BACK

 

Das Märchen von der Prinzessin ... Seite 2/3

Immer schon hatte sie ihre strahlende Schwiegertochter gehaßt, denn die drohte ihr ja das Königreich wegzunehmen. Der Prinz und die Prinzessin waren sehr glücklich, aber nicht ganz. Prinzessin Dania wollte nicht immer von allen Menschen angefaßt werden. Das hatte sie gar nicht gerne und das störte sie sehr. Deshalb ging sie gar nicht mehr gerne spazieren. Prinz Carlas grämte sich sehr, daß er immer noch nicht König war. Denn obwohl er alle Bedingungen seiner strengen Mutter erfüllt hatte, war sie immer noch die Königin. Auch war er jetzt, wo er schon so viele Jahre mit der Prinzessin verheiratet war, nicht mehr ganz so verliebt in sie, wie ehedem. Der Zauber der bösen Hexe Cimalla fing wieder an zu wirken. Und manche Nacht verbrachte er abermals heimlich mit ihr und den grausamen und schrecklichen Spielen.

Prinzessin Dania hatte ein hübsches, aber sehr schwatzhaftes Kätzchen. Das Kätzchen hieß Tratschi und es kam viel herum in der Welt. Wenn sie nicht mit ihren beiden Söhnen Schularbeiten machte oder Schiffeversenken spielte, schäkerte sie mit Tratschi und ließ sich von ihr erzählen, welche Neuigkeiten es draußen in der weiten Welt gab. Einmal erzählte Tratschi, daß es bei seinem Oheim Utures auf Schloß Heinoh gewesen war. Da hatte ihr der Oheim (ganz im Vertrauen) von den grausamen und gräßlichen Spielen erzählt die Prinz Carlas und die böse Cimalla spielten. Die beiden beachteten den alten Kater Utures nicht und dachten, er wäre in diesem hohen Alter schon längst blind und taub. Aber der Kater wußte seit Jahren von den heimlichen Verabredungen. Unbemerkt sah er den beiden bei ihren schrecklichen und schauerlich Spielen von einem hohen, alten Schranken zu, der in einer dunklen Ecke stand und der sein Lieblingsplatz war.

Dania erschrak bis in den heimlichsten Winkel ihres guten Herzens. Aber schnell wurde aus ihrem schrecklichen Verdacht Gewißheit: Der Prinz liebte sie nicht mehr. Vielleicht hatte er sie nie geliebt, weil er von der bösen Cimalla verzaubert wurde. Sie stelle ihn zur Rede und er konnte nicht länger lügen. Der Zauber der bösen Cimalla war zu stark. ‚Ja,‘ sagte er, ‚Ich habe Dich nur geheiratet, weil ich König werden wollte. Dafür mußte ich die Bedingungen der hartherzig Königin erfüllen. Lieben aber kann ich nur meine schöne und junge Cimalla!‘ Da erkannte Dania daß er verzaubert ist, denn jeder sah, daß Cimalla alt und häßlich war. Kurz entschlossen machte sie sich mit ihren beiden Söhnen auf den Weg nach Pfefferminz. Dort ließ sie sich vom gleichen Pfarrer scheiden, der sie vor Jahren getraut hatte.

Wieder stand fast das ganze Volk vor der Kathedrale von Pfefferminz, denn das Unglück der Prinzessin Dania hatte sich schnell im ganzen Land herumgesprochen. Dania strahle auch in dieser schweren Stunde. In den nächsten Tagen und Wochen strahlte sie eher noch mehr, als früher. Am Tage wie eine kleine Sonne und in der Nacht wie ein heller Stern.

Deshalb und weil sie so schön, hilfsbereit und unglücklich war, hatten sie alle ganz schrecklich lieb. Es ging die Sage, daß es Glück bringt, wenn es einem gelingt die Prinzessin Dania zu berühren. Deshalb wollten jetzt noch viel mehr Menschen Dania anfassen, als vordem. Der Prinzessin gefiel das aber gar nicht. Sie wollte nicht von allen Menschen angefaßt werden und sie fand das sehr lästig. Deshalb verließ sie am Tage niemals mehr ihr Haus, sondern ging nur noch nachts spazieren. Und damit man sie nicht erkannte, zog sie sich ein ganz dickes, langes und schwarzes Wollkleid an. Aber das nützte nicht viel, denn sie leuchtete sogar durch dieses dicke Kleid hindurch. Da kaufte sie sich einen schwarzen Hengst vom Gestüt Dreistern. Der hieß Mercudus und konnte so schnell galoppieren, daß keiner ihr auf diesem Wunderpferd folgen konnte. Fast jede zweite Nacht ritt sie mit dem Hengst Mercudus aus und tat viele gute Werke.

Der hartherzigen Königin war es recht, daß Prinz Carlas nicht mehr mit der strahlenden Prinzessin Dania zusammen lebte. Da brauchte sie ihr Versprechen nicht einlösen und mußte Prinz Carlas nicht zum König machen. Sie wußte inzwischen auch von den grausamen, dämonischen, nächtlichen Spielen von Carlas und Cimalla, denn auch diese Kunde hatte sich im Lande verbreitet. Aber sie ließ die beiden gewähren, denn durch die schrecklichen und gräßlichen Spiele waren sie abgelenkt und beschäftigt. So konnte sie ungestört und hartherzig ihr Königreich regieren.

Sicher wäre das noch viele hundert Jahre so weitergegangen, wäre nicht ein großes Unglück über das Land gekommen. Eines Nachts kam Dania auf ihrem Wunderhengst Mercudus von armen Leuten zurück, denen sie etwas Brot und eine Kanne frisches Quellwasser gebracht hatte. Im dunklen Wald, nahe bei ihrem Haus, da wo die dicke Eiche an der schmalen Brücke steht, lauerten ihr ein paar junge Burschen aus dem Dorf Pipariza auf. Es waren arme Teufel, die dachten, sie hätten gleich am nächsten Tag großes Glück, wenn sie nur einmal die Prinzessin anfassen könnten. Auf ihren Ponys konnten sie mit Mercudus, dem Wunderhengst, überhaupt nicht Schritt halten. Aber es waren sehr viele und sie stellten sich Mercudus in den Weg. Mercudus konnte nicht, wie er es so sehr liebte, fast wie auf Flügeln über die schmale Brücke galoppieren. Das machte er besonders gerne, denn er wußte, gleich hinter der Brücke ist sein warmer Stall. Mercudus galoppierte schneller als gewöhnlich, denn heute hatte er wieder mal von dem Starkkkqwelll getrunken, an dem auch Prinzessin Dania eine kurze Rast einlegte. Er sah die vielen Ponys aus Pipariza zu spät und konnte ihnen nicht mehr ausweichen. Er bäumte sich auf, steifte die dicke Eiche, verlor das Gleichgewicht und stürzte mit Dania in die tiefe Schlucht, über die die schmale Brücke führt.

Nächste Seite

 

BACK