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Die blutige Story der Abrolhos Islands ... Seite 3/5

Eine knappe halbe Stunde nach der Landung ist es so weit. Wir haben uns bei den Toiletten umgezogen, aus dem steifen Piloten ist ein netter Junge mit bleichem, pickeligen Oberkörper und strohigen Haaren geworden. An der Jetty gibt es eine Treppe, da kann man sich die Flossen anziehen und gut ins Wasser gehen. Das Wasser ist mindestens 30 Grad warm, sogar ich habe hier keine Probleme. Luc will unbedingt erst hier vor der Jetty im flachen Wasser die Felsen erkunden. In Wirklichkeit will er sehen, ob ich schwimmen kann!

Nach ein paar Zügen im flachen Wasser mit den dunklen, bewachsenen Felsen, steuere ich gleich nach draussen und auf die andere Seite der Jetty zu. Hier gibt es die ersten Korallen und viele grosse Fische. Das habe ich kaum wahrgenommen, als ein U-Boot auf mich zukommt: Was ist das ?!!? Rund und gross wie eine Tonne, dunkel, und es hält direkt Kurs auf mich: Ein grosser Seelöwe! Er ist mindestens so lang wie ich und fast einen Meter im Durchmesser. Zwei Meter vor mir weicht er aus, wir sehen uns in die Augen, drehen uns einmal beide im Kreis und dann schwimmt er gemächlich davon, dreht sich aber noch einmal verwundert nach mir um! So ein tolle Begegnung unter Wasser! Ich suche Luc, er ist keine 10 Meter weit weg von mir: 'Hast Du den Sea Lion gesehen!!?' Nein, hat er nicht. So ein Jammer.

Aber inzwischen ist Luc davon überzeugt, dass ich schwimmen kann und er steuert jetzt auf die Reefs zu, die 60 bis 80 Meter vor der Küste liegen: Geweih Korallen, dunkelbraun mit hellen Spitzen, riesige Felder. Überall Fische, bunt und gross. Ganz signifikant ist, dass es überall da Fische gibt, wo es auch Pflanzen oder Korallen gibt. Auf dem nackten, weissen Meeresgrund sind fast nie Fische zu sehen. Grosse, flache Felsen liegen im Wasser. Sie sind mit schmutzig braunen, sehr kurzen Algen oder Wasserpflanzen bewachsen. Aber an ihren Abhängen wachsen viele und ganz sonderbare Korallen. Ich tauche extra hinunter und fasse sie an: Es sind keine Softkorallen, obwohl sie so aussehen. Es sind Teller mit wenigen, radialen Strukturen, nach oben offene, spiralförmig gewundene Trichter und auch Gebilde, die wie 'Kleckerburgen' aussehen, die man am Strand mit nassem Sand bauen kann. Die einzelnen Korallenstöcke sind nicht sehr gross, ungefähr 40 cm im Durchmesser, einige bis zu einem Meter. Aber ich habe auch eine hellrot leuchtende Koralle von 5 cm Durchmesser gesehen. Völlig verrückt sind die Farben: Von einem hellen Gelb über Rot bis Violett reicht die Palette und die Variationen gehen bis ins gelbe Grün und ins sehr blaue Violett. Dazwischen alle Farben, die man auf dieser Palette findet. Fast jede Koralle besitzt eine spezifische Farbe, aber sie hat nur eine, nur diese Farbe. Besonders bevorzugt scheint Violett zu sein.

 

Aber am aufregendsten ist, dass es sich dabei um Leuchtfarben, um phosphoreszierende Farben zu handeln scheint. Nie und nirgends habe ich solche eigenartigen Korallen gesehen! Dazwischen gibt es die Korallen, die ich von Tenggol und dem Great Barrier Reef kenne: Gehirnkorallen, Geweih Korallen und auch braune, fast einen Meter grosse Teller, auf denen 3 cm grosse, 'Stöckchen' mit hellen Spitzen stehen. Das scheint die Spezifik dieses Reefs hier auf den Abrolhos Islands zu sein: In diesen Reefs hier mischen sich tropische Korallen mit den Korallen, die man auch an der Südküste von Australien in den kühleren Gewässern findet. Aber nicht in der Menge und der Farbenpracht wie hier.

Das zu sehen ist phantastisch und am meisten erstaunt mich die fast aggressive Farbigkeit. So etwas habe ich in tropischen Gewässern nicht gesehen. Dort hat man geradezu den Eindruck, dass alles auf Ästhetik und Schönheit gestylt ist. Hier wächst eine wirklich strahlend schwefelgelbe Koralle neben einer, die regelrecht in einem satten Blauviolett leuchtet. Warum? Was haben diese so intensiven Farben zu bedeuten?

Allerdings fällt mir auf, dass hier die Komplexität der Lebensformen nicht so hoch ist, wie im Great Barrier Reef oder in Tenggol. Die Formen und die Farben der Korallen sind grober, nicht so detailliert strukturiert, wie die tropischen Korallen. Und das gleiche ist bei den Fischen zu beobachten. Hier sind die Farben gedeckter und es gibt meistens nur unauffällige Farben. Es gibt auch bunte Fische, aber sie sind seltener. Fischschwärme gibt es fast gar nicht. Nur die kleinen Fischchen, die vor Angst auch fliegen können, schwimmen hier im Schwarm. In der Summe ist das genau die richtige Beschreibung: Die Komplexität ist nicht so hoch, wie in einem tropischen Riff. Aber dieses Riff hier ist im höchsten Grade faszinierend und ich bin erstaunt, als Luc auf die Uhr deutet: Es ist 8:35 Uhr und wir sind schon über eine Stunde im Wasser!

Wir müssen wieder an Land und uns umziehen, nach zwei Stunden muss Luc wieder starten. Schade, hier möchte ich mein Zelt aufbauen und ein paar Tage schnorcheln gehen. Luc weiss nur, dass das nicht so einfach geht. Aber ich soll mit Chris sprechen, der weiss sicher, wie man es anstellen könnte, hier ein paar Tage zu campieren. Für Geld ist alles möglich und Chris Shine ist der Chef von Shine Aviation Services. Wir gehen auf meinem Wunsch noch ein paar Minuten am felsigen und stark zerklüfteten 'Strand' spazieren. Ich sammle ein paar Stücke Korallenschutt auf und frage Luc, ob man das mitnehmen kann. Ja, hier gibt es nicht die Probleme, die man am Great Barrier Reef damit hat: 'Nichts wird vom Riff mitgenommen!' Deutlich noch habe ich die Worte von Marc aus Cairns im Ohr.

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