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Marxismus 2000 - Nachtrag

 

 

 

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Marxismus 2000, Meerweg

Kritik dazu, Albrecht

 

 

 

Autor dieses Textes ist
M. V. Meerweg

Dieser Text wird unverändert und ungekürzt wiedergegeben.
Es handelt sich ausschliesslich um die Positionen dieses Autors.
Jürgen Albrecht identifiziert sich ausdrücklich NICHT
mit den von Meerweg vertretenen Auffassungen!

Er verwahrt sich auch strikt dagegen,
ungefragt vom Autor als "Gutmensch" vereinnahmt zu werden.

 

 

 

„Marxismus 2000“ enthält im ersten Teil die wesentlichen Erkenntnisse von Karl Marx und Friedrich Engels über die Entwicklung der Menschheit seit dem Entstehen der Lebensweise der ursprünglichen asiatischen Zivilisation, vor allem aber seit der griechisch-römischen Antike bis zum Kapitalismus des 19.Jahrhunderts, der auch als Manchester-Kapitalismus oder als „Lohnsklaverei“ in die Geschichte eingegangen ist. Ursprünglich hatten Marx und Engels dem Klassenkampf entscheidende Bedeutung für die geschichtliche Entwicklung beigemessen. „Alle Geschichte ist eine Geschichte von Klassenkämpfen“, heißt es im „Kommunistischen Manifest“ von 1848.
Dem Kapitalismus als der letzten Ausbeutergesellschaft sollten der Sozialismus als Übergangsgesellschaft und der Kommunismus als nächsthöhere Gesellschaftsformation folgen. Die Befreiung der Arbeiterklasse von Ausbeutung und Unterdrückung sollte das Werk der Arbeiter selbst sein. Das Proletariat sollte somit zum „Totengräber“   des Kapitalismus werden.

In der konkreten Geschichte kämpften allerdings Völker und Reiche gegeneinander, im Verlaufe einer langen Reihe solcher Siege und Niederlagen schien sich eine neue Gesellschaftsordnung früher oder später durchzusetzen, nicht primär durch die Aufstände der Sklaven oder später der  leibeigenen oder hörigen Bauern im Feudalismus. Erst 1859, zehn Jahre nach der  gescheiterten Revolution von 1848/49, gelang es Karl Marx. die wirklichen Ursachen der Evolution der menschlichen Gesellschaft, der stufenweisen Abfolge der Gesellschaftsformationen, als gesetzmäßige Bewegung der Widersprüche zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen und zwischen dieser bestimmten Produktionsweise und dem Überbau nachzuweisen.

In seinem Vorwort  zur „Kritik der politischen Ökonomie“ von 1859 formulierte er diese gesetzmäßigen Zusammenhänge in einer sprachlich und inhaltlich bis heute unübertroffenen Art und Weise, so dass wir Marxisten darin eine „klassische“ Definition des Historischen Materialismus erkennen und allgemein anerkennen. (Siehe den vollen Wortlaut im Teil I) Die Marx‘ sche Definition trifft auch auf den Kapitalismus im 21. Jahrhundert immer noch zu. Die marxistische Theorie in ihrer Anwendung auf den Kapitalismus ist insofern durch die zeitweilige Existenz des „real existierenden“ Sozialismus nicht gescheitert. Der Kapitalismus hat den real existierenden Sozialismus zwar überlebt, wird aber dennoch an den inneren Widersprüchen seines Systems unausweichlich ebenfalls scheitern. Das wird voraussichtlich noch längere Zeit dauern. Denn nunmehr hat die Weltgeschichte  ja einen Weg eingeschlagen, der zur Ausbreitung des hoch entwickelten Kapitalismus über nahezu die ganze Erdoberfläche führt, ehe er danach, im Falle eines neuen Weltkrieges aber sicher schon vorher,  zusammenbricht. Das war bei den früheren Gesellschaftsordnungen so nicht der Fall. Aber nach Marx ist die kapitalistische Ordnung als letzte Ausbeuterordnung ja auch insofern etwas Besonderes, als mit ihr die „Vorgeschichte“ der Menschheit enden soll.
Also ist revolutionäre Ungeduld diesmal auf Seiten der Marxisten ganz und gar unangebracht. Die heute lebenden Marxisten werden gewiss keine qualitativ neue Gesellschaftsordnung errichten helfen, aber eine solche Entwicklung mit geistigen, „ideologischen“ Mitteln langfristig vorzubereiten, das ist durchaus unsere Aufgabe und Verpflichtung.

Vor ungefähr einhundert Jahren führten die damals unüberbrückbaren Widersprüche zwischen den am meisten entwickelten Industrieländern Europas und Russland geradewegs in den Ersten Weltkrieg, wie es die Marxisten damals vorausgesagt hatten, den sie aber nicht verhindern konnten. Es waren England, Frankreich, Deutschland, Österreich und Russland, also fünf Mächte, die ihre Ansprüche auf die koloniale Beherrschung der Welt oder wenigstens auf einen Anteil daran nicht auf friedlichem Wege beilegen konnten, es nicht einmal ernsthaft versuchten, weil für sie alle der Krieg nur die Fortsetzung ihrer räuberischen Politik „mit anderen Mitteln“ war. Das Schicksal von Abertausenden, am Ende sogar Millionen unschuldiger Menschen kümmerte die Reichen und Mächtigen, die herrschenden Klassen jener Zeit nicht im Geringsten.

Es war das kapitalistische System, das man damals „Imperialismus“ zu nennen begann – hergeleitet von Imperium oder Großmacht, Vormacht – das diese völkermordende Katastrophe ursächlich zu verantworten hatte. Dass auch bestimmte Personen dafür verantwortlich sind, liegt letztlich ebenfalls am System, das ihnen derart weittragende Einflussmöglichkeiten einräumte.

In der heutigen kapitalistischen Welt sind es nun schon sieben offizielle Atommächte  - USA, Russland, China, Indien, England, Frankreich und Pakistan  - , die ihre imperialen Rivalitäten keinesfalls untereinander mit militärischen Mitteln austragen dürfen, soll es nicht zu einer dritten Katastrophe für die ganze Menschheit kommen, die auch diesmal eine Folge der dem kapitalistischen System innewohnenden Widersprüche sein würde. Es würde sich ja jetzt um einen Krieg zwischen lauter imperialistischen Staaten handeln. Der untergegangene Weltsozialismus hätte nichts mehr damit zu tun.

Die wissenschaftliche Auswertung des Verhaltens der  Arbeiterklasse im real existierenden Sozialismus  hat nun zweifelsfrei ergeben, dass die ihr von Marx und Engels zugedachte Historische Mission von der Arbeiterklasse nicht mehr erfüllt werden kann und wird. Die Arbeiterklasse hat sich im Kapitalismus derart verändert, dass sie keine konsequent revolutionäre Kraft mehr ist. Und das war sie auch im real existierenden Sozialismus nicht, jedenfalls schon nicht mehr am Ende der sogenannten Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus. Die für die marxistische Theorie daraus zu ziehende Schlussfolgerung  kann nur lauten, dass die bis 1859 erschienenen Arbeiten von Marx und Engels, einschließlich des Kommunistischen Manifests,  nicht mehr Bestandteil einer anwendbaren marxistischen Theorie sind. Sie können auch nicht weiterentwickelt, sondern müssen durch neue Erkenntnisse ersetzt werden, natürlich im marxistischen Geiste.

Es ist ja das erklärte Ziel der marxistischen Theorie, in der politischen Praxis das kapitalistische System zu stürzen, um dadurch nicht nur die Ausbeutung und Unterdrückung des Menschen durch den Menschen ein für alle Mal zu beseitigen, sondern vor allem auch die gesamte  Menschheit vor den Gefahren neuer imperialistischer Krisen und Kriege nachhaltig zu schützen. Da die Arbeiterklasse diese Mission im Interesse der Menschheit nun nicht mehr erfüllen kann,  muss eine neue, stärkere Kraft sich künftig der imperialen Machtentfaltung der Superreichen und Supermächtigen entgegenstellen. Dies ist zum ersten Mal in der Geschichte eine klassenübergreifende Menschengruppe, die in vorliegender Arbeit Gutmenschen genannt werden. Die Gutmenschen sind also die Retter der Menschheit vor einer realen existenziellen Bedrohung, die von der Existenz des gegenwärtigen Kapitalismus ausgeht.

Den Gutmenschen steht eine gegenwärtig zahlenmäßig etwa gleich große, aber viel mächtigere Gruppe von Nogutmenschen gegenüber, bei denen es sich fast ausschließlich um Männer handelt. Wir wollen diese Gruppe im Folgenden deshalb auch Nogutmänner nennen. Es gibt dann noch zwei wesentlich größere Menschengruppen in der gegenwärtigen kapitalistischen Gesellschaft, das sind die Potentiellen Gutmenschen und die Potentiellen Nogutmenschen.

Nach dieser politisch- sozialen Struktur der heutigen Gesellschaft bilden die Gutmenschen und Potentiellen Gutmenschen zusammen die Mehrheit der Gesellschaft.  Denn zu dieser Gruppe gehören fast alle Frauen und die Männer, die Frauen respektieren und bereit sind, eine führende Position der Frauen in der Gesellschaft anzuerkennen. Darüber hinaus und unabhängig von dieser Frage gehören zu den Gutmenschen alle Pazifisten, die also einen Krieg um jeden Preis vermeiden und sich persönlich nicht an einem Krieg beteiligen wollen, zudem die große Gruppe derer, die aus sozialem Verantwortungsbewusstsein sich für die Menschenwürde auch der Armen engagieren, ein erheblicher Teil von diesen aus christlicher Verantwortung, gemäß den von Jesus Christus in seiner Bergpredigt vertretenen Grundsätzen. Neben den Christen ist auch der Anteil  sozial verantwortungsbewusster Gutmenschen unter den Juden besonders hoch, vor allem unter den amerikanischen Juden. Zu den Gutmenschen gehören ferner, unabhängig von der Positionierung zu den bereits erwähnten Fragen, fast alle Atheisten und fast alle religiös Gebundenen, die sich Atheisten gegenüber tolerant verhalten. Zu  den Gutmenschen gehören fast alle Unterprivilegierten, aber auf freiwilliger Grundlage auch ein Teil der Privilegierten, ja sogar ein Teil der Superreichen, so etwa die Gruppe der von  Bill Gates und Warren Buffet angeführten 89 sozial engagierten Superreichen, die die Hälfte oder jedenfalls einen Großteil ihres beträchtlichen Vermögens für soziale Projekte bereitstellen, um damit nachhaltige soziale Problemlösungen vor allem in den ärmsten Ländern der Welt auf den Weg zu bringen.

Bei den Gutmenschen handelt es sich also nicht nur um progressive, sondern auch um konservative Frauen und Männer, sowohl um hochgebildete, aber auch um Analphabeten oder um die sogenannte „bildungsferne“ Schicht der Bevölkerung.

Was nun die Marxisten des 21. Jahrhunderts (nach Meerweg) betrifft, so sind sie ein Teil der progressiven Gutmenschen.  Es gilt der Satz: Marxisten sind progressive Gutmenschen und nichts als progressive Gutmenschen, deren Weltanschauung der Historische Materialismus gemäß der Marx’schen Definition von 1859 ist.
Die soziale Herkunft oder Zugehörigkeit eines Marxisten spielt keine Rolle mehr. Es gibt keinen Arbeiterbonus mehr wie im real existierenden Sozialismus. Arbeiter haben in der neuen marxistischen Bewegung weder mehr noch weniger zu sagen als andere auch. Aber Frauen und besonders jüngere Frauen mit Kindern sollen eindeutig das Sagen haben. Reichtum oder relative Armut spielen keine Rolle, aber Bildungsferne ist mit der Zugehörigkeit zur marxistischen Bewegung unvereinbar.

Als Mindestanforderung an das geistige Leistungsvermögen eines modernen Marxisten wurde bereits im Teil I von Marxismus 2000 empfohlen, dass zumindest die jüngeren Marxisten die im Ersten Teil widergegebene Marx-Definition zum Historischen Materialismus ganz oder in größeren Teilen im Kopf haben sollten. Schließlich lernen viele Islamisten den gesamten Koran auswendig und die Christen verlangen vor einer Erwachsenentaufe einen regelrechten Religionsunterricht, können das Vaterunser und die zehn Gebote und noch manch andere christlichen Sprüche ebenfalls auswendig. Der Islam verlangt von Männern immerhin die Beschneidung. Wer es sich leisten kann, absolviert eine Pilgerreise mit zahlreichen Pflichten. Also ist die moderate Anstrengung des Auswendiglernens von ein paar Sätzen auch bei uns nicht zu viel verlangt. Nogutmänner mögen das lästig finden oder nicht. Das so verinnerlichte marxistische Gedankengut stärkt unter den Marxisten Vertrauen und Gemeinschaftsgeist. Wer allerdings Verdienste aufzuweisen hat, hat einen solchen Vertrauensbeweis nicht nötig. Sie oder Er wird auch so allgemein anerkannt.

Als erste und wichtigste Lehre aus dem Untergang des historischen Experiments des real existierenden Sozialismus halten wir also fest, dass die Arbeiterklasse nicht in der Lage war, weder subjektiv noch objektiv, die sozialistische Übergangsgesellschaft als eine im Vergleich mit dem Kapitalismus effizientere, historisch überlegene Gesellschaftsordnung bis zur Reife auf- und auszubauen, dass sie vielmehr am Prozess des Untergangs der neuen Gesellschaft teilweise aktiv beteiligt war. Die Annahme von Marx und Engels, dass die Arbeiterklasse zum Totengräber des Kapitalismus sozusagen von der Geschichte vorherbestimmt sei, hat sich als Irrtum erwiesen. Es muss nun eine andere, stärkere Kraft als die Arbeiterklasse deren „Historische Mission“ übernehmen und zu Ende führen. Die Theorie des Marxismus muss diese die Rolle der Arbeiterklasse betreffenden Erfahrungen aus der gesellschaftlichen Praxis aufnehmen und verarbeiten. Eine „führende Rolle“ der Arbeiterklasse sowie von Menschen proletarischer Herkunft in der Gesellschaft wird es in Zukunft generell nicht mehr geben, im Ausnahmefall, auf Einzelpersonen bezogen, ist sie natürlich immer noch möglich. Da die modernen Marxisten sich nicht nur mit den von Marx und Engels vorgearbeiteten Ideen und Erkenntnissen, sondern auch mit den Erfahrungen der Geschichte des 20. Jahrhunderts auseinandersetzen müssen, darüber hinaus die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaften laufend aufnehmen und weltanschaulich verarbeiten müssen, schlägt Meerweg vor, im Jahre 1859 einen Schnitt durch das theoretische Erbe vorzunehmen und die zuvor erschienenen theoretischen Arbeiten und Erkenntnisse der Klassiker, einschließlich der Kommunistischen Manifests nicht mehr als praxisrelevant anzusehen. Diese Abkehr der Aufmerksamkeit der heutigen Marxisten von den Frühwerken von Marx und Engels gilt natürlich nicht für Marxforscher, genau wie für Bibelforscher das Alte und das Neue Testament weiterhin gleichermaßen von Interesse sind, während in der kirchlichen Praxis an der Basis, im Umgang mit den Gläubigen weite Teile des Alten Testaments niemals mehr Erwähnung finden. 

Gegner des Marxismus und des gesellschaftlichen Fortschritts überhaupt werden weiterhin versuchen, uns Marxisten in alle möglichen abwegigen Debatten, wie beispielsweise über das „Gattungswesen des Menschen“ zu verwickeln, über Entfremdungstheorien usw., um uns davon abzuhalten, uns mit ganzer Kraft auf der Grundlage der Theorie des Historischen Materialismus der Analyse der Widersprüche der modernen Gesellschaft und ihrer möglichen Lösung zuzuwenden. Wir dürfen uns von solchen manchmal sogar gutgemeinten Anfechtungen aber nicht beeinflussen lassen. Nur Marxisten sollen Marxisten vorgeben können, was sie zu tun und zu lassen haben, Nichtmarxisten dürfen das gern versuchen, wir müssen aber immun gegen derartige Anfechtungen sein und bleiben. Andernfalls würden wir mit unseren knappen Ressourcen nicht verantwortungsbewusst genug umgehen und könnten unserer neuen historischen Aufgabe umso weniger gerecht werden. Auch rückwärtsgewandte Debatten, wer von den Kommunisten, Marxisten, Leninisten, Trotzkisten usw. zu irgendeinem Zeitpunkt in der Vergangenheit mehr Recht und wer weniger Recht hatte, helfen uns heute, im 21. Jahrhundert nicht mehr weiter.
Natürlich muss man die verfolgten, ermordeten, lange Zeit verleumdeten Freiheitskämpfer und unter diesen vor allem jene, die auf ihre eigene, also auf eine vielleicht andere Weise unserer „Sache“ dienen wollten, unbedingt rehabilitieren, auch wenn dabei Personen rehabilitiert werden, die untereinander verfeindet waren und die doch später das gleiche Schicksal ereilte. Wir rehabilitieren diese alle, nur solche nicht, bei denen es sich nach heutiger Erkenntnis um Nogutmänner handelt. Letzteres sind zum Beispiel Folterer oder Personen, die unschuldige Menschen „liquidieren“ ließen, nur weil sie deren Konkurrenz, deren abweichende Ideen fürchteten, aber auch zum Beispiel  jene Partei- und Staatsführer der DDR, die Wahlfälschungen in Auftrag gaben oder daran beteiligt waren. Wir modernen Marxisten verzeihen nicht jedes von machtgierigen Männern begangene Verbrechen. Darin unterscheiden wir uns von der christlichen Moral, die zumindest in früheren Jahrhunderten alle Sünden vergab, die im Namen des Christentums an Ungläubigen und Andersgläubigen, sogar an Christen einer anderen Christkirche, begangen wurden und die in allen ungerechten Kriegen die menschenmordenden Waffen zu segnen zuließ.

Dies war eine kleine Abschweifung vom eigentlichen Anliegen dieses Beitrags, bei dem es ja um die theoretischen Lehren aus dem Scheitern des real existierenden Sozialismus und um die neuen Aufgaben gehen soll, die im 21. Jahrhundert auf die Marxisten zukommen. Man kann es gar nicht oft genug betonen: Alle Kraft ist auf die Aneignung der Theorie des Historischen Materialismus als Kern der modernen marxistischen Weltanschauung zu konzentrieren und dann auf die Anwendung dieser Theorie auf die jeweils aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse, auf die Analyse ihrer dialektischen Widersprüche und deren objektiver Bewegung.

Alle Versuche, den Historischen Materialismus mit weniger wichtigen oder historisch bereits erledigten Themen zu vermischen und dann in einer diffusen allgemeinen „Fehlerdiskussion“ mit untergehen zu lassen, müssen unbedingt und kompromisslos zurückgewiesen werden: „Das ist mit uns modernen Marxisten nicht zu machen. Darauf lassen wir uns nicht ein. Da gehen wir nicht mit.“ Sollten stets unsere Antworten auf Angebote zu einer vermischten Fehlerdiskussion sein, die den Historischen Materialismus mit einbeziehen will. Über Fehler der Vergangenheit lassen wir durchaus mit uns reden, aber konkret, und nicht in einer derart „vermischten“ Art und Weise.

Eine ganz andere Frage ist die notwendige Verwerfung, das heißt, die fundamentale Kritik an der propagandistischen Unterordnung der Theorie des Historischen Materialismus unter die Politik der durchweg männlichen, am Ende der DDR durchweg überalterten Partei- und Staatsführung der DDR und ebenso der UdSSR. In dem im ersten Teil dieser Arbeit erwähnten, im Dietz-Verlag der DDR erschienenen 900 Seiten starken Buch über den Historischen Materialismus ist nur knapp die Hälfte der Darstellung der Theorie gewidmet, mehr als die Hälfte aber einer durch die Theorie gar nicht gedeckten Propaganda des sogenannten real existierenden Sozialismus, auch Entwickelte sozialistische Gesellschaft der DDR genannt, die angeblich bereits auf dem Wege sei, allmählich in die höhere Phase der Kommunistischen Gesellschaftsformation überzugehen. Nichts von dieser die DDR und die UdSSR betreffenden Propaganda beruht auf wissenschaftlicher Forschungsarbeit. Alles sind nur „aus den Fingern gesogene“ Argumente. Es werden keinerlei Widersprüche zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen in der DDR, zwischen Basis und Überbau analysiert oder auch nur ein einziges Mal angesprochen. Insofern sind alle die DDR und die UdSSR betreffenden Ausführungen in diesem Buch reiner Müll. Die Autoren müssten sich dieser Ausführungen heute schämen, wenn sie nicht geltend machen könnten, dass das herrschende Regime ihnen keine andere Wahl gelassen hätte, entweder gar nichts oder eben zur Hälfte ihres Buches diesen Müll zu veröffentlichen. Als Rechtfertigung ihrer Einlassung auf die Bedienung der gewünschten Propaganda können sie immerhin auf die andere Hälfte ihres Textes verweisen, der eine gut strukturierte Darstellung der wirklichen Theorie des Historischen Materialismus enthält und unzählige Zitatbelege der Klassiker und sogar aus der sonstigen philosophischen Diskussion beibringt, darunter an zwölf verschiedenen Textstellen, über den größten Teil des Buches verteilt, kürzere Zitate oder auch indirekte Zitate aus der hier schon mehrfach erwähnten Definition des Historischen Materialismus von Karl Marx aus dem Jahre 1859. Hier kann der interessierte Leser sich also eingehender mit den im  Marx-Zitat verwendeten Begriffen vertraut machen wie Produktivkräfte, Produktionsverhältnisse, Produktionsweise, Basis und Überbau, Gesellschaftsordnung, revolutionäre Epoche und andere. Man muss nur den Fußnoten folgen, die am unteren Seitenrand sich jeweils auf Marx‘ Vorwort zur Kritik der Politischen Ökonomie beziehen. Sollten alle Rechte an diesem Buch beim Dietz-Verlag liegen, wäre eine auf 300 bis 400 Seiten verkürzte Zusammenfassung  für künftige marxistische Käufer ein durchaus attraktives Angebot.

Neben den im engeren Sinne die marxistische Theorie unmittelbar betreffenden Lehren aus dem Zusammenbruch der real existierenden Sozialismus sind auch die Lehren von besonderer Wichtigkeit, die die Organisationsform der marxistischen Bewegung betreffen.  Es versteht sich von selbst, dass es eine die proletarische Revolution vorbereitende Kampfpartei Leninschen Typs künftig nicht mehr geben kann und wird. Die Arbeiterklasse vertritt ihre sozialen Interessen im gegenwärtigen Kapitalismus hauptsächlich durch legale Streikkämpfe und Verhandlungslösungen. Um ihre Lohnforderungen durch die Gewerkschaften als staatlich anerkannte Interessenvertreter der Arbeiter und Angestellten gegenüber den entsprechend niedriger ausfallenden Lohnerhöhungsangeboten der in Verbänden organisierten Kapitalisten, also Unternehmervertreter, durchzusetzen, können Warnstreiks durchgeführt werden. Dann aber werden zumeist Kompromisse ausgehandelt und in Kraft gesetzt, die beiden Tarifpartnern ein Stück entgegenkommen, so dass am Ende weder die Arbeiter noch die Unternehmer als Verlierer dastehen. Die in diesem gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen ausgehandelten oder ausgefochtenen Tarifverträge gelten dann für die sogenannte Tariflaufzeit. Innerhalb dieser Zeit herrscht „Friedenspflicht“. Das gibt sowohl den Unternehmen wie den Arbeitern stets genügend Zeit, ihre jeweiligen Haushalte zu organisieren und damit wohl oder übel eine Zeitlang auszukommen, bis dann zumeist die ansteigenden Lebenshaltungskosten die Lohnerhöhungen wieder zunichte gemacht haben.

Jahrzehntelang haben sich die Realeinkommen der Arbeiter der BRD und vieler anderer kapitalistischer Länder auf die oben dargestellte Art und Weise sukzessive erhöht, seit der realexistierende Sozialismus aber zusammengebrochen ist, fallen die Reallöhne tendenziell, während die Einkommen der superreichen Kapitalisten und Topmanager, vor allem in der sogenannten „Finanzindustrie“, geradezu explodiert sind. Für die Arbeiter muss sich nun zeigen, ob die Gewerkschaften ihre sozialen Interessen weiterhin wirksam genug vertreten können, oder ob sie sich erneut „politisieren“ müssen, um ihre Interessen auch wieder stärker über die politischen Parteien und über parlamentarische Mehrheiten durchzusetzen. Traditionell können sich die Arbeiter in einer sozial prekärer werdenden gesellschaftlichen Gesamtsituation auf die in den Parlamenten vertretenen „linken“ Parteien stützen, von denen es in Deutschland eine gibt, die sogar den Namen „Die Linke“ trägt. Als relativ links gilt in Deutschland auch die politisch viel einflussreichere Sozialdemokratie, die zudem noch enger mit den Gewerkschaften verbunden ist als die Partei Die Linke.

Über Parlamentarische Mehrheiten können die Arbeiter zum Beispiel erreichen, dass die Kapitalisten ihnen bestimmte Mindestlöhne zahlen müssen, die gesetzlich vorgeschrieben werden. Darum geht es zum Beispiel bei den Bundestagswahlen 2013 zum ersten Mal in der Geschichte der BRD.

Gemäß der marxistischen Theorie ist das Auseinanderdriften der Einkommen von Arbeitern und Superreichen ein Widerspruch, der sich nur eine bestimmte Zeit lang immer weiter verschärfen kann. Dann schlägt die bisherige Entwicklung in eine „neue Qualität“ um, und der Widerspruch muss gelöst werden. Uns modernen Marxisten fällt nun die Aufgabe zu, die Bewegung dieses grundlegenden Widerspruchs in der heutigen Gesellschaft zu analysieren und ihr Umschlagen in eine neue Qualität zeitnah vorauszusagen.


Wir sind aber nicht die einzigen, die diesen Gegenstand der gesellschaftlichen Entwicklung mit wissenschaftlichen Methoden untersuchen. Während sich der einzelne superreiche Kapitalist in der Regel nur um seinen Maximalprofit kümmert, hat die Kapitalistenklasse insgesamt inzwischen gelernt, dass die ökonomischen Aktivitäten vieler Einzelner zu einer unerwünscht spontanen, also ungesteuerten Veränderung gesellschaftlicher und politischer Gleichgewichtsverhältnisse und damit zur Labilität der bis dahin stabilen Verhältnisse führen können. Diese objektiv gegebene gesellschaftliche Labilität findet ihren Niederschlag im gesellschaftlichen Bewusstsein und im politischen Bewusstsein der Wähler, das ihr Wahlverhalten beeinflusst. Die Wahlbeteiligung sinkt, kann aber dennoch unerwartet steigen. Populistische Parteien steigen scheinbar aus dem Nichts zu parlamentarischer Bedeutsamkeit auf. Die zuvor unter der Hand zwischen den im Parlament vertretenen Parteien vereinbarten künftigen Regierungskoalitionen finden keine Mehrheit mehr. Ganze kapitalistische Länder werden vorübergehend unregierbar. Davon negativ betroffen sind dann solche Staatenbündnisse wie die Europäische Union, die ihrerseits wieder gegenüber einer Großmacht wie den USA oder China ihre Handlungsfähigkeit verliert usw.

Die von der Kapitalistenklasse engagierten Wirtschaftsforscher sind nunmehr außerstande, die Auswirkungen der politischen und allgemein gesellschaftlichen Labilität in ihren mathematisierten ökonomischen Modellen zu berücksichtigen. Die Fehlerbreite ihrer Wachstumsprognosen oder Prognosen für die Arbeitslosigkeit erhöht sich dermaßen, dass der Einsatz bestimmter wirtschaftspolitischer Instrumente zum Vabanquespiel wird.
Wir Marxisten sind aber nicht an einer zunehmenden Labilität der gesellschaftlichen Verhältnisse im bestehenden kapitalistischen System interessiert. Wir suchen auch mit jenen Wissenschaftlern den offenen Dialog über wissenschaftliche und wissenschaftsmethodische Fragen, die für Ungutmänner das Herrschaftswissen aufbereiten sollen und dafür bezahlt werden. Wir stehen diesen Wissenschaftlern, sofern sie ernsthafte Forschungsarbeit leisten, nicht feindlich gegenüber, sondern bemühen uns um eine konstruktive partielle Zusammenarbeit mit ihnen. Unsere Aufgabe ist es, sowohl mit Hilfe der Theorie des Historischen Materialismus wie auch mit Hilfe der Erkenntnisse der modernen Wissenschaft die Gutmenschen in der kapitalistischen Gesellschaft vor den Auswirkungen der Profitgier der Superreichen und der Topmanager der Banken zu schützen, soweit das in unseren Kräften steht. Deshalb verschleißen wir unsere Ressourcen auch nicht durch eine führende Mitgliedschaft in den das politische System tragenden Parteien, einschließlich der Partei Die Linke. Marxisten dürfen sich hinsichtlich der Freiheit und Unbestechlichkeit ihrer wissenschaftlichen Aussagen nie wieder in das Schlepptau einer politischen Partei begeben, um deren Propagandawünsche zu befriedigen.

Also werden wir Marxisten weder einer Partei beitreten, um in dieser dann einen sogenannten Marsch durch die Institutionen anzutreten – eine einfache Parteimitgliedschaft ohne Funktionsübernahme ist unproblematisch. Noch werden wir eine eigene marxistische Partei gründen, was uns nur dem Vorwurf der Machtgier aussetzen würde. Vielmehr sollen sich die Marxisten künftig in „losen“ Vereinigungen zusammenschließen, die sich vorwiegend der wissenschaftlichen Forschung und Diskussion auf der Grundlage der marxistischen Weltanschauung und Methodik widmen. Die Forschungsergebnisse und die ausgetauschten Standpunkte zu gesellschaftlich relevanten Fragen werden regelmäßig veröffentlicht. Jugendliche, auch schon minderjährige Teenager, sollen Gelegenheit erhalten, in ihrer Freizeit gemeinsam gesellschaftliche Projekte zu entwerfen und auch diese zu veröffentlichen. Dazu gehören dann auch kreative öffentliche Auftritte und Aktionen gegen prominente Nogutmänner an den unterschiedlichsten Orten dieser Welt, ähnlich denen, die in der Vergangenheit von Greenpeace und zum Beispiel auch ursprünglich von den Grünen in Deutschland durchgeführt wurden.

Die Örtlichen und die Überörtlichen marxistischen Vereinigungen sollen bei allen Wahlen die Kandidatenaufstellungen der Parteien beobachten und die dabei festzustellenden Machenschaften der Nogutmänner öffentlich anprangern. Dagegen sollen sie in allen Parteien auf kreative Weise die Kandidatur von Frauen für Spitzenämter in Partei und Staat unterstützen. Sie sollen nach den Kandidatenaufstellungen dann die für Spitzenämter kandidierenden Frauen unterstützen, und zwar auch in der Weise, dass man unmittelbar die Wahl auch von Männern zu Abgeordneten befürwortet, wenn diese Männer dann auf nächsthöherer  Ebene des Wahlverfahrens die Spitzenkandidatur einer Frau unterstützen. Die Frauen sind, unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit, die Hauptverbündeten der marxistischen Gutmenschen bei der Rettung der Welt vor den Machenschaften der Nogutmänner. Es geht den Marxistinnen und Marxisten aber nicht um Quoten, sondern um die tatsächliche Besetzung der absoluten Spitzenpositionen in möglichst vielen Staaten, Regionen, Großstädten, Kommunen usw. und natürlich dann auch in Staatengemeinschaften, wie der Europäischen Union, und in internationalen Organisationen. Eine zahlenmäßige Gleichstellung der Frauen in den Gremien ist erst der zweite Schritt.

 

Da die Marxisten von jetzt an erklärtermaßen zu den Gutmenschen gehören, müssen die marxistischen Vereinigungen gerade auf das Gutmenschenimage der gesamten neuen marxistischen Bewegung größten Wert legen. Auf keinen Fall gilt in Zukunft noch der Satz „Der Zweck heiligt die Mittel.“ Der gute Ruf der Marxistinnen und Marxisten als Gutmenschen muss mit der Zeit allgemeine Anerkennung finden.

Deshalb gelten für Marxisten sehr strikt – bei Strafe des sofortigen Ausschlusses aus allen marxistischen Vereinigungen und Gremien - folgende Verhaltensvorschriften:

  1. Marxisten terrorisieren andere Menschen nicht mit körperlicher Gewalt.
  2. Marxisten vergewaltigen nicht. Sie schützen weltweit die Kinder vor Ausbeutung, Gewalt und Verbrechen.
  3. Marxisten töten nicht aus Habsucht, Eifersucht oder Rache. Sie sind keine Terroristen.
  4. Marxisten beuten nicht andere Menschen in der Weise aus, dass diese infolge der Ausbeutung verarmen oder verelenden können. Unter den Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise sind Arbeitsverhältnisse allerdings immer auch Ausbeutungsverhältnisse. Marxistische Unternehmer beschäftigen vorzugsweise marxistische Arbeitskräfte, die in einer marxistischen Kommune auskömmlich leben können.
  5. Marxisten geben zwar in der Regel keine Almosen, treten dafür aber auf politischer und gesellschaftlicher Ebene für nachhaltige Lösungen ein, durch die die Bettelarmut eines Teils der Bevölkerung abgeschafft wird. Sie respektieren jedoch auch das Almosengeben aus christlicher Verantwortung und Nächstenliebe, ebenso die Armenhilfe durch sogenannte „Tafeln“, die überflüssige Nahrungsmittel an Bedürftige verteilen. Die Arbeit dieser „Tafeln“ kann sogar dann noch sinnvoll sein, wenn die Bettelarmut nachhaltig abgeschafft worden sein sollte, nämlich zwecks einer ausgewogenen, gesunden Ernährungsweise auch der Unterschicht der Bevölkerung.
  6. Marxisten unterstützen keinen ungerechten Krieg und kein mit einer Kriegsandrohung verbundenes Ultimatum. Sie melden sich nicht freiwillig zum Kriegsdienst in einem Land, das sich nicht gegen eine ausländische Aggression verteidigen muss.
  7. Marxisten foltern nicht und treten überall für die Abschaffung der Todesstrafe ein.
  8. Marxisten wählen Frauen auf direktem oder indirektem Wege in Spitzenpositionen von Politik, Justiz, Wirtschaft, Verwaltungen usw., das heißt überall, wo sich ihnen eine Wahlmöglichkeit bietet.
  9. Marxisten treten immer und überall für Gerechtigkeit ein, dann auch für Freiheit und Menschenrechte. Sie treten gegen Privilegien für Reiche und Mächtige (Männer) ein und richten ihr Wahlverhalten nach dieser Maxime. (Primär durch die Entsendung einer Frau in das jeweils zu vergebende Spitzenamt.)
  10. Marxisten prangern die propagandistischen Unterstützer und Helfer der reichen und mächtigen Nogutmänner dieser Welt durch zahlreiche kleine, kreative Aktionen persönlich an, darunter auch die propagandistischen Holocaustleugner.
  11. Marxisten führen im öffentlichen Bereich keine Schusswaffen mit sich und treten für strengste Regeln für den Besitz und Umgang mit privaten Schusswaffen ein sowie für das strikte Verbot militärischer Waffen und Munition im privaten Bereich.
  12. Marxisten treten für die strikte und unnachsichtige Verfolgung und Zerschlagung maffiöser Organisationen ein, die sich mit Drogenhandel, Menschenhandel, Waffenhandel, sexueller Ausbeutung, Schutzgelderpressung und Geldwäsche befassen. Sie selbst sind keinesfalls auf diesen Gebieten aktiv bzw. an derartigen Geschäften beteiligt.

Für Marxisten ist es nicht nur „geboten“, diese Verhaltensregeln zu befolgen, sondern sie müssen sie befolgen, um Marxistinnen und Marxisten sein und bleiben zu können, um von einer der marxistischen Gemeinschaften anerkannt zu werden.

Im Jahre 2003 hat auch Professor Albrecht in seiner „Story“ über das wissenschaftliche Weltbild, und zwar dort im Abschnitt „Einsichten, Grundsätze und Gebote“  einen Verhaltenskodex ähnlicher Art aufgestellt:
(Mit einer) rationalen Sicht auf die Welt und mit ihren Werten wie Toleranz, Friedfertigkeit, Ehrfurcht und Demut kann man ohne Schwierigkeiten vernünftige Gebote für den Umgang der Menschen miteinander ableiten. Auch das ist kein Vorrecht von Religionen. Beispiele:

  • Du sollst deinen Verstand gebrauchen. (nach P.I. Kant: Was ist Aufklärung)
  • Du sollst nicht nur an Dich denken - Memento Mori
  • Du sollst keine Gewalt anwenden.
  • Du sollst keine Zinsen nehmen.
  • Du sollst tolerant sein und nicht missionieren.
  • Du sollst für die Bildung Deiner Kinder sorgen.
  • Du sollst die Natur in Ruhe lassen.
  • Du sollst Deine Wünsche reduzieren.
  • Du sollst nicht mehr verbrauchen, als Du hast.
  • Du sollst Gutes tun.
  • Du sollst das Wissen mehren.
  • Du sollst nur nach derjenigen Maxime handeln, 
    durch die du zugleich wollen kannst, 
    dass sie ein allgemeines Gesetz werde. (Kant)
  • Und so weiter.

Damit nahezu identisch, nur schöner formuliert, ist Goethes Wahlspruch: Und handeln sollst du so, als hing‘ von dir und deinem Tun allein das Schicksal ab der deutschen Dinge. Und die Verantwortung wär‘ dein.
Professor Albrechts Verhaltenskatalog hat nur einen Fehler, dass er nämlich vermeidet, kundzutun, für wen er verbindlich sein solle. Das gerade aber ist sehr wichtig, denn andernfalls bleibt alles kontemplativ, wie seit Kant vor zweihundert Jahren.

Wir fügen deshalb hinzu, das ist ein Verhaltenskatalog für Gutmenschen, nicht unbedingt für progressive Gutmenschen wie wir. Nogutmänner, die in erster Linie geldgierig und machthungrig sind, werden sich um Professor Albrechts Gebote einen Teufel scheren. Aber für Gutmenschen, die wir ja auch sind, sind die Albrecht’schen Gebote - mit einer Ausnahme - schon verbindlich, und ich denke, auch für ihn selbst. Willkommen also, Professor Albrecht bei den Gutmenschen – mit Kant und Goethe, Schiller, Herder und Lessing. Da sind wir ganz bei Ihnen. Um  wie viel besser wäre unsere heutige Welt, wenn in ihr die Gutmenschen das Sagen haben würden, nicht die gierigen und allmächtigen Superreichen und nicht die zum Teil skrupellosen, weil korrupten männlichen Spitzenpolitiker, die für ein paar Brocken, die die Reichen für sie abfallen lassen, das eigene Volk verraten und verkaufen, wie erst jüngst wieder in Griechenland offenbar wurde. Dabei könnten die Gutmenschen mit der großen Bevölkerungsgruppe der bisher immer nur unterdrückten Frauen eigentlich das Sagen haben, denn sie sind die Mehrheit der Bevölkerung. Viele wissen es nur noch nicht, dass es an ihnen liegt, wenn sich nichts zum Guten ändert, sondern seit fast zehn Jahren nur noch zum Schlechten.

Nicht uneingeschränkt zustimmen können wir dem bei Professor Albrecht an fünfter Position stehenden Verbot, zu missionieren. Wer eine Mission hat, dem darf man das Missionieren nicht verbieten. Progressive Gutmenschen sollen für ihre gute Sache auch neue Anhänger werben. Das muss aber unbedingt tolerant geschehen. Intolerantes Missionieren, wie es in der Geschichte des Kolonialismus oft vorgekommen ist, ist natürlich unmoralisch und verwerflich. Jesus Christus war auch ein Missionar. Er wurde zuerst zum Menschenfischer und versammelte eine Schar Jünger um sich, ehe er zum Wohltäter der Armen und Kranken wurde.

Professor Albrecht kritisierte am ersten Teil von „Marxismus 2000“, dass sich Meerweg nicht genügend von dem illusionären Menschenbild der Marxisten abgesetzt hätte, das maßgeblich für das Scheitern der Realsozialismus verantwortlich sei. Der Mensch sei von Natur aus nicht gut, sondern gierig usw. Auch die sozialistische Erziehung habe daran nichts geändert. Diese grundlegende Einschätzung ist tatsächlich eine der wichtigsten Fragen überhaupt, die vor einer erneuten revolutionären Umwälzung der menschlichen Gesellschaft geklärt werden muss. Kann sich „der Mensch“ in seinem Wesen noch ändern oder nicht? Stößt die Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse womöglich an genetische Grenzen?

Die Antwort auf diese Frage muss auf zwei Ebenen gegeben werden: auf der Ebene der Theorie und auf der Ebene der gesellschaftlichen Praxis:

Die Theorie besagt, dass der Mensch in die Gesellschaft hineingeboren wird und dass er in Kindheit und Jugend „sozialisiert“, das heißt von der Gesellschaft zu einem ihrer erwachsenen und Verantwortung tragenden Mitglieder gebildet und erzogen wird. Ein neugeborenes Kind ist für die Gesellschaft weder schlecht noch gut, ist gleichsam ein “Unbeschriebenes  Blatt“. Die Gesellschaft beeinflusst die Entwicklung der Kinder zum einen indirekt über die Eltern, zum anderen aber auch über die Ergebnisse der gesellschaftlichen Produktion: Kleidung, Nahrung, Ausstattung der Wohnung, Spielzeuge, die Autos, Häuser, andere Menschen oder auch abstrakte Formen von Gegenständen darstellen, sodann durch die Sprache, die Musik, die Medien usw. Früher oder später kommen gesellschaftliche Betreuungs- und Bildungseinrichtungen hinzu. Der Einfluss der Eltern auf die Kindererziehung nimmt allmählich ab und der gesellschaftliche Einfluss nimmt zu. In den verschiedenen Kulturen werden die Kinder jeweils zu Erwachsenen Frauen und Männern erzogen, die dieser Kultur entsprechen, also Menschen unterschiedlicher Kulturen auf eine deutlich unterschiedliche Art und Weise. Das zeigt sich im 21. Jahrhundert ganz besonders an der beherrschenden Stellung des Mannes in einer muslimisch-südländisch-ländlichen Familie und der eher gleichberechtigen sozialen Stellung der Frau in den westlichen Demokratien. Die jeweilige Kultur beeinflusst auch das Sexualverhalten von Frauen und Männern. Die Sexualität der Frauen wird hier unterdrückt, dort wird sie gesellschaftlich akzeptiert und kann sich entfalten.

Auch im real existierenden Sozialismus hat sich gezeigt, dass die oben genannten kulturellen Unterschiede zum Beispiel in der Sowjetunion verhältnismäßig stark ausgeprägt blieben, obwohl die sozialistische Staatsmacht und die die Gesellschaft führende Partei  Jahrzehnte lang die Unterschiede einzuebnen versucht hat. Aus diesen Wahrnehmungen der Zusammenhänge zwischen gesellschaftlicher Sozialisierung und kultureller Beeinflussung kann man schlussfolgern, dass eine bis zwei Generationen nicht ausreichen, um Menschen nach einer vorgegebenen Norm in der Generationenfolge „umzuerziehen“, dass Menschen in erheblichem Maße „umerziehungsresistent“ sind. Davon zeugen auch die geschichtlichen Erfahrungen, zum Beispiel die der Christianisierung der mittel- und nordeuropäischen germanischen Stämme und Völker. Diese Prozesse dauerten beispielsweise bei den Sachsen im frühen Mittelalter weit über hundert Jahre. Und die kulturellen Unterschiede machten sich auch noch in der Reformation vor fünfhundert Jahren bemerkbar, als nämlich die Norddeutschen und die Nordeuropäer sich in relativ kurzer Zeit von der „Kultur“ der römisch-katholischen Kirche verabschiedeten und ihren neuen, protestantischen Glauben in den darauffolgenden einhundert Jahren opferreich und unbeugsam verteidigten. Durch den Soziologen Max Weber wurde im 20. Jahrhundert wissenschaftlich nachgewiesen, dass die Protestantische Ethik die kapitalistische Entwicklung in den Staaten der amerikanischen Ostküste und im Norden der USA zu beschleunigen half, was letztendlich dann auch zum Sieg des Nordens und des Ostens in den Sezessionskriegen und zur Abschaffung der Sklaverei unter Präsident Lincoln führte. Seit der Abschaffung der Sklaverei wiederum hat sich das „Menschenbild“ der USA-Bürger schwarzer Hautfarbe ziemlich stark von dem der heute in Afrika lebenden Menschen abgesetzt, auch hier zum Beispiel gemessen an den Geschlechterbeziehungen und überhaupt der Rolle der schwarzen Frau in der jeweiligen Gesellschaft.

Auch dieses Beispiel zeigt allerdings, dass eine signifikante Veränderung der „Menschenbildes“ in der Folge einer Veränderung der gesellschaftlichen Struktur einen Zeitraum von wenigstens einhundertfünfzig Jahren in Anspruch nimmt. Soweit also die theoretische Auswertung der Fakten, das heißt, des realen Geschichtsverlaufs. Die von Professor Albrecht suggerierte „Wahrheit“, dass der Sozialismus zur Veränderung des Menschenbildes nichts beigetragen hätte, hält einer konkreten Analyse aber nicht stand. In der DDR war die Scheidungsrate schon nach den ersten Jahren viel höher als in Westdeutschland. Es gab fast keine Prostitution. Die DDR-Spitzensportlerinnen leisteten mehr als die der BRD mit ihrer viermal höheren Bevölkerungszahl und vielleicht siebenmal höheren Wirtschaftskraft. Die Berufstätigkeit der Frauen war viel höher, der Anteil der Mädchen an den Facharbeitern war bedeutend höher, an den Studierenden etwas höher. Der Einfluss der Kirchen auf die Gesamtbevölkerung ging stärker zurück als in der BRD, was sich auch nach der „Wende“ von 1989 nicht mehr wesentlich änderte. Die Zeit war insgesamt aber noch viel zu kurz, um schon die Herausbildung eines „Neuen Menschen“  in der DDR erreichen zu können. Auch die kommunistischen Führer tragen jedoch eine Mitschuld daran, dass auf diesem Gebiet nicht noch mehr erreicht wurde. Das SED-Regime war eine fast lupenreine Männerdiktatur. Die Ehefrauen der meisten Partei- und Staatsführer führten als Hausfrauen ein von der Öffentlichkeit abgeschottetes Schattendasein. Einzige Ausnahme war Margot Honecker, die Ehefrau des Partei- und Staatschefs Erich Honecker und Ministerin für Volksbildung. Er hatte die ihm geistig überlegene Margot Feist in zweiter Ehe geheiratet und konnte sie nun nicht mehr so unterdrücken wie alle seine Kollegen ihre Frauen. Das gesamte Volksbildungswesen entwickelte sich unter Margot Honecker immer mehr zu einer Frauendomäne - wie kein anderer Bereich in der Gesellschaft. In der Industrie und Landwirtschaft behielten die Männer das Sagen. Es gab in der DDR noch weniger weibliche Kombinats- und Betriebsdirektoren als in Westdeutschland. Für all das tragen die machtausübenden Nogutmänner an der Spitze der SED die Verantwortung. Ein potenzieller Kraftquell für die gesellschaftliche Entwicklung der DDR wurde nur unzureichend genutzt. Die DDR wäre aufgrund der innerdeutschen und internationalen Konstellation dennoch untergegangen, hätte aber eine eindrucksvollere Spur in der deutschen Geschichte hinterlassen können.

 

Nach einer sehr kurzen theoretischen Analyse und einer speziell die DDR betreffenden konkret historischen Bestandsaufnahme sollen nun noch einige praktische Schlussfolgerungen für die zukünftige Entwicklung folgen.

Auch unter kapitalistischen Bedingungen wollen wir Marxisten uns bereits um die Heranbildung und Erziehung von „neuen Menschen“ kümmern. Es ist ja nun nicht mehr so, dass ein „neuer Mensch“ aus der Arbeiterklasse hervorgehen müsste. Dadurch, dass wir Marxisten selbst eine geistig-moralische Elite sind, die aus der Mitte der Bevölkerung und nicht aus ihren Unterschichten hervorgeht, könnten wir möglicherweise oder sogar wahrscheinlich nach dem Prinzip der Juden dazu beitragen, dass unsere Nachkommenschaft den Kriterien, die an die „neuen Menschen“ anzulegen sind, in der Generationenfolge immer näher kommt. Nicht, dass wir daraus den Anspruch ableiten wollten, in Zukunft einmal die politische Führung der Gesellschaft zu übernehmen. Es geht vielmehr um die Erforschung, um eine wissenschaftlich nachprüfbare Vorabbestätigung des Prinzips, dass eine neue, höhere Gesellschafsformation nicht dazu verurteilt ist, zu degenerieren und aus diesem Grunde abzusterben, sondern ihre Identität auch in der Generationenfolge bewahren kann. Das jüdische Prinzip der Bewahrung einer Gruppenidentität ist keine „Menschenzüchtung“, sondern es besteht einfach darin, dass jedes von einer zu uns gehörenden Marxistin geborene Kind ein von seiner Mutter, aber auch von der gesamten marxistischen Gemeinschaft zu behütendes, zu bildendes und zu erziehendes Kind ist. Es ist ein „Baustein“ der nächstfolgenden marxistischen Generation.

Wir Marxisten gehen damit also auf die weibliche Vererbungslinie über, die ja auch genetisch viel besser nachzuweisen ist, und wir tun das mit aller Konsequenz. Überall, wo eine entsprechende Namenswahl von Eheleuten und Eltern rechtlich möglich ist, nehmen marxistische Ehepartner einen Doppelnamen an mit dem Namen der Frau auf der ersten Position – oder es behält jeder seinen eigenen Namen bei. Die Kinder jedoch bekommen entweder den Nachnamen der Mutter oder einen Doppelnamen mit dem der Mutter an der Spitze.
Es geht nun darum, die aus der marxistischen Gemeinschaft hervorgegangenen Kinder innerhalb einer marxistischen Kommune im marxistischen Geiste zu erziehen, wenn sich das als durchführbar erweist. Ausgangspunkt ist also immer die sorgeberechtigte bzw. erziehungsberechtigte marxistische Kindesmutter. Sie kann für ihr Kind die kommuneeigenen Betreuungseinrichtungen sowie Schulen für Kinder nutzen, so wie das in Deutschland beispielsweise auch die beiden großen Christkirchen für ihre Mütter und deren Kinder ermöglichen. Selbstverständlich wirkt auch bei uns Marxisten der Kindesvater, der gegebenenfalls der Ehemann ist, entsprechend bei der Kindererziehung mit. Für die rechtlichen Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und dem Kind trägt aber die Kindesmutter die Verantwortung und der Vater nur vertretungsweise.

Jede marxistische Kommune wird nun rund um die zentrale Aufgabe der Kinderbetreuung aufgebaut. Es entstehen Wohnungen, Kinderspielplätze, professionelle und ehrenamtliche Kinderbetreuungseinrichtungen, eine Kinderbibliothek, vielleicht ein Schwimmbad, ein Hotel und anderes. Es entstehen Dienstleistungs- und Versorgungseinrichtungen, möglicherweise eine Großgärtnerei, Anlagen für Stromerzeugung, Wasserversorgung und Heizung und schließlich Büroarbeitsplätze und Werkstätten. Eine von 700 bis 1000 Personen bewohnte Kommune soll nach Möglichkeit zu einem Innovationszentrum bzw. zu einer privaten Forschungsstätte ausgebaut werden, jedenfalls nicht zu einem unrentablen Agrarbetrieb mit Selbstversorgerfunktion.

Eine erste marxistische Kommune ist zunächst mit der Kraft und den mobilisierbaren Ressourcen der gesamten marxistischen Gemeinschaft zu errichten. Erst nach längerer Laufzeit eine zweite usw.

Es können natürlich auch nicht alle marxistischen Mütter und Väter mit ihren Kindern dort untergebracht werden. Im Zweifel werden die wirtschaftlich Bessergestellten aufgenommen, dann die Hochgebildeten. Für die Betreuung werden pro Kind mindestens die doppelte Anzahl professioneller und ehrenamtlicher Kräfte eingesetzt wie in einer normalen Kinderbetreuungsstätte oder Schule. Dafür aber wird die Wirkung einer jeden Betreuungs- und Erziehungsmaßnahme auf jedes einzelne Kind mit modernsten Methoden und Geräten analysiert und dokumentiert, ohne dass die betreuten Kinder davon etwas mitbekommen. Es ist ja das erklärte Ziel dieser Betreuung und Beschulung, nicht etwa fachliche Spitzenleistungen, sondern charakterlich gefestigte Gutmenschen durch die gesamte Sozialisation in den marxistischen Kommunen hervorzubringen. Diese Betreuungs-, Erziehungs-, Bildungs- und Forschungsarbeit ist also für die gesamte Menschheit zu leisten, um den Übergang in eine qualitativ höhere Stufe der zunächst immer noch kapitalistischen „Gutmenschengesellschaft“ wissenschaftlich abzusichern.

Dieses Experiment könnte theoretisch auch scheitern, wenn zum Beispiel auch nur ein einziger männlicher Amokläufer oder ein Massenmörder wie der Norweger Breivik aus dieser aufwändigen Erziehung und Bildung hervorgehen würde. Wenn das eintreten würde, hätte Professor Albrecht mit seinem pessimistischen Menschenbild Recht behalten und der gesamte hier konzipierte Weg in eine bessere Gesellschaft wäre in Frage gestellt. Als historische Optimisten glauben wir Marxisten aber daran, dass der Mensch gut genug ist, um eine Gutmenschengesellschaft in Zukunft errichten zu können.

 

Damit ist eigentlich aus marxistischer Sicht schon das wichtigste nachgetragen und erläutert, was im Ersten Teil von Marxismus 2000 noch offengeblieben war. Der Höflichkeit halber sollen aber Professor Albrechts übrige Hinweise und Kritiken zum Ersten Teil auch noch so kurz wie möglich beantwortet werden. Auch diese haben den Verfasser inspiriert und deutlich weitergeführt. So dass die obige zusammenfassende Darstellung überhaupt erst möglich wurde.

 

Der Glaube progressiver Gutmenschen

marxistische Diktion war bisher, das Wort Glauben durch Überzeugung zu ersetzen. Letztere ist von „zeugen“ abgeleitet. Im Neuen Testament der Bibel ist es die Aufgabe der zwölf Apostel, zu bezeugen, wie Jesus gelebt hat, wie er am Kreuz gestorben und schließlich auferstanden ist. Überzeugung ist also auch kein besseres Wort als Glauben. Wir Marxisten vertrauen auf die Sorgfalt der wissenschaftlichen Arbeitsweise von Karl Marx, letztlich auch auf seine charakterliche Integrität. In diesem Sinne glauben wir Marx. Das Wort kann uns nicht diskreditieren. Wenn die Christen aus ihrem Glauben ein Dogma machen, ist das ihre Sache. Wir tun das nicht.

 

Marxismus 2000 – die Kirche der progressiven Gutmenschen

In der Tat! Eine Partei zu werden, kommt für uns nicht mehr in Frage. „Marxistische Gemeinschaft von Gutmenschen“ – das hat auch etwas Kirchenähnliches. Eine Kirche mehr oder weniger, darauf kommt es doch sicher nicht an, und die Zahl der Atheisten ist ja inzwischen sogar mit jeder der größten Weltkirchen vergleichbar. Also eine Atheistenkirche mit Karl Marx als ihrem Propheten! Die Scientologen sind ja schließlich auch keine echte Kirche – und beanspruchen das Kirchenprivileg. Wenn die progressiven Gutmenschen eine Kirche hätten, die nicht so verstaubt ist wie die christlich-katholische oder gar christlich-orthodoxe, - das wäre doch gar nicht so schlecht.

Haben Sie nicht selbst geschrieben:   „Religionen sind effektiver. … Damit schafft sich der Mensch hocheffektive Verfahren für die Lösung existenzieller Probleme.“   Na, also!

 

Nachvollziehbar aber ist so ein Glaube nicht

Welcher Glaube ist „nachvollziehbar“ und auf welche Weise könnte dies geschehen?  Es können sowieso nicht alle Marxisten sein, das wollen wir auch gar nicht. Die FDJ (Freie Deutsche Jugend) in der DDR ist uns ein warnendes Beispiel: Als alle drin waren, war von ihrer ursprünglichen Strahlkraft nichts mehr übrig.

Wenn wir von den Mitgliedern unserer marxistischen Vereinigung erwarten, einige Sätze auswendig zu lernen und somit zu verinnerlichen, dann eignen sie sich gerade ein Wissen an, das nachvollziehbar ist: durch Anwendung dieser Theorie auf die konkrete Geschichte der Menschheit lassen sich die Marx’schen Erkenntnisse sehr gut nachvollziehen. Darum geht es ja gerade.

 

Die Beschränkung auf Marx bedeutet eine Beschränkung des eigenen Weltbildes

Das will ja niemand. Nach vorn ist unsere Weltanschauung immer offen. „Das letzte Wort der Wissenschaft“, „Das letzte Wort der Technik“, die neuesten Beobachtungen der Weltraumteleskope, Mond-, Mars- und Venussonden, der Tiefseeforschung, Klimaforschung usw. müssen wir in unsere Weltanschauung aufnehmen, die neuesten gesicherten Erkenntnisse aller Wissenschaften. Aber nicht zurück zu Kants „Ding an sich“. Das braucht niemand, außer vielleicht professionelle Philosophen, die nichts anderes zu tun haben. Wir Marxisten aber haben mehr als genug damit zu tun, unseren Beitrag zur Rettung der Welt zu leisten. Das Beste an Kant ist seine kleine Schrift „Was ist Aufklärung?“ Darin zeigt er auf, wie jedermann, ganz besonders aber die Frauen einen  Ausgang aus ihrer Unmündigkeit finden können. Nämlich, indem sie ihren Verstand gebrauchen und den Mut zum Gebrauch ihres Verstandes ohne Anleitung eines anderen aufbringen. Das ist es gerade, was heute die Frauen in den USA, in Deutschland, Frankreich und anderswo verstehen lernen. Und nur auf diese Weise wird unsere hochgefährdete Welt gerettet werden.


Eine spitzfindige Argumentation

„Spitzfindig“ ist in diesem Falle kein Argument, jedenfalls kein stichhaltiges. Soll der real existierende Sozialismus denn eine Gesellschaftsformation gewesen sein? Warum dann dieser Name? Niemand spricht vom real existierenden Feudalismus oder Kapitalismus. So etwas sagt man nur, wenn man selbst sich hinsichtlich der Existenz eines Sachverhalts unsicher ist. Weder hat in der DDR die sozialistische Gesellschaftsordnung „real existiert“ noch gar eine „entwickelte sozialistische Gesellschaft“. Das war alles nur Wunschdenken der Herrschenden. Das Volk in der DDR hat dieser SED-Propaganda nicht geglaubt, aber plötzlich soll sie wahr gewesen sein? Das ist doch reichlich unglaubwürdig.


Die DDR  - eine fanatische Diktatur?

Adjektive dienen manchmal auch der Propaganda. In diesem Fall soll der DDR also ein Etikett verpasst werden. Na, bitte! Aber nun gerade nicht wegen der als solcher kreuzgefährlichen Atompolitik. Das waren 1962 die sowjetischen Atomraketen auf Kuba, die Castro auch unbedingt haben wollte, gefolgt von der ebenfalls kreuzgefährlichen Seeblockade Kubas durch die USA.

Damals wollte in Deutschland allein noch der Verteidigungsminister Strauß gern Atomwaffen haben, nicht die DDR. Die wollte immer eine atomwaffenfreie Zone in Deutschland. Und Honecker sprach, als dann doch die sowjetischen Kurzstreckenraketen kamen, sofort von „Teufelszeug“. Das tat kein offizieller westdeutscher Politiker. Also kein DDR-„Fanatismus“ in dieser Frage!


Ist die Evolution der menschlichen Zivilisation „gesetzmäßig“?

Hier liegt offenbar ein Begriffsirrtum vor. Gesetzmäßig heißt als marxistische Kategorie nichts anderes, als dass etwas von allein geschieht, ohne Auftrag oder Zutun eines Gottes oder von Menschen. Gesetzmäßig ist sozusagen das Wesen dessen, was von allein geschieht, nicht der ganz konkrete Verlauf. Dieser wird immer auch von Zufälligkeiten abhängen und natürlich auch von konkret handelnden Menschen. Also, es geschieht etwas auf diese oder jene Weise, aber es geschieht. Es kann nicht einfach nicht geschehen, weil es objektive Gründe für eine bestimmte Tendenz der Entwicklung gibt.

Zwei Beispiele:  Die Abschaffung der Sklaverei in den USA war eine notwendige Folge der kapitalistischen Industrialisierung. Der Kapitalismus braucht den freien  - und mobilen  -  Lohnarbeiter, nicht den  Slaven. Wäre Lincoln 1865 mit seiner Verfassungsänderung im Kongress gescheitert, wäre die Sklaverei  trotzdem später aufgehoben worden, so wie ja nochmals hundert Jahre später auch der Kolonialismus überall auf der Welt abgeschafft wurde. Die Unterdrückung der Kolonien wurde für die Mutterländer zu teuer. Die koloniale Ausbeutung lohnte sich nicht mehr.

Das Ende der Sklaverei und jenes des Kolonialismus hatten objektive Gründe, Ihrem Wesen nach waren die  beiden Prozesse gesetzmäßig, dem konkreten Verlauf nach aber nicht.

Mit dem Verlauf der Entwicklung der menschlichen Zivilisation verhält es sich ebenso. Also zuerst wandernde Jäger, dann Hirten mit Zelten, dann erste feste Siedlungen, dann Städte und das unentwegte Wachstum der meisten Städte, dann Großstädte, der Prozess der Urbanisierung. Kein ernsthafter Mensch, der im Geschichtsunterricht in der Schule nicht geschlafen hat, kann den gesetzmäßigen Charakter dieses Zivilisationsgeschehens auf unserer Erde ernsthaft in Zweifel ziehen. Man muss natürlich auch hier wieder das Wesen der Prozesse erkennen und darf nicht an den Erscheinungsformen kleben bleiben. Der Begriff Zivilisation wird allerdings manchmal auch für bestimmte Kulturen verwandt, die in ihrer Entwicklung eine aufsteigende und eine absteigende Phase hatten und schließlich sogar untergegangen sind. Dieser zweite Zivilisationsbegriff ist eher irreführend denn es gibt die Zivilisation nur in der Einzahl, Kulturen aber in der Einzahl und Mehrzahl und daneben sogar noch einen Kulturbegriff, der sich nur in der Einzahl anwenden lässt. Man kann sich nicht ernsthaft mit Problemen auseinandersetzen, wenn man nicht mit gleichbedeutenden Begriffen operiert. Also:  Die Zivilisation (Einzahlbegriff) kann wenigstens nicht untergehen, solange nicht die ganze Menschheit untergeht. Und genau diese Zivilisation (Einzahlbegriff) entwickelt sich, in großen Zügen gesehen, gesetzmäßig. Eine einmal entstandene Großstadt wird nicht wieder durch eine Kleinstadt ersetzt, Autobahnen verwandeln sich nicht wieder in Poststraßen für Pferdekutschen usw. Die Entwicklung ist unumkehrbar aufsteigend, also war sie gesetzmäßig. Nichts spricht dafür, dass sie in einem bestimmten Jahr in jüngster Zeit aufgehört hat, gesetzmäßig zu sein oder dass sich die seit Jahrtausenden aufsteigende Entwicklungstendenz der Zivilisation „gerade vorgestern“ umgedreht hätte.


Fundamentale Irrtümer werden verharmlost

Ich bedauere, dass ich Professor Albrechts Leistung, die Ursachen für den Untergang der DDR herausgefunden und der Nachwelt mitgeteilt zu haben, nicht in der vorgegebenen Weise nachvollziehen kann. Will aber auf die Argumente nun etwas näher eingehen.

Die wirkliche Grundfrage der Philosophie ist die Frage nach dem Primat von Materie oder menschlichem Bewusstsein, wobei „Gott“ den Klassikern des Marxismus immer nur als eines von vielen Produkten des menschlichen Bewusstseins galt. Sie haben hier einen Satz von Engels überinterpretiert. Gott ist für die Klassiker des Marxismus nicht so wichtig wie anscheinend für sie. Vom Urknall konnten die Klassiker noch nichts wissen. Sie nahmen einfach an, dass die Materie ewig und unendlich wäre und dass der Mensch mit seinem Bewusstsein eben in beiden Richtungen des Zeitverlaufs nicht unendlich ist, also nur sekundär sein kann. Die Materie, die Natur, hat den Menschen hervorgebracht und dieser, nun objektiv existierend, hat sein Bewusstsein hervorgebracht. Mehr und anderes konnten Marx und Engels zu ihrer Zeit nicht wissen. Das Bewusstsein ist eine Eigenschaft der hochorganisierten Materie, des menschlichen Gehirns, was jeder ganz schnell versteht, der einen anderen Menschen einmal kurze Zeit vor und nach einem schweren Schlaganfall erlebt hat. Hirnorganische Veränderungen können „ohne weiteres“ das Bewusstsein verändern. Umgekehrt geht das nicht oder kaum. Schon daran kann man erkennen, was primär ist und was nicht. Was hat der Untergang der DDR mit dieser Frage zu tun? Im hohen Alter werden Menschen häufig  senil. Und damit ist auch eine Bewusstseinsveränderung verbunden. Es treten immer mehr Wahrnehmungsfehler und Denkblockaden auf. Der sowjetische Partei- und Staatschef Breshnew hat, Zeitungsberichten zufolge, im hohen Alter seine Ämter mit einem „kapitalistischen“ Kunstherz ausgeübt. Ohne dieses kapitalistische Herz kein Bewusstsein. Das jedenfalls muss Breshnew bewusst gewesen sein. Es hat ihn ganz gewiss mehr umgetrieben als die Grundfrage der Philosophie. Abschließend zu dieser Frage bin ich der Meinung, dass die Grundfrage der Philosophie in der DDR völlig richtig beantwortet wurde, dass nämlich die Materie primär gegenüber dem menschlichen Bewusstsein ist und dass daher in dieser Frage von keinem „grundlegenden Irrtum“ die Rede sein kann.

 

Die Erkennbarkeit der Welt

Es liegt kein grundlegender Irrtum vor, der die Existenz der DDR hätte gefährden können, wenn die Welt für erkennbar gehalten worden ist. Ein einzelner Mensch kann die ganze Welt sowieso nicht erkennen. Er ist auf die Erkenntnisse anderer, auf die letzten Erkenntnisse der Wissenschaften in allen Disziplinen,  angewiesen. Aber auch diese Erkenntnisse anderer Personen kann kein einzelner Mensch alle aufnehmen und verarbeiten. Da brauchen wir gar nicht bis zu den letzten Fragen vordringen, was vor dem Urknall war oder warum er stattgefunden hat.

Also, wenn niemand die ganze Welt erkennen kann, dann ist es doch weitgehend egal, ob man die Welt grundsätzlich für erkennbar hält oder nicht. Es ist ja nichts als eine Glaubensfrage, anzunehmen oder zu behaupten, dass die Menschheit in ihrer Gesamtheit die Welt letztlich doch erkennen kann. Beweisen kann das niemand. Das Gegenteil aber auch nicht. Also, dies ist meine ehrliche Meinung:  an dieser „letzten“ Frage ist überhaupt nichts zu „verharmlosen“. So wichtig die Frage auch sein mag, es gibt keinen plausiblen Grund, sie unbedingt hier und heute zu beantworten.

Warum sollte ausgerechnet die DDR diese Frage beantworten und nicht die Chinesen oder Japaner? Für den Untergang der DDR halte ich die Frage nach der Erkennbarkeit der Welt für irrelevant und im übrigen die Frage sogar für richtig beantworten, was allerdings eine Glaubensfrage ist.

 

Marx 1844 und das Gattungswesen des Menschen

Den von mir vorgeschlagenen Schnitt durch die Literatur von Marx und Engels im Jahre 1859 habe ich bereits begründet. Die vor dieser Zäsur erschienenen Werke sind nicht mehr praxisrelevant. Das ist die Begründung. Speziell zum Gattungswesen des Menschen beruhen die Marx‘schen Ausführungen auf keiner naturwissenschaftlichen Forschung. Deshalb müssen wir Marxisten uns auch nicht mehr damit befassen. Ich möchte das nun auch nicht mehr tun und es Herrn Albrecht überlassen, Marx‘ Ausführungen zustimmend oder ablehnend zu kommentieren.


Die Überwindung des Kapitalismus bleibt eine Gesellschaftsutopie, solange die „progressiven Gutmenschen“ eine verschwindende Minderheit darstellen

Die Aussage mag stimmen, auch wenn es keinen direkten Zusammenhang zwischen der Anzahl der Marxisten und der Überwindung des Kapitalismus gibt. Auf jeden Fall müssen die ersten Marxisten, die diesem Aufsatz zustimmen, dafür sorgen, dass sich die Anzahl der modernen Marxisten in Deutschland rasch wieder erhöht. Sodann müssen die ersten örtlichen und überörtlichen Vereinigungen der Meerweg-Marxisten gegründet werden, schließlich dann die erste Kommune. Es ist noch ein weiter Weg bis hin zur ersten Gutmenschengesellschaft unter nochkapitalistischen Bedingungen. Wir wollen ihn aber möglichst gemeinsam mit den Gutmenschen beschreiten, die von Prof. Albrecht repräsentiert werden.

 

Zwei konkurrierende Gesellschaftsutopien

Eine qualitative Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse über den Kapitalismus hinaus wird von Professor Albrecht als Utopie bezeichnet. Er  hält demnach die Beibehaltung der gegenwärtig bestehenden Ausbeuterordnung für realistisch. In Wirklichkeit ist gerade das eine Utopie, und eine weitere auch qualitative Verbesserung  der Gesellschaft folgt „gesetzmäßig“ aus der Bewegung der objektiven Widersprüche dieser Gesellschaft.

Das für unsere Kenntnis von den dem kapitalistischen System innewohnenden Widersprüchen wichtigste ökonomische Gesetz hat Karl Marx in seinem Hauptwerk „Das Kapital“ herausgearbeitet, und zwar in dessen drittem  Band,  der erst nach Marx‘ Tod aus seinem Nachlass von Friedrich Engels herausgebracht wurde. Wir haben es hier also mit dem absoluten Vermächtnis der Klassiker des Marxismus zu tun, mit dem besten vom Besten, das sie gemeinsam für die Menschheit geleistet haben. Dies nun ist das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate, aus dem sich die Krisenhaftigkeit der kapitalistischen Wirtschaft herleitet und das durch nichts anderes als durch  eine zentrale Planung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung wirkungslos gemacht werden könnte.

Im letzteren Fall hätten wir vielleicht noch Kapitalisten, aber sie ständen nicht mehr über der Gesellschaft und dem Staat. Dann hätten wir also bereits eine andere, eine qualitativ bessere Gesellschaft. Das wäre dann ein „Demokratischer Kapitalismus“, der diesen Namen auch verdient. Und es wäre ebenfalls eine „Soziale Marktwirtschaft“ die nicht mehr das Streben einiger Weniger nach Maximalprofit, sondern das Wohl des Volkes auf ihre Fahnen schreibt, also eine Soziale Marktwirtschaft, die erstmalig in der Geschichte diesen Namen zurecht tragen würde.

Karl Marx war sich der herausragenden Bedeutung des Gesetzes voll bewusst. Er schreibt:

„Es ist dies in jeder Beziehung das wichtigste Gesetz der modernen politischen Ökonomie und das wesentlichste, um die schwierigen Verhältnisse zu verstehen. Es ist vom historischen Standpunkt aus das wichtigste Gesetz. Es ist ein Gesetz, das trotz seiner Einfachheit bisher nie begriffen und noch weniger bewusst ausgesprochen worden ist.“( Karl Marx, Grundrisse der politischen Ökonomie, in: Marx – Engels  Werke, Bd. 42, S. 641, Berlin/DDR ab 1956 ff.)

In der Freien Enzyklopädie Wikipedia wird ein längerer Artikel über das „Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate“ wie folgt eingeleitet:

„Unter dem Gesetz … versteht man ein zentrales marxistisches Theorem, das Karl Marx im 3. Band seines Hauptwerkes, Das Kapital entwickelt hat. Es sagt aus, dass in der kapitalistischen Wirtschaft gesetzmäßig, also aufgrund von Eigenschaften der kapitalistischen Wirtschaft selbst, eine Tendenz zur Verringerung der Profitrate im gesellschaftlichen Durchschnitt bestehe. … Nach Marx ist es die Logik des Kapitals selbst, die zu diesem Gesetz führt und dass sich nicht trotz, sondern wegen des technischen Fortschritts ergibt.“

In der eigentlichen Abhandlung wird dazu noch ausgeführt: „Der Fall der Profitrate kann als Ursache für periodisch wiederkehrende Krisen, als langfristige Tendenz und schließlich als Tendenz angesehen werden, die mit den Krisen in Wechselwirkung steht. … Voraussetzung für den Fall der Profitrate ist, dass die Produktion industriell und mit Hilfe von Maschinerie erfolgt.  … Marx unterstellt, dass die neuen Verfahren mit mehr Maschineneinsatz kostspieliger als die ersetzten sind und deshalb eine höhere Produktion und deren Absatz erfordern. … Der ausschlaggebende Grund für den tendenziellen Fall besteht darin, dass die Versuche, die Mehrwertproduktion zu erhöhen, mit einer tendenziellen Abnahme des variablen Kapitals (das heißt des Kapitalanteils, der in Arbeitskraft investiert wird) gegenüber dem konstanten Kapital einhergehen (der marxsche  Ausdruck dafür ist ‚Erhöhung der organischen Zusammensetzung des Kapitals‘). Da die ‚freie‘ Lohnarbeit nach Marx die einzige Quelle des Mehrwerts darstellt – die Lohnarbeiter verkaufen ihre Arbeitskraft zu ihrem Wert, werden aber gezwungen, im Arbeitsprozess länger oder mehr als diesem Wert entsprechend zu arbeiten – wird sich dadurch die Profitrate auf Dauer verringern … die Anzahl der Unternehmen nimmt laufend ab, die Arbeitslosigkeit steigt usw.“

Die hier vorgenommene starke Kürzung des Wikipedia-Textes führt zu unzulässigen Vereinfachungen des Problems. Die Leser sollten hier nur grob über die Problematik informiert werden, sollten aber den Wikipedia-Text ungekürzt und sorgfältig durcharbeiten, um zu dieser Frage wirklich sachkundig zu werden. Für uns Marxisten geht es aber nicht nur um die Aneignung der Theorie, also des Gesetzes selbst, sondern vor allem um dessen praktische Wirksamkeit, also das tendenzielle Verhalten der Profitraten einzelner moderner Industrieländer, Industrieregionen usw. in Geschichte, Gegenwart und absehbarer Zukunft. Da dieses ja nach Marx das wichtigste ökonomische Gesetz in der Geschichte ist, hängt von den sozialen Auswirkungen dieses Gesetzes in Form von Krisen, Depressionen tendenziell anwachsender Arbeitslosigkeit und imperialistischen Kriegen das künftige Schicksal der Menschheit bzw. erst einmal der Länder der westlichen Welt ab.

Der Verfasser dieses Aufsatzes wurde zum ersten Mal vor über 35 Jahren konkret mit dem Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate konfrontiert, als dem noch relativ jungen Wissenschaftler durch den renommierten Professor Alfred Lemmnitz eine Studie von ca. 35 Seiten zu Lesen gegeben wurde, die dieser ehemalige Minister für Volksbildung der DDR aus eigenem Antrieb erarbeitet hatte.  Es war ein maschinengeschriebenes, unveröffentlichtes Manuskript, das ich sofort in dem Lesesaal, in dem wir uns beide befanden, durchgelesen habe. Professor Lemmnitz kannte meinen Namen, weil ich bei der letzten Bundestagswahl zuvor im verschlossenen Umschlag die beste Prognose von etwa 100 teilnehmenden Wissenschaftlern abgegeben hatte, was hernach allen Teilnehmern, auch ihm also, bekannt gegeben wurde. Die Studie war mit Zahlenreihen gespickt und enthielt hauptsächlich eine Prognose der Wirtschaftsentwicklung Japans auf der Grundlage der längerfristigen Entwicklung der gesamtindustriellen Profitrate. Professor Lemmnitz hatte das marxsche Gesetz ihres tendenziellen Falls seiner Analyse zugrundegelegt und prognostizierte am Schluss seiner Studie ein Zurückgehen des japanischen Wirtschaftswachtums auf ein Niveau, das unter dem der anderen kapitalistischen Industrieländer liegen und dort verharren würde. Der qualitative Umschlag sollte im Verlauf der 1980er Jahre eintreten. Ich konnte die Arbeit von Professor Lemmnitz damals nur bewundern, konnte ihm inhaltlich aber weder beipflichten noch ihm gar widersprechen.

Professor Lemmnitz‘ Prognose ist dann tatsächlich eingetreten, zwar erst ganz am Ende der von ihm prognostizierten Zeitspanne, dafür aber mit umso größerer Wucht. Am 29.Dezember 1989 fiel der Nikkei, die japanische Währung, ins Bodenlose. Es folgten die große japanische Depression, die zwei „verlorenen Jahrzehnte“ der japanischen Wirtschaft. Im Jahre 2010 wurde Japan als lange Zeit zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt von der Volksrepublik China überholt.

Wir marxistischen Intellektuellen des 21. Jahrhunderts wollen im Geiste von Alfred Lemmnitz künftig die tendenzielle Entwicklung aller Industrieländer der Welt seit dem Todesjahr von Friedrich Engels bis zur jeweils aktuellen Gegenwart anhand der Berechnung der gesamtwirtschaftlichen Profitrate analysieren und veröffentlichen. Das ist relativ einfache Statistik, dafür braucht man nicht unbedingt Ökonomie zu studieren. Wir wollen das Problem also mit vereinten Kräften angehen und aus den „harten Fakten“ aufzeigen, wie das marxsche Gesetz in der Praxis wirkt. Von einer  Internetkommunity sollen dann die Ergebnisse zusammengeführt und von den besten marxistischen Wissenschaftlern öffentlich ausgewertet werden. Es ist ja das Wesen dieses Marxschen Gesetzes, dass das kapitalistische System seinetwegen an seine Schranken stoßen wird, dass die miteinander „frei konkurrierenden“ Kapitalisten diese Schranke nicht ohne die Unterstützung durch eine gesamtgesellschaftliche Planung und Kontrolle überwinden können.

Übrigens soll auch für die realsozialistischen Länder untersucht werden, ob nicht dasselbe ökonomische Gesetz sie zum selben Zeitpunkt wie Japan an eine Schranke ihres Wirtschaftswachstums geführt hat. Um dieses zu leisten, muss man den analogen wirtschaftlichen Kategorien zunächst nur denselben Namen geben. Man bezeichnet also die Lohnsumme der Industriearbeiter und Industrieangestellten als variables Kapital, die Summe der Industrieinvestitionen als fixes Kapital, beides zusammen als Kapital und die Mehreinnahmen des Staates aus dem Verkauf sämtlicher Industrieprodukte als Profit. Nun lässt sich die Profitrate von Jahr zu Jahr und daraus eine steigende oder fallende Tendenz dieser Profitrate herleiten. Es könnte sich dabei zeigen, dass der real existierende Sozialismus ökonomisch an demselben Gesetz gescheitert ist, an dem der Kapitalismus künftig noch scheitern wird.

Gegen diese Herangehensweise wird eingewandt werden, dass ja im Kapitalismus eben die Privateigentümer der Produktionsmittel die Profitmacher sind, während sich im Sozialismus der Staat die Ergebnisse der Produktion aneignet und sie umverteilt. Der Staat sei ja nicht an Extraprofiten oder Maximalprofiten interessiert. Darum wird der sozialistische Staat die organische Zusammensetzung des Kapitals sicherlich nicht im gleichen Maße erhöhen, wie es die privaten Kapitalisten unter dem Zwang der Konkurrenz tun. Der wissenschaftlich-technische Fortschritt erzeugt also keine Arbeitslosigkeit. Das ist aber gerade die realsozialistische Milchmädchen-Argumentation. Wenn nämlich kein Anreiz vorhanden ist, hohe staatliche Einnahmen aus der Industrieproduktion zu erwirtschaften, dann sind die „Profite“ des Staates als dem Eigentümer der Produktionsmittel  niedrig, und es fehlen die Mittel, um den technischen Fortschritt zu beschleunigen. Die organische Zusammensetzung des „Kapitals“, das in Form von Arbeitslohn und einer moderneren Maschinerie, einsetzbar ist, sinkt unter diejenige vergleichbarer kapitalistischer Staaten, und die Arbeitsproduktivität steigt ebenfalls weniger. Die sozialistische Wirtschaft gerät immer mehr in Rückstand, und wenn nun auch noch die Rate der Erhöhung der staatlichen Einnahmen aus dem Verkauf der Industrieprodukte sinkt, dann wird „gesetzmäßig“ eine Schranke der realsozialistischen Wirtschaftsentwicklung erreicht. Die ganze zentrale Wirtschaftsplanung  hat am Ende überhaupt nichts genützt, weil versäumt wurde, das überhaupt Wichtigste zu planen und zu realisieren, nämlich die jährlichen Einnahmen des Staates aus der materiellen Produktion, die man in der Privatwirtschaft Profite nennt.

Was nun aber wieder die absehbare Entwicklung der kapitalistischen Profitwirtschaft betrifft, so ist die tendenziell sinkende Profitrate nicht ihr einziges Problem. Hinzu kommen die bereits grenzwertig hohe Staatsverschuldung und die Verschuldung der Konsumenten und der Hauseigentümer. Sodann wird die demographische  Entwicklung, das Älterwerden der Bevölkerung, zum Problem. Dies erzwingt die immer stärkere Einbeziehung der Frauen in die Berufstätigkeit und dies wiederum stärkt den Anspruch der Frauen, an der demokratischen Willensbildung entscheidend mi tzuwirken. Der Führungsanspruch der alten männlichen Eliten wird von demokratischen Prozessen hinweggefegt.

Die hochbelastete Umwelt fordert einen zunehmenden Kapitaleinsatz, zum Beispiel der Wassermangel  in Gebieten mit noch stark anwachsender Bevölkerung. Das nach dem Zusammenbruch der Realsozialismus wiederangeheizte Wettrüsten erhöht die Gefahr eines kriegerischen Infernos von biblischer Dimension. Aber sogar, wenn zur weltweiten Abrüstung übergegangen würde, wären die sozialen Kosten und die Umweltbelastungen auch dafür gigantisch.

Aus allen diesen Gründen würde eine mit der Oktoberrevolution vergleichbare soziale Revolution heute mit viel zu hohen sozialen Kosten verbunden sein. Es gibt für die Menschheit keinen anderen Weg in eine bessere Zukunft als auf politisch-demokratischem Wege der Vernunft zum Durchbruch zu verhelfen und als erste Maßnahme alle grenzüberschreitenden Militäraktionen der Supermächte und überhaupt der Atommächte zu unterbinden. Ihnen darf nur noch die Selbstverteidigung erlaubt werden, aber nicht im Falle eines Terroranschlags, sondern wirklich nur eines militärischen Angriffs.

In allen übrigen Fällen muss der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für Frieden sorgen und darf nie wieder einem Aggressor seine Beute überlassen, weil das der stärkste Anreiz für neue Kriege wäre. Von vorgenannten Prinzipien sollen sich die Marxisten des 21. Jahrhunderts in ihrer Weltanschauung leiten lassen und dazu mit allen anderen Gutmenschen nachhaltig zusammenarbeiten.

 

Jürgen Albrecht, 08. Mai 2012
update: 19.05.2013

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