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Totem Poles in Sitka und Ketchikan 2/3

Ketchikan und Umgebung
Heute übernachte ich wieder auf einem Berg mit Aussicht. Der Hügel befindet sich direkt über dem Ferry Terminal von Ketchikan. Gegenüber liegt der Airport, wo ich die Flugzeuge starten und landen sehe. Das ist noch Ketchikan, aber schon eine andere Insel, sie heisst Gravina Island. Ketchikan liegt auf Revillagigedo Island. Ich stehe hier auf dem grossen Parkplatz der Kirche 'First Assembly of God’. In der grossen Baracke, die als Kirche dient, scheint niemand zu wohnen und heute gibt es auch keinen 'Service'. Ganz im Gegensatz zur Konkurrenz. Gegenüber residieren die Zeugen Jehovas in einem soliden und grossen Bau. Davor standen am Abend mindestens 20 Fahrzeuge. Gegen 22 Uhr löst sich dort die Versammlung auf.

Die einzige Hauptstrasse von Revillagigedo Island habe ich heute befahren. Ich war in Saxman und bin weiter gefahren bis zum Mountain Point. Das ist der südlichste Punkt der Insel. Dann bin ich zurück nach Ketchikan und zum Totem Bight Park gefahren. Von dort aus sind es vielleicht noch 4 Kilometer, dann ist man an der westlichsten Ecke der Insel.

Nur vielleicht 300 Meter weg vom Bight Park liegt die Bucht Mud Bight. Dort sind Flösse vor Anker gegangen, auf denen Häuser stehen. Bei Ebbe liegt das Haus auf dem Strand und die Tassen fallen aus dem Schrank, wenn man nicht aufpasst. Bei Hochwasser schaukelt die ganze Wohnung. Wenn einem der Standort nicht mehr gefällt, fährt man mit den Aussenborder woanders hin. Diese Wohnungsvariante habe ich noch nie gesehen. Sie ist interessant und vielleicht billiger, als ein Schiff. Allerdings scheint es auch hier wie an Land zu sein: Die Hausbesitzer ersticken auf ihren Flössen und in diesem improvisierten Hafen im eigenen Müll. Nur ein Anwesen ist noch bewohnt. Es hat den sehr treffenden Namen: EUPHORIUM (s.u.).

An der Ward Cove, nur vielleicht drei Kilometer entfernt von Mud Bight, liegt ein Tal, das die Insel stark einschneidet. Wenn ich morgen noch hier wäre, würde ich dort hinfahren. Am Connell Lake gibt es mehrere Wanderwege durch den herrlichen ‚kalten Regenwald’. Man kann fast die Insel durchqueren und bis zum Harriet Hunt Lake laufen. Das schaffe ich leider nicht mehr, denn morgen um 9:45 Uhr sticht mein Dampfer unwiderruflich wieder in See. Auch das Ziel ist klar: Prince Rupert, Canada. Heute ist mein letzter Tag in Alaska.

Ketchikan ist ein Ort, an dem die Indianer noch vor 150 Jahren völlig unbehelligt von den Weissen in ihrer 12.000 Jahre alten Kultur gelebt haben. Es ging ihnen gut, sie führten ein ruhiges, geregeltes Leben. Hier lebten Haida und Tlingit friedlich zusammen, zwei unterschiedliche Volksgruppen, die durch Raben und Adler symbolisiert wurden. Es herrschte eine matriarchalische Gesellschaftsform. Innerhalb der Raben und Adler durfte nicht geheiratet werden.

Nur im Sommer zur Lachszeit musste richtig gearbeitet werden. Damit aber konnten sich die Indianer Vorräte für ein ganzes Jahr anlegen. Danach hatten sie wieder viel Zeit. Diese Zeit haben sie dazu benutzt, grosse Holzhäuser zu bauen, kunstvoll verziert mit Schnitzereien. Ihre Kleidung haben sie sorgfältig hergestellt und aufwendig dekoriert. Das gleiche gilt für Geräte und Werkzeuge und Waffen.

 

Im Laufe der Zeit hat sich so eine ganz eigenständige Kultur entwickelt, die völlig auf die natürlichen Recourcen der Pacific Küste ausgerichtet war. Mike Martin hat das alles wenig interessiert. Er kam 1885 von Oregon nach Ketchikan und machte hier eine Fischfabrik auf. Man kann sich richtig vorstellen, wie begeistert die Indianer darüber gewesen sind. Aber offensichtlich gab es hier keinen Krieg, die Indianer waren ja schon im Jahr 1804 in Sitka besiegt worden.1887 lebten bereits 40 Weisse in Ketchikan, 1892 wurde die erste Sägemühle in Betrieb genommen, 1898 setzte auch hier der Gold Rush ein. Der US-Kongress hatte gerade entschieden, dass Alaska nicht mehr länger 'Indianer Land' ist. Damit war auch der Alkoholausschank legalisiert. Grund genug für Mike Martin, endlich in Ketchikan einen Saloon zu eröffnen. 1900 hatte Ketchikan schon 454 Einwohner, 20 Jahre später 2.458, 1930 waren es 3.796 und nach dem Zensus aus dem Jahre 2000 leben hier 14.070 Menschen. Rund zehn Prozent davon bezeichnen sich als Natives.

Bis vor fünfundzwanzig Jahren waren Fisch, Pelztiere und Holz die wirtschaftliche Basis dieser Gegend. Heute besuchen jährlich 600.000 Touristen alleine Ketchikan !! Und dass, obwohl Ketchikan nur mit dem Schiff zu erreichen ist. Das ist unglaublich und natürlich ein auserdordentlicher Wirtschaftsfaktor. Im Sommer liegen hier täglich drei riesige Kreuzfahrtschiffe am Quai. Das bringt jede Menge Geld in die Kassen und deshalb besteht Downtown Ketchikan auch vorwiegend aus Gift Shops.

Zufällig entdecke ich etwa 500 Meter vom Quai entfernt eine sehr schöne Bummelmeile: Die Creek Street (s.o.) wurde auf Stelzen am Ketchikan Creek gebaut und sie wirbt sehr effektvoll damit, dass sich hier früher der gut florierende Rotlichtbezirk von Ketchikan befand. Vor einem der früheren Hurenhäuser tut eine altgediente Dame so, als warte sie auf Kunden. Für zwei Dollar hebt sie das Bein, man darf ihr die Scheine ins Stumpfband stecken und dabei ein Foto machen. Das ist für jeden prüden Amerikaner ein unerhörtes Erlebnis und sie macht mit dieser Masche ein gutes Geschäft. Die Holzhäuser der Creek Street sind rekonstruiert und fotogen. Es wohnt kaum noch jemand hier, in die Häuser sind Galerien und Gift Shops eingezogen.

Nach dem Tourismus ist die Fischindustrie auch heute noch der Haupterwebszweig von Ketchikan. Danach kommt das Holz. Am Totem Bight sehe ich, wie man ohne jeden Respekt vor der Natur ganze Berge kahl schlägt. Aber das ist wirklich die Ausnahme. Erstens wächst viel Holz in dieser nassen Gegend und zweitens betreibt man Kahlschlag in der Regel nur dort, wo die Touristen nicht vorbeikommen.

Durch Zufall gerate ich heute in eine 'Holzfäller Show'. Direkt am Quai findet täglich dreimal diese Veranstaltung für die Kreuzfahrer statt (ca. 40 Leute a 12 Dollar). Vier starke, junge Männer hacken und sägen um die Wette. Spektakulär ist, wenn sie über im Wasser liegende Baumstämme balancieren. Zwei auf dem gleichen Baumstamm balancierende Männer versuchen, den anderen durch Tanzen und Wasserspritzen ins Wasser zu werfen. Ein Show Master heizt die Massen an und wer aus dem Publikum die Axt in eine Zielscheibe werfen kann, wird ganz schnell zum Helden gemacht. This is America!

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