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Alltag mit dem Down Syndrom
Der Alltag Behinderter und ihrer Eltern
Alles nicht so schlimm ... oder?

 

   
Meine Position als Betroffener

Heute um 9:10 Uhr im Deutschlandfunk eine Sendung von Sabine Demmer mit dem Titel "Der Alltag mit Down Syndrom" (Leider gibt es keinene Dokumentation vom DLF davon). Fragt man das Internet nach dem Alltag mit dem Down-Syndrom findet man einige Berichte: Glückliches Leben mit Down-Syndrom, Ein Super-Typ, Hallo, ich bin die Lucy ! Der Grundtenor der Sendung im Deutschlandfunkt und auch in den anderen Berichten: Kinder und Erwachsene mit dem Down-Syndrom sind tolle Typen, sie haben besondere Fähigkeiten, sind wunderbare Schauspieler, sehr einfühlsam, eine Bereicherung, alles kein Problem.

Diese Darstellung hat mit der realen Wirklichkeit nur wenig zu tun. Mein Sohn Peter ist gerade 50 Jahre alt geworden. Er hat das Down-Syndrom. Er besitzt Bruder und Schwester und ist voll in die Familie integriert, aber nicht in die Gesellschaft. Unsere Ehe ist nach 25 Jahren doch noch in die Brüche gegangen. Langdon Down hat den Lebenslauf von Vater und Mutter mehr oder weniger dominiert. Alles in der Familie dreht sich auch heute noch um dieses spezielle Kind.

Peter arbeitet seit 30 Jahren in einer Werkstatt. Dort spielt sich tatsächlich der Alltag mit Down Syndrom ab. Die Werkstätten sind mehr oder weniger geduldet, aber nicht selbstverständlicher Teil der Gesellschaft. Die dort von den Behinderten geleistet Arbeit wird nur symbolisch bezahlt, von Mindestlohn redet hier niemand. In solchen Werkstätten muss man nach den Familienverhältnissen dieser Kinder fragen: Fast alle Ehen mit solchen Kindern sind gescheitert. Früher oder später haben alle behinderten Menschen nur die Perspektive, in einem Pflegeheim zu enden, im besten Fall in einem betreuten Wohnen.

Davon ist in den hübschen Berichten keine Rede. Offensichtlich wird mit diesen geschönten Reportagen Front gegen die pränatale Diagnose des Down-Syndroms und gegen die Abtreibung gemacht. Mit den Erfahrungen in unserer Familie würde ich werdenden Eltern dringend raten: Versuchen sie mit allen diagnostischen Mitteln und Möglichkeiten, gesunde, normale Kinder in die Welt zu setzen!

weblog.al, 29.09.2012 11:10

 

 

Kein gemeisames Arbeiten

Sie verdienen so gut wie nichts und kommen doch gern zur Arbeit. Besuch im Martinshof in Bremen, Deutschlands größter Werkstatt für behinderte Menschen.

Mirko Mucher, 39, ein schüchterner Mensch, macht das gern, sagt er. ,Je fummeliger, desto besser gefällt mir die Arbeit." Nur mit seinem Mini-Lohn, 214 Euro monatlich, ist er unzufrieden: "Ein Arbeitsloser kriegt mehr." Der Durchschnittsverdienst im Martinshof beträgt 250 Euro, und das liegt noch über dem Schnitt der rund 700 Behindertenwerkstätten in Deutschland mit etwa 230000 Beschäftigten. Die Gehälter hängen vom Erlös ab, der unter den Behinderten verteilt wird und die Produktivität der jeweiligen Firma spiegelt. Die Beschäftigten erwirtschaften ihre Löhne also selbst, der Staat finanziert die Infrastruktur - allerdings mit sinkender Tendenz.

Die Idee ist aber eigentlich eine andere: Behindertenwerkstätten sollen Brücken in die Arbeitswelt sein, wozu sie jedoch nie wirklich taugten. Laut einer Studie des Instituts für Technologie und Arbeit in Kaiserslautern lag die Vermittlungsquote aus WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt für das Jahr 2002 bei 0,24 Prozent. Die Zahlen sind, wen wundert's, nicht besser geworden. Handlangerjobs, die Behinderte ausfüllen könnten, gibt es nicht mehr; von Telefonisten werden heute Fremdsprachenkenntnisse verlangt und von der Supermarktkassiererin ein mörderisches Tempo.

Mit der Gleichstellung Behinderter tat sich die deutsche Gesellschaft noch lange schwer. Erst 1975 wurden die Beschäftigten der Behindertenwerkstätten in die Sozialversicherung aufgenommen. 1980 erhielten sie - obwohl sie nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch als geschäftsunfähig gelten - ein Mitwirkungsrecht. Und erst im Jahr 2001 wurde mit dem Sozialgesetzbuch IX das erste Mal in der deutschen Geschichte das Wort Mensch im Zusammenhang mit Behinderung in ein Gesetz geschrieben.

Formaljuristisch hat sich einiges getan, doch gleichzeitig gerät das ökonomische Modell der Behindertenwerkstätten in die Krise. Es wird immer schwieriger für sie, Arbeit heranzuschaffen, trotz staatlicher Förderung. Unternehmen, die ihrer Verpflichtung, eine gewisse Anzahl Schwerbehinderter zu beschäftigen, nicht nachkommen, müssen eine Ausgleichsabgabe zahlen - wer einer Behindertenwerkstatt Aufträge gibt, kann diese Abgabe um 50 Prozent mindern. Doch geeignete einfache Arbeiten werden im Zeitalter der Automatisierung und Globalisierung wegrationalisiert oder in Billigländer verlagert. Mehr bei www.brandeins.de ...

 

 

Kein gemeinsames Lernen

Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe, sieht "Rückschritte" bei der Förderung behinderter Kinder in Deutschland. Die Bundesrepublik sei nach wie vor "Weltmeister im Aussortieren", sagte Hüppe der Nachrichtenagentur dapd. "Trotz einer sinkenden Gesamtzahl an Schülern steigt sogar in vielen Bundesländern die Zahl der Schüler an Förderschulen."

Dreieinhalb Jahre nach der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtekonvention stehe Deutschland beim Ausbau des gemeinsamen Lernens von Behinderten und Nichtbehinderten - der sogenannten Inklusion - immer noch "ganz am Anfang des Weges", sagte Hüppe. Teils seien gar Rückschritte erkennbar. "Was in den Bundesländern passiert, ist in vielen Fällen nicht ermutigend", fügte er hinzu. Mehr bei www.welt.de ...

 

 

Kampagne gegen die Abtreibung

Wilken beschreibt mit einer Faustregel die Chancen der Kinder mit Trisomie 21: Etwa ein Drittel entwickle sich ganz prächtig, bei einem Drittel blieben die Möglichkeiten „durchschnittlich” und ein weiteres Drittel sei „sehr schwer beeinträchtigt”.

Auch die medizinische Versorgung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verbessert. Lag die Lebenserwartung früher bei 25 bis 30 Jahren, erreichen heute nicht wenige Betroffene das siebte Lebensjahrzehnt, sagt der Bochumer Humangenetiker Prof. Jörg Epplen. „Die Lebenserwartung steigt ständig.” Herzfehler können besser operiert werden, Infekte bei geschwächtem Immunsystem werden wirkungsvoller bekämpft. Epplen: „Wenn ein Kind mit Trisomie 21 Glück hat, wird der einzige Unterschied sein, dass es keine höhere Mathematik beherrschen wird. Oft haben sie aber große musische Talente.”

Doch die Lage ist paradox: Die gesellschaftliche Akzeptanz ist gestiegen, die Versorgung hat sich gebessert und die Pädagogik hat spezielle Förderkonzepte entwickelt – dennoch werden immer weniger Kinder mit Down-Syndrom geboren. Denn der medizinische Fortschritt, der die Lebensqualität der Kinder so deutlich steigerte, verbesserte auch die Diagnosemethoden, mit denen vor der Geburt eine Behinderung festgestellt werden kann. Dieser Fortschritt hat also zwei Gesichter: Er verbessert das Leben der Betroffenen – und führt zugleich dazu, dass immer weniger von ihnen geboren werden.

Genau an diesem Punkt steht die politische Debatte über Spätabtreibungen, denn droht der Mutter durch die Geburt eines behinderten Kindes „schwerer seelischer Schaden”, ist ein Abbruch theoretisch ohne zeitliche Begrenzung möglich. Diskutiert wird über eine Beratungspflicht der Mütter, die den „Automatismus von Diagnose und Abbruch”, so Epplen, durchbrechen soll. Der Mediziner mahnt: „Die Frau sollte sich eigenständig entscheiden.”

Auch Etta Wilken plädiert für verpflichtende Beratungsgespräche: „Eine gute Beratung sollte Eltern das Gefühl geben, dass sie nicht alle medizinischen Tests ausschöpfen müssen, die es gibt.” Oft würde aber die Zukunft der Familie von den Ärzten zu düster geschildert und das Risiko überbetont, kritisieren die Experten. Eine Abtreibung erscheine dann als die naheliegendste Lösung. Mehr bei www.derwesten.de ...

 
PID nur in sehr eingeschränkter Form

Beinahe eineinhalb Jahre nach einem entsprechenden Bundestagsbeschluss sollen Eltern künftig tatsächlich Gentests an Embryonen veranlassen können. Das Bundeskabinett brachte dafür am Mittwoch (heute) eine Verordnung zur Präimplantationsdiagnostik (PID) auf den Weg. Der Bundestag hatte das Gesetz bereits im Juli 2011 beschlossen. Doch erst mit der Verordnung dürfen die Gentests tatsächlich vorgenommen werden. Der Bundesrat muss noch zustimmen. 

Paare dürfen Embryonen nach einer künstlichen Befruchtung in Ausnahmefällen auf Gendefekte testen lassen. Im Gesetz sind strenge Bedingungen genannt. Nicht nur müssen elterliche Gen-Anlagen eine Tot- oder Fehlgeburt oder schwere Krankheit des Kindes wahrscheinlich machen. Auch eine Ethikkommission muss zustimmen.

Damit kann die PID künftig in speziellen Zentren angewendet werden, die strenge Auflagen erfüllen müssen. Ihre Zahl ist nicht begrenzt, über die Zulassung sollen die Länderbehörden entscheiden.

Bei der PID werden Embryonen nach künstlicher Befruchtung vor der Einpflanzung in die Gebärmutter auf Krankheiten untersucht und gegebenenfalls vernichtet. Der Bundestag hatte die PID am 7. Juli
2011 mit Einschränkungen im Embryonenschutzgesetz erlaubt. Der Gentest ist in den Fällen zulässig, in denen eine Tot- oder Fehlgeburt droht oder ein oder beide Elternteile ein hohes genetisches Risiko für eine schwerwiegende Erbkrankheit in sich tragen. Mehr bei www.faz.net ...

Kommentar Al: Hinter den strengen Auflagen stehen die christlichen Kirchen und das seit 250 Jahren überholte Weltbild der CDU/CSU. Die Betroffenen wurden und werden nicht gefragt. Es ist die Heuchelei derer, die nicht am eigenen Leib erfahren haben was es bedeutet, so ein Kind in der Familie zu haben. Noch einmal mein Rat an werdende Eltern: Versuchen sie mit allen diagnostischen Mitteln und Möglichkeiten, gesunde, normale Kinder in die Welt zu setzen!

14.11.2012 17:23

Ein paar Links

Werkstätten für behinderte Menschen http://de.wikipedia.org ...

Kritik an den Behindertenwerkstätten http://knopfprojekt.wordpress.com ...

Leben mit Downsyndrom in den USA www.dradio.de ...

Das Down-Syndrom http://de.wikipedia.org ...

Behindertenwerkstätten – Ein Prinzip, zum Scheitern veruteilt http://surenalism.wordpress.com ...

Neuer Bluttest auf Down-Syndrom „Praena-Test“ - Rechtsgutachten www.lebenshilfe-berlin.de ...

 

 

Jürgen Albrecht, 20. Oktober 2012
update: 14.11.2012

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