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Wo sind die Intellektuellen? 3/4

Als Mitglied der Budapester Intellektuellen Szene konnte man die k.u.k. Monarchie, Hitlers Besatzungsmacht, die Invasion der Russen und den ungarischen Gulasch Kommunismus mit dem Theoretisieren in elitären Zirkeln ganz angenehm überstehen. Auch jetzt, wo in Ungarn quasi die Zeit still steht, wo alle die Luft anhalten und gebannt auf die Dampfwalze starren, die mit der EU auf Ungarn zu rollt, auch jetzt lebt es sich noch hervorragend als Intellektueller und als Dissident Nr. 666 in Budapest. Bald wird es damit vorbei sein. Im Pluralismus ist alles erlaubt, gleichzeitig aber ist auch alles völlig uninteressant, was nicht zu Geld zu machen ist. Das ist das Ende aller Intellektuellen, denn Ihnen kommt damit ihr bester Feind abhanden: Ein borniertes Gesellschaftssystem.

Erst mit diesem Buch ist mir aufgefallen, dass es in den sozialistischen Zeiten in Ungarn (und sicher auch in Polen) Intellektuelle gab, nicht aber in der DDR. Weder war in der DDR der Begriff 'Intellektueller' üblich, noch gab es diese Art von Menschen. Wo sind die Philosophen, Schriftsteller, Theatermacher, Sänger und Maler, die zu DDR-Zeiten ihren Verstand gebraucht und gegen den Stachel gelöckt hätten??! Robert Havemann, Wolfgang Harich, Ernst Bloch, Walter Janka, Bertold Brecht und die Gruppe um Karl Schirdewan. Das waren tatsächlich Intellektuelle in den Frühzeiten der DDR, auch wenn sie dort niemand so bezeichnet hat. Aber diese Leute waren die Ausnahme und sie blieben es auch, denn sie wurden auf offener Bühne mundtot gemacht. Bert Brecht hat nur seine internationale Reputation geschützt. War und ist Wolf Biermann ein Intellektueller, ein Dissident? Wenn überhaupt, dann war er ein verhinderter Revoluzzer, der es sich dann schnell auf dem deutschen Sofa bequem gemacht hat. Christa Wolf? Sie hat wohl mehr ihr Unbehagen zu Papier gebracht, als hochfliegende Konzepte entwickelt und mit der STASI hat sie auch noch gekungelt.

Manfred Krug hätte das Zeug für einen aufrechten Intellektuellen gehabt. Aber er ist schon sehr früh und noch in der DDR den Verlockungen des Wohlstandes, des Geldes und des VIP Lebens erlegen. Schade um einen der wenigen, potentiellen DDR Intellektuellen.

Natürlich gab es in der DDR jede Menge intelligente Leute. Natürlich haben die Studenten aufmüpfig diskutiert. Natürlich haben die Künstler aller Sparten unter dem Kulturdiktat und der Zensur der Partei gelitten. Am wenigsten Intellekt konnte man leider von den wahrhaft 'gläubigen' 'Gesellschaftswissenschaftlern' erwarten. Durchweg gilt für alle intelligenten Leute in der DDR: Sie haben zu allererst ihren Verstand dazu benutzt, die Machtfrage zu analysieren. Dabei haben sie festgestellt, dass die Machtverhältnisse so eindeutig gegen sie sprechen, dass Alternativen chancenlos sind, oder unbezahlbar teuer. Mit diesem Ergebnis sind gerade die Verstandesmenschen zu dem Schluss gekommen, das man dieses System nur als Opportunist überleben kann. Gerade die potentiellen Intellektuellen der DDR wurden dadurch zu Mitläufern des Systems. Diese Haltung war durchaus 'vernünftig'. So rational aber denkt und handelt ein 'wahrer' Intellektueller nicht. Die STASI tat ihr übriges und hat die Entstehung kleinster intellektueller Gruppen von Anfang an konsequent unterbunden.

Abtauchen, nicht auffallen, widerwillig mitmachen und nicht an den zahllosen Tabus rühren. Mit diesen Überzeugungen hat man sich in die fachliche Arbeit, die Familie und auf die Datsche zurückgezogen . Wie bei Hitler wusste ein ganzes Volk Bescheid und hat den Mund gehalten. Opportunismus scheint eine deutsche Spezialität zu sein. Die Ungarn und Polen haben sich offensichtlich anders verhalten.

 

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