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SILVESTER
IM JAHR DES BÜFFELS

07. Februar 1997, Freitag, Hanoi

 

Gestern gegen 21:30 kam Van, um uns abzuholen. 'Wir haben viel Zeit und gehen erst mal in einige Tempel. Aber wenige Minuten nach Mitternacht müssen wir bei meiner Familie sein: Der erste Gast des Neuen Jahres ist ganz wichtig für das ganze kommende Jahr!' erklärt er uns. Es hat eine positive und magische Bedeutung, wenn der erste Gast im Neuen Jahr 'reich und von hoher Stellung' ist und diese Wirkung hält für das ganze Jahr an.

Wir laufen durch die Stadt ich Richtung Hoan Kiem See. Viele Leute sind unterwegs, die Straßen sind voller Mopedfahrer, viele mit Luftballons. Wer in Hanoi ein Moped oder ein Motorrad besitzt, der ist jetzt mit seiner Maschine auf der Straße. Viele Menschen laufen auch um den See, dort hängen die Bäume voller bunter Lampen und auch Straßen und Brücken sind illuminiert. Ganz nahe an der großen katholischen Kirche befindet sich eine Pagode mit einem unscheinbaren Eingang. Hier hat auch die Hochschule für Buddhismus ihren Sitz.

Buddha Statuen in verschiedenen Größen auf drei Stufen hintereinander. Räucherstäbchen in vielen Variationen, die Luft ist blau. Viele Menschen im Tempel, Blumen, Essen und Geldbündel als Opfergaben. In einem offenen Feuer werden Zettel mit Wünschen verbrannt und so in den Himmel transportiert. Ruhe. Außer gemurmelten Gebeten ist alles still. Erst nach Mitternacht geht man in den Tempel, dann ist großer Andrang.

Im Hof steht eine Säule vor der Hochschule. Sie trägt nur ein Zeichen. Van zeigt darauf uns sagt: 'Es bedeutet Nichts, gleichzeitig aber auch Alles. ALLES ist NICHTS.'

Wir gehen in Richtung See und Altstadt. Verkrüppelte Kinder und Erwachsene liegen auf der Straße zwischen den in ihren besten Kleidern flanierenden Menschen. Bettler, die ihre Kinder wieder zu Bettlern machen.

Über die illuminierte Holzbrücke gehen wir in die Schildkröten Pagode Ngoc Son. Viele Menschen auch hier. Am Eingang muß bezahlt werden. Van regelt das. Van betet auch in diesem Tempel und als wir wieder draußen vor der Brücke sind, muß er zu einer auf einem kleinen Hügel stehenden Säule. Als er wieder zurück kommt meint er: 'Meinem Vater soll es gut gehen, ich habe ihm gerade viel Geld geschickt!' Sein Vater ist vor fünf Jahren gestorben.

Langsam gehen wir zurück zu unserem Hotel, wo wir unsere Blumen deponiert haben. Es ist genau Mitternacht, als wir an der Rezeption stehen. Happy New Year!! Kurz danach laufen wir zu Van's Wohnung, es sind nur zwei Querstraßen.

Auf dem Weg dorthin sehen wir: Fast vor jeder Tür steht ein kleiner Altar und die Familie betet davor. Wir machen Fotos, wenn es die Leute erlauben, allerdings meistens ohne die betenden Menschen. So gibt es jetzt ca. 15 Fotos von den verschiedenen Altären, die jedes Jahr nur eine halbe Stunde existieren: Sie werden gleich nach der Zeremonie verbrannt, damit die vielen Wünsche schnell in den Himmel kommen!

Bei Van's Haus angekommen, werden wir von seiner Mutter und einem Onkel im Hof begrüßt. Der Dame des Hauses überreichen wir unsere Blumen. Sie schenkt sie ihren beiden Kindern. Begrüßung, gute Wünsche in vietnamesisch und deutsch. Wir setzen uns, im Hintergrund ist Bewegung vor den kleinen Altären im Haus. Dann kommt Van und fragt, ob wir seinen Familienaltar fotografieren können, er möchte gerne ein Foto davon haben. Früchte, Blumen, Bilder der Verstorbenen, Kerzen. Wir machen Fotos.

Anschließend lädt uns Van ein, mit auf das Dach zu kommen. Hier oben gibt es einen kleinen Garten, 1,5 x 2 Meter, und heute ist hier ein Altar aufgebaut. Dächer, der bedeckte Nachthimmel (der Altar muß unter dem freien Himmel stehen), Ruhe.

Eine Stimmung, die sofort die Emotionen anspricht. Räucherstäbchen werden angezündet, Gebete, auf Papier geschrieben, liegen auf dem Altar. Van betet mit seiner Tochter, die Gebete spricht. Wir stehen daneben und falten auch die Hände nach Art der Buddhisten vor der Brust, wünschen dieser Familie ein glückliches Jahr. Ein bewegender Augenblick über den Dächern von Hanoi, unter dem dunklen, bedeckten Himmel.

Dann setzen wir uns unten in der Wohnküche an den Tisch. Eine besondere Speise muß heute gegessen werden: roter 'Klebereis' (nicht unbedingt mein Geschmack). Es wird gegessen und über die Zukunft geredet. Van sieht seine entscheidende Aufgabe in diesem Jahr darin, alles für die Ausbildung seiner beiden Kinder zu tun. Alle anderen Dinge haben nicht diesen Stellenwert. Gegen zwei Uhr verabschieden wir uns. Van fragt, ob wir nach Hause finden. Er darf jetzt nicht sein Haus verlassen, das würden die Geister übelnehmen.

 

03. September 2002

 

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