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San Francisco am 03. Oktober 2001 1/4

40 Jahre DDR – 11 Jahre danach
Ein herrlicher Tag heute in San Francisco. Mehrfach habe ich daran gedacht, dass heute in Germany der Tag der Einheit gefeiert wird - 11 Jahre schon wieder vereinigt.

Wie naiv und dilettantisch haben die 'guten Genossen' an ihre Utopie 'geglaubt'. Einer ihrer grössten Fehler war, dass sie offenbar keine Ahnung hatten, wie gesund, wie stabil, wie ungeheuer leistungsfähig und wie weit entfernt der Kapitalismus in den 70-er und 80-er Jahren von der Marxschen Sicht der Dinge entfernt war. Wer war in San Francisco und hat gesehen, wie hoch der Lebensstandard der Menschen hier ist? Das angebliche Gesetz von der 'Absoluten Verelendung des Proletariats' war immer eine Fiktion. Hier hätte man den Kapitalismus in der Praxis erleben können, statt im Parteilehrjahr die 'Dokumente zu studieren'. Die führenden Genossen in Moskau und Berlin waren einfach nicht informiert. Wahrscheinlich wollten sie die Realität gar nicht sehen. Das war ihr grösster Fehler, denn man kann gegen einen Feind nicht gewinnen, den man nicht kennt.

Ich könnte mich masslos über diese bornierten, unbedarften Genossen aufregen ... denn immerhin haben sie 40 Jahre lang erfolgreich verhindert, dass ich z.B. so einen Tag wie heute in San Francisco erleben konnte. Aber sie haben es nicht geschafft, mich bis zum Lebensende einzusperren. Das ist wirklich ein ungeheurer Glücksfall, denn hätten die Genossen etwas cleverer agiert, sässen wir jetzt immer noch hinter der Mauer.

 

Diese Situation stösst mir immer wieder auf. Besonders dann, wenn man so deutlich wie heute mit der Nase auf die eigene Vergangenheit gestossen wird. Wenige ungebildete Menschen hatten die Macht, ein ganzes Volk zu kasernieren und gesellschaftliche Experimente zu veranstalten, ohne Realitätsbezug. Auf diese Weise haben einfältige Genossen vierzig Jahre meines Lebens verpfuscht. Diese Jahre sind weder rückgängig zu machen noch nachzuholen. Die Realität zu beschreiben, ist das einzige, was mir als Reaktion auf 40 Jahre DDR bleibt (... vielleicht lernt wirklich jemand daraus etwas für die Zukunft …). Und es bleibt die Verachtung für alle, die in diesem System Verantwortung hatten (natürlich ist es jetzt keiner gewesen ...) und für die Unbelehrbaren, die schon wieder der nächsten Utopie nachjagen.

So ein Jammer! Heute war so ein herrlicher Tag und ich habe keine fünf Minuten so bitter über meine Vergangenheit nachgedacht, während ich in dieser herrlichen Stadt spazieren gegangen bin. Gott sei Dank! Aber wenn man sich dann hinsetzt und über den Tag nachdenkt, dann kommen solche Gedanken, die ich tatsächlich heute immer wieder auch bei meinem Spaziergang hatte. Aber die Vergangenheit hat mir diesen Tag absolut nicht verdorben. Es ist ja sowieso Geschichte und nicht zu reparieren, man muss es einfach hinnehmen wie ein Erdbeben und verdrängen. Meistens gelingt mir das spielend. Aber eben nicht an einem solchen Tag wie heute. Punkt.

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