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Thompson Pass und Columbia Gletscher 2/3

Jesus und Erdbeben in Valdez
Gestern habe ich die Nacht ausnahmsweise auf dem Sea Otter RV Park in Valdez verbracht. Eine traumhafte Sicht auf die von hohen Bergen umgebene Bucht von Valdez (s.o.). Gegen 10:30 Uhr packte ich meine Wohnung zusammen und füllte alle Wassertanks. Zum Schluss gönnte ich mir noch einmal eine heisse Dusche ... wer weiss, wann diese Gelegenheit wiederkommt. Das Leben ohne tägliche Dusche funktioniert nur, weil es hier so kalt ist und ich mich bisher relativ wenig bewege. In Australia wäre eine Woche ohne Dusche nicht auszuhalten, jedenfalls nicht für mich.

Jetzt suche ich in Valdez einen Computer mit Internetanschluss, denn ich will der Familie ein paar Bilder schicken und ihr mitteilen, dass ich seit Sonntag Alaska und nach 3.971 Kilometern Valdez (von Vancouver aus) erreicht habe. Am Hafen von Valdez sitzt eine ältere Frau in einer Galerie an zwei bunten Macintosh Rechnern. Ich begrüsste sie und fragte, ob man hier auch einen Internetzugang anbietet. 'Ja, möchtest Du ins Internet?' 'Ja,' sagte ich, 'aber nicht mit einem Mac. Ich hasse Macs, denn sie können meine Diskette nicht lesen!! Ausserdem, wie soll man diese schreckliche Maus benutzen ...?!' Die Frau grinste mich an und sagte: 'Ich hasse Dich ... !!' 'Ich hasse Macs, aber ich liebe nur Dich ...!!' So kommen wir ins Gespräch und ich versuchte zu erkunden, warum sie sich Rechner von Apple angeschafft hat. Mehr als 'Ich liebe Macs', ist nicht herauszubekommen! Sie scheint es aber schon zu bereuen. Von ihr bekomme ich den Tipp, mich in der Bibliothek an einen IBM-PC zu setzen.

In der Bibliothek das gewohnte Bild: Computer ja und free, aber bitte keine Diskette benutzen! Ich fange an zu lamentieren und zu diskutieren und die Chefin sagt kurzerhand: 'Hier hat es keinen Zweck, ich bringe Dich in mein privates Büro, da kannst Du die Diskette benutzen!' Sie räumt mit Mühe in ihrem riesigen, amerikanischen Schlitten einen Platz frei und wir fahren 100 Meter weiter bis zum nächsten Block. Ein ebenso vollgemülltes Zimmer und ein Spezialist zwischen alten und neuen Computern, der mir als erstes seine WebPage zeigte, die auf der IndexSeite einen genau so vermüllten Eindruck machte, wie das Auto und dieses Office. Ich fragte Mike, den 30 Jahre alten Spezialisten, was er für einen Beruf hat: Da kommt viel zusammen: Sporttrainer, Webdesigner, Hardwarereparateur, Video, Digitalcamera, Oil Explorer, Musiker und Goldsucher ... Von allem ein bisschen und (wahrscheinlich) auf keinem dieser vielen Felder eine tiefergehende Ahnung.

Die freundliche Chefin gibt mir ihre Visitenkarte:

M. Diann Hursh
Broker, GRI, Notary Public
www.valdezhousing.com
'Old-fashioned helpfulness with Integrity & Ethics: realhelp@alaska.net

Auf einer zweiten Karte werden Bed &
Breakfast im 'Blessing House' angeboten:
www.valdezlink.com/bhousebb

Daraufhin gebe ich der grossen und umfangreichen Diann, die die Fünfzig schon überschritten hat, meine Visitenkarte und sie ist begeistert: Ein Professor aus Germany in ihrem bescheidenen Office! Sie legt Mike ans Herz, alle meine Wünsche zu erfüllen und verabschiedet sich: 'I'm busy ....!' Ich bedanke mich bei Diann, sie hat mein Problem erstaunlich schnell erkannt und mir wirklich auf ungewöhnliche Art geholfen.

Mike will gleich meine WebSite sehen, aber weder das Web der Burg noch mein Web öffnen sich in einer absehbaren Zeit, während Hotmail aus unerfindlichen Gründen funktioniert. Also lade ich erst mal meine Mails runter und schreibe auf einer schrecklichen, aber angeblich hoch ergonomischen Tastatur von Microsoft (abgewinkelt in zwei Ebenen!!), eine kurze Mail an die Familiy in Old Germany.

Dann versuche ich es noch mal mit meiner Webseite, es geht entsetzlich langsam, irgendwo hat Mike hier ein Nadelöhr eingebaut. Während wir warten kommt er endlich auf sein Thema: 'Jesus ist mein Leben! Was die Menschen von mir denken, ist völlig egal. Jesus liebt mich und ich tue alles, um ihm zu gefallen.' Während ich die Mails runter lud, hatte Mike schon im Radio einen Bible Sender eingestellt. Meine in dieser Richtung geschulten Ohren hatte das gleich vernommen! Jetzt erklärt er mir: 'Unser Leben ist ganz einfach! Du musst nur Jesus wohlgefällig sein und ihm folgen.'

 

Vorsichtig wende ich ein: 'Wenn Dir das hilft, mit Deinem Leben klar zu kommen, na dann Gratulation! Warum aber soll ich Jesus folgen? Für mich ist seine Story zu simpel. Sie beantwortet keine meiner vielen Fragen nach dem Leben und der Natur.' Diese wenigen Sätze aber sind geradezu Wasser auf seine Mühlen. Hier sitzt eine fast verlorene Seele neben ihm, die gerettet werden muss! 'Gerade die Tatsache, dass die Story so simpel und die Welt so komplex ist, weist auf Jesus hin! Jesus ist einfach, aber er kann Dinge von unbegreiflicher Komplexität schaffen!'

Meine Entgegnung: 'Eine ganz einfache Frage: Da drüben sind Berge zu sehen. Wie ist es den zu erklären, dass das Gestein der Berge mindestens 200 Millionen Jahre alt ist, Jesus aber erst vor 2000 Jahren aktiv wurde?' Kein Problem für Mike: 'Yeaah ...!! Die typisch naiven Fragen der Wissenschaftler! Das ist ja gerade das Einmalige, dass Jesus die Welt vor 6.500 Jahren so prächtig erschaffen hat, dass alle denken, sie wäre viel, viel älter ... !!!'

Jesus sei Dank - ich war an diesem Computer erfolgreich und fertig. Die IndexSeite meiner WebPage aber war immer noch nicht geladen. Ich wünschte Mike weiterhin einen unerschütterlichen Glauben und ein wunderbares Leben an der Seite von Jesus. Mit 'Have fun with Jesus!' verabschiedete ich mich fluchtartig.

Drei Tage bin ich jetzt in den USA. Schon vor dem ersten Tag hatte ich einen starken Bibel Sender im Radio. Nur Stunden nach dem Grenzübergang wunderte ich mich über die vielen vermüllten Häuser, vor denen aber stolz die amerikanische Flagge weht. Am zweiten Tag hätte ich mir schon im Supermarket ein Gewehr kaufen können. Jetzt, am dritten Tag, läuft mir ein Spezialist über den Weg, der jede komplizierte Frage einfach beantworten kann und seine Chefin macht Werbung für ihr 'Gesegnetes Haus'. Ich hatte nicht erwartet, dass meine mit Sicherheit sehr subjektiven Vorurteile gegen das US-Bildungssystem und die Lebensauffassungen der Amerikaner so schnell bestätigt werden.

Valdez ist nicht nur durch die Havarie des Tankers Exon Valdez im Jahre 1989 weltweit in die Schlagzeilen geraten. Am 27. März 1964, ein Karfreitag, wurde Alaska durch ein schweres Erdbeben erschüttert. Valdez wurde so zerstört, dass es an einer anderen Stelle wieder aufgebaut werden musste. Das Erdbeben hatte eine Stärke von 9,2 (!!) und richtete in weiten Teilen von Südalaska, beispielsweise auch in Anchorage, verheerende Schäden an.

Auf der Rückfahrt vom Thompson Pass finde ich Old Valdez und das, was von seinem Hafen übrig geblieben ist. Kein Schild verweist mehr auf diesen Ort. Der ehemalige Hafen ist durch einen unterirdischen Erdrutsch zum grössten Teil im Wasser versunken. Die Ränder des Einbruchtrichters sind noch an einigen Stellen gut zu erkennen. Was da für Gewalten unterwegs sind! Ein ganzes Leben stellen wir uns auf die absolut trügerische Position, dass alles in der Natur und besonders in der Geologie statisch ist! Das ist genau nicht der Fall und nie so gewesen. Im Gegenteil, die Erdkruste ist unwahrscheinlich dünn und sensibel.

Im Museum von Valdez habe ich ein Bild fotografiert: Die Stämme 70 Zentimeter dicker Bäume wurden praktisch an ihrem Standort zerfetzt, einen Meter über dem Waldboden! Eine lokale Erdbebenwelle mit einer Amplitude von 30 Metern (!!) raste über dieses Gebiet. Ungeheure Drehbeschleunigungen sind offenbar aufgetreten, die Drehachse lag im Wurzelbereich und der Stamm konnte nicht folgen ...!! Diese zersplitterten Baumstümpfe sieht man zwar, aber man kann es sich einfach nicht vorstellen, dass man auf diese Weise Bäume in der Luft zerreissen kann! Das Epizentrum des Erdbebens lag nur 50 Kilometer von Valdez entfernt im Prince William Sound. Ein Tsunami raste über die Stadt, kurze Zeit später riss das zurück strömende Wasser alles mit in die See. Ein Wunder, dass nur 31 Menschen starben.

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Der versunkene Hafen von Old Valdez