sesseln gebeten und die Sisters überreichen uns 'free Gifts': Ein Faltblatt über den Temple Square, ein Faltblatt über grosse Temple, die es ausserhalb von Salt Lake City noch gibt (San Diego, Arizona, Oakland, Mexico City, St. George, Monticello, Washington D.C. und Laie, Hawaii) und die Proklamation über die Familie. Die Sisters weisen auch auf die Web Adresse der Mormonen hin: www.lds.org. Das scheint ein ganz neuer Service zu sein, denn diese Adresse steht noch nicht auf dem gedruckten Informationsmaterial.

Zum Schluss dürfen wir eine Karte ausfüllen: Welchen Kommentar haben Sie für uns? Wie ist Ihr Name, Ihre Adresse und Ihre Telefonnummer? Dürfen wir mit Ihnen per Telefon Kontakt aufnehmen? Dürfen/sollen wir Sie besuchen kommen, egal, wo Sie wohnen?!

Ich schreibe als Kommentar: 'Es ist von allergrösster Wichtigkeit, sich ein Ziel für dieses Leben zu setzen.' Das ist auch wirklich mein Facit, nachdem ich gesehen habe, was diese Menschen in 150 Jahren aus der Wüste gemacht haben und wie viel Zufriedenheit, ja Glückseligkeit aus ihren Augen und Bewegungen spricht. Allein durch ihre Körpersprache demonstrieren alle Mormonen, die ich heute treffe, dass sie Frieden mit sich und der Welt gefunden haben. Es kommt nicht darauf an, dass das Ziel etwas mit der Realität, der Wahrheit, oder gar mit dem Verstand zu tun hat. Entscheidend ist, dass man ein 'erfülltes' Leben erreicht, was immer das für jeden Menschen individuell bedeuten mag. Aber mit Sicherheit ist die Basis eines solchen Lebens Zufriedenheit und ein seelische Gleichgewicht.

Das alles zu sehen ist beeindruckend. Nur ein Aspekt stört von Anfang an diese scheinbar so schöne, heile Welt: Das Land gehörte ihnen nicht, auf dem die Mormonen ganz zielgerichtet ihre Stadt und ihr Gemeinwesen errichtet haben. Sie haben fremdes Land mit Gewalt annektiert und nach den heutigen Massstäben massiv gegen das Völkerrecht verstossen. Das Völkerrecht war vor 150 Jahren noch nicht proklamiert. Trotzdem muss jedem, der auf Indianer geschossen hat, klar gewesen sein, dass hier massiv die Rechte eines Volkes verletzt werden, das dieses Land vor mehr als 10.000 Jahren besiedelt hat.

Nächste Seite

BACK