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Ausflug nach Binz ... Seite 2/4

 

Jetzt will ich Prora sehen. Davon habe ich zu DDR-Zeiten nichts gewusst, es war ein militärischer Sperrbezirk, wie es viele gab. Das, was von Hitlers Architekten vor 60 Jahren entworfen und von z.T. heute noch existierenden Firmen (z.B. Philip Holzmann und Hochtief) gebaut wurde, steht immer noch. Stahlbeton holt sich die Natur nicht so leicht zurück. Die Masslosigkeit dieser Architektur ist faszinierend. Aber mindestens so beeindruckend ist,

dass sie genau so masslos ist, wie z.B. die Stalinallee in Berlin. Allen sind viele Parallelen zwischen den Kommunisten und den Nationalsozialisten aufgefallen, nur nicht den ‚guten Genossen‘. ‚Hier aussteigen zu den Grossbauten des Kommunismus!‘ Ich kann mich noch gut an diese Schilder in den U-Bahnstationen erinnern. Uns haben sie nicht interessiert, nicht die Schilder und nicht die Grossbauten des Kommunismus. Wir wollten nur auf dem kürzesten Weg nach West-Berlin.

 

 

Heute gibt es in Prora ein ‚NVA-Museum‘ (Nationale Volksarmee). Im Erdgeschoss wird die Planung und der Bau von Prora in den Jahren 1933 bis 1939 dargestellt. Ein ca. 15 Meter langes Modell wurde erst 1995 gebaut. Wer hat soviel Zeit gehabt? In mehreren Etagen darüber ist der NVA-Alltag zu besichtigen. Ich hoffe, das alles existiert auch noch in 10.000 Jahren, damit man auch da noch diesen Mief riechen und nachempfinden kann, wie entsetzlich menschenfeindlich und borniert diese Armee organisiert war. Aber an dieser Stelle ist die Lernfähigkeit der Menschen am geringsten. Und es war auch keine DDR-Spezifik. Hier ist man so ungeschickt, auch die Zeit der Bundeswehr in Prora zu dokumentieren. Nur das Design und die Ideologie waren anders, die Prinzipien und der Stil sind sich zum Verwechseln ähnlich.

Im gleichen Gebäude und für die 9 DM Eintritt auch zu besichtigen: Gegenwartskunst von Rügen in der ‚Galerie Rügenfreunde‘. Einen grösseren Kontrast kann man sich nicht vorstellen. Nach der NVA-Ausstellung ist die Kunst der Moderne absolut unverdaulich, auch wenn sie von Rügen stammt und nicht aus der Berliner Off-Szene.

 

Der Reiseführer lobt den einsamen Strand zwischen Prora und Mukran. Aber wie kommt man da hin? Eine völlig unauffällige Abzweigung an der Strasse nach Mukran. Ruinen tauchen zwischen den Bäumen auf. In Prora-Nord stehen die Stahlbetonskelette, die nicht mehr ausgebaut werden konnten, weil Hitler 1939 das Geld für KDF (Kraft durch Freude) ausging. Man hat hier auch Sprengversuche gemacht, aber es wohl bald aufgegeben. Es kostet viel Aufwand, diesen halbfertigen, ca. 300 Meter langen Bau wegzuräumen. Also lässt man ihn stehen. Auch in 1000 Jahren wird man mühelos hier noch Reste des 1000-jährigen Reiches wiederfinden.

Der Strand hier ist wirklich schön, einsam und breit. Aber es nieselt und es weht ein kalter Wind. Schafskälte nennt man das Anfang Juni. Deshalb baue ich hier nicht Peters schönen Windschutz auf: Ein Zelt in Form einer Halbschale, gespreizt von drei dünnen Zeltstäben. Ideal gegen Wind, Sonne und Regen. Aber wahrscheinlich habe ich die 50 DM dafür umsonst ausgegeben. Das Wetter wird bis zu unserer Abreise so unfreundlich bleiben. Na, macht nichts, im nächsten Jahr kann man dieses praktische Gerät ja auch noch benutzen.

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