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Die Sieger der Geschichte Seite 5/6

Missionierung und Bekehrung
Jede Religion kennt nur die eigenen Götter, fremde Götter sind 'Teufelswerk'. Nach diesem Schema war auch der Sozialismus absolut intolerant gegenüber anderen Meinungen, philosophischen Systemen und jedem anderen Gesellschaftssystem. Damit nicht genug, es wurde eine 'historische Mission der Arbeiterklasse' postuliert, nach der sie die Aufgabe hat, die 'noch nicht befreiten Völker' dieser Erde auf ihrem Weg zum Sozialismus zu unterstützen. Diese Solidarität hat ihre Wurzeln in dem alten Slogan der Arbeiterbewegung: 'Proletarier aller Länder, vereinigt Euch!' Für die 'internationale Solidarität' wurden innerhalb des sozialistischen Lagers hohe finanzielle Mittel aufgebracht und logistische sowie personelle Unterstützung für sozialistische Länder oder Organisationen in der dritten Welt geleistet.

Aber natürlich richteten sich die Missionierungs- und Bekehrungsbemühungen in erster Linie auf das eigene Volk. Besonders in den ersten 10 Jahren des Bestehens der DDR wurde dabei (z.B. bei der Kollektivierung der Landwirtschaft) auch Gewalt angewendet. Später wurden die Methoden subtiler und effektiver (nicht auf die Oberschule, keine Lehrstelle und kein Studienplatz für die Kinder, eine Arbeit, die nicht der Qualifikation entsprach, Drangsalierung durch den Geheimdienst ...). Grundsätzlich blieb, solange die DDR existierte, der Anspruch der gleiche: Zur Not muss jeder auch mit Gewalt zu seinem Glück gezwungen werden. Die ideologische Intoleranz liess Opposition in keiner Spielart zu. Es galt die Devise: 'Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!' Hier liegen auch die Wurzeln der Wahlfälschungen. Die sozialistische Welt war erst bei 100% in Ordnung. Die Partei akzeptierte einfach nicht, dass die Menschen von Natur aus verschieden sind. Im Gegenteil, man wollte ja gerade den 'neuen Menschen' durch Erziehung und Ausbildung schaffen. Und der neue Mensch ist 'parteilich', ohne Wenn und Aber für den Sozialismus und er macht bei JA sein Kreuz!

 

Heilsgewissheit und Erlösung
Die Heilsgewissheit drückt sich in solchen Sätzen aus wie: 'Wir sind die Sieger der Geschichte!' oder: 'Der Marxismus ist ewig, weil er wahr ist!' Die 'Wissenschaftliche Weltanschauung' erklärte die Welt alleine mit den Naturgesetzen und kam ohne Gott aus. Auch die Gesetze des Dialektischen Materialismus wurden als Naturgesetze interpretiert. Der Satz 'Die Welt ist erkennbar', hochstilisiert zur 'Grundfrage der Philosophie', wurde als Naturgesetz angesehen, obwohl auch er nur ein Glaubenssatz, höchstens eine Hypothese, ist. Aber mit solchen Sätzen wurde eine Kausalkette für den 'unaufhaltsamen, gesetzmässigen Sieg des Sozialismus über den Kapitalismus' konstruiert, die zwangsläufig die Heilsgewissheit einschliesst.
Besonders stolz waren die Ideologen des Systems darauf, dass man den Menschen die Erlösung schon im Diesseits versprechen konnte: Mit dem Kommunismus ist das Paradies auf Erden erreicht, Geld ist überflüssig und abgeschafft, jeder kann uneingeschränkt seine Bedürfnisse ausleben.

 

Die 'Gesellschaftswissenschaftler' hielten sich sehr bedeckt, wenn es um die Frage ging, wann die kommunistische Gesellschaft erreicht und wie sie strukturiert sein sollte. Dazu konnten sie bei Marx nichts finden, er war klug genug, sich in dieser Frage sehr zurück zu halten. Tabu war die Frage, zu welcher Gesellschaftsordnung sich der Kommunismus weiterentwickeln würde. Eine völlig logische Frage, wenn sich die Gesellschaft angeblich vom Niederen zum Höheren entwickelt. Aber wer 'spitzfindige' Fragen dieser Art stellte, wurde als 'gefährlich intelligent' eingestuft. Diesen Status hatte ich mir schon als Student erworben.

 

Positive Seiten des DDR Sozialismus
Natürlich hat jedes Gesellschaftssystem Vor- und Nachteile. Auch die bornierte und rechtgläubige DDR hatte ihre starken Seiten. An erster Stelle steht dabei die absolute soziale Sicherheit. Sie war unbestritten in der DDR für alle Bürger gegeben. Jeder hatte Arbeit, eine solide Ausbildung, jeder hatte eine Wohnung, viele eine Datsche und ein Auto. Das Preisgefüge war deutlich auf niedrige Einkommen ausgerichtet. Niemand brauchte irgendwelche Zukunftsängste zu haben. Die eigene Zukunft und die der Kinder war materiell gesichert.

Für mich persönlich steht schon an zweiter Stelle die grundsätzlich rationale, naturwissenschaftlich-philosophische Grundausrichtung der DDR. Das betraf alle Bereiche der Gesellschaft (... nur nicht den der Ideologie!). Hier hat sich der Dialektische Materialismus tatsächlich ausgewirkt. Diese Sicht war einfach wohltuend. Wissenschaftliche Tatsachen, religiöse Überzeugungen und die absurdesten Behauptungen wurden im öffentlichen Leben und in den Medien nicht mit dem gleichen Stellenwert behandelt, wie das jetzt der Fall ist. Aber gerade das ist ja ein Charakteristikum des Pluralismus.

Drittens sind die Bürger der DDR im täglichen Leben grundsätzlich menschenwürdiger miteinander umgegangen, als das jetzt der Fall ist. Dafür war entscheiden, dass niemand reich war und Geld kaum eine Rolle spielte. Dafür aber kamen wirklich 'menschliche Werte' zum Tragen: Hilfsbereitschaft, Ehrlichkeit, Geradlinigkeit, Verlässlichkeit, Selbstlosigkeit, Einfachheit: Die Werte einer Notgemeinschaft. Gelogen wurde in der Politik genau so wie heute, aber Lüge und Betrug gab es in den zwischenmenschlichen Beziehungen in einem weit geringeren Ausmass, als jetzt.

Diese positiven Seiten des DDR-Sozialismus betreffen unbestritten gravierende, ja fundamentale Aspekte des täglichen Lebens eines jeden Bürgers. Sie waren in der DDR deutlich besser als in der heutigen Bundesrepublik gelöst. Wäre da nicht gleichzeitig diese gewaltbereite, fanatische Diktatur gewesen, die mich in meinem eigenen Land eingesperrt und mir vorgeschrieben hat, was ich zu denken habe. Für mich waren das so existentielle Eingriffe in mein privates Leben (ich vermeide bewusst die Begriffe 'Freiheitsberaubung' und 'Menschenrechte'), dass ich mich auch in Zukunft nie freiwillig einer Diktatur unterwerfen würde, um diese (oder andere) Vorteile zu erkaufen.

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