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Der Mauerfall ist kein Thema mehr
   

 

Kein Thema mehr

Der Mauerfall ist neunzehn Jahre danach kein Thema mehr. Der Fall der Berliner Mauer und die Wiedervereinigung sind Geschichte. Andere Themen dominieren die Medien: Die akute Finanzkrise und die beginnende Weltwirtschaftskrise, der vom Nahen Osten ausgehende Terrorismus und die damit verbundenen Einschränkungen der bürgerlichen Freiheiten, der Niedergang Amerikas in der Ära Bush und die Wahl von Obama als nächstem US-Presidenten, die Kriege im Irak und in Afghanistan und nicht zuletzt der bereits spürbare Klimawandel. Die Welt hat akzeptiert, dass Deutschland wiedervereinigt ist und eine starke Rolle in der Europäischen Union spielt. Auch die Deutschen selber haben das Thema Wiedervereinigung abgehakt.

 

Es ist nicht zusammengewachsen, was zusammen gehört

Das bedeutet allerdings überhaupt nicht, dass inzwischen zusammengewachsen ist, was zusammen gehört. Nach wie vor gibt es deutliche Unterschiede zwischen den alten und den neuen Bundesländern. Gehälter, Löhne und Renten sind in den neuen Ländern niedriger, als in den alten, obwohl die Preise gleich sind. Das Eigentum, das Vermögen und der Reichtum sind in der alten Bundesrepublik zu Hause. Die Arbeitslosigkeit ist im Osten doppelt so hoch, wie im Westen. Die Armen und die Masse der Sozialhilfeempfänger wohnen im Osten. Der Osten Deutschlands blutet aus. Die Jungen und die Cleveren ziehen nach Baden-Württemberg, Bayern oder nach Niedersachsen, wo die Lebens- und Karriereaussichten deutlich besser sind, als in Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern. Trotz dieser deutlichen Unterschiede in der Lebensqualität gibt es keinen Aufstand des Ostens gegen den Westen. Beide Seiten fügen sich in die Gegebenheiten. Langsam ist allen klar geworden, dass die Politiker zwar viel von Gerechtigkeit reden, dass es sie aber im wahren Leben nicht gibt. Die Wohlstandsunterschiede sind wie die kulturellen Eigenheiten in den letzten zweitausend Jahren gewachsen. Es war und ist Illusion darauf zu hoffen, dass sich alles mit Kohls 'blühenden Landschaften' in wenigen Jahren nivelliert.

Die politische Landschaft Deutschlands hat sich seit der Wende stark verändert. Im Osten deutlich mehr, als im Westen. Die grossen Volksparteien SPD und CDU verlieren ihre Stammwähler. Die Grünen haben sich als Partei etabliert und aus der PDS ist im vergangenen Jahr Die Linke geworden. Im Osten ist die PDS schon seit Anfang der 90-er Jahre hoffähig und als Koalitionspartner in fast allen Bundesländern an der Regierung beteiligt. Im Westen sind Die Linken das rote Tuch der etablierten Parteien. Für die Konservativen und Liberalen sowieso, aber auch und gerade für die SPD, weil der abtrünnige Lafontaine es geschafft hat, Die Linke zu vereinigen und schlagkräftig zu formieren. Bei allen Wahlen dieses Jahres sind die Linken in westdeutsche Länderparlamente eingezogen. Für Wessis scheint das schwerer erträglich zu sein, als die ehemaligen Wahlerfolge der Neonazis. Andrea Dilettanti hat gerade erfolglos versucht, in Hessen eine SPD-Regierung mit Duldung Der Linken zu installieren. Ein Aufschrei ging durch Westdeutschland. Grosses Aufatmen, dass dieser Versuch gescheitert ist, weil Ypsilanti dilettantische Fehler gemacht hat. Dabei ist unabwendbar, dass Die Linke früher oder später auch an westdeutschen Landesregierungen beteiligt sein wird. Es ist unvernünftig, die einfachste Wahlarithmetik spricht dagegen, dass sich die SPD kategorisch dagegen sträubt, mit Der Linken nach der Bundestagswahl 2009 auch auf Bundesebene zu koalieren. Das hängt offenbar nur mit Lafontaine zusammen, der für viele Sozialdemokraten ein Brechmittel ist.

 

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Politische Fehler der Wiedervereinigung

Die Situation der ehemaligen DDR-Bürger im wiedervereinigten Deutschland hat sich stabilisiert. Die Wehen der Anfangszeit, wo alles neu gelernt werden musste, sind überwunden. Man hat sich mit dem neuen Staat arrangiert. Der Wohlstand, auch der Sozialhilfeempfänger, ist so gross, dass niemand auf die Barrikaden geht. Ich weine der DDR keine Träne nach. Trotzdem halte ich es immer noch für einen der grössten Fehler der Wiedervereinigung, dass man nicht einige Systemvorteile der DDR für die Bundesrepublik übernommen hat. Das betrifft zuallererst das Bildungswesen. Das föderale Bildungswesen der Bundesrepublik ist hoffnungslos veraltet und nicht auf die durch Technik und Naturwissenschaften dominierte, globalisierte Gesellschaft ausgerichtet. Finnland hat viel vom Bildungswesen der DDR gelernt, die Bundesrepublik nichts. Das marktwirtschaftliche organisierte Gesundheitswesen ist entsetzlich teuer, aber nicht leistungsfähig. Mit dem Gesundheitsfonds kommt auf die gesetzlich Versicherten ab Januar 2009 ein Rekordbeitragssatz von 15,5 Prozent zu. Damit wird die Krankenversicherung für 90 Prozent von ihnen teurer, und zwar im Durchschnitt um 100 Euro im Jahr. Es ist pervers, mit der Gesundheit Geschäfte zu machen.

 

Kurzfristige Politik - Der entscheidende Systemfehler

Dass dieser Staat keine Vision besitzt und sich keine langfristigen Ziele setzt, aber stellt die grösste Schwäche der pluralistischen Demokratie dar. Kommunisten und Sozialisten hatten eine (utopische) Vision und dachten langfristig, der Kapitalismus kennt nur kurzfristige Ziele. Die alleinige Fixierung auf Macht, Profit und Geld entspricht zwar der gierigen, menschlichen Veranlagung, ist aber die eigentliche Ursache dafür, dass die Politik globale Widersprüche und langfristige Entwicklungen einfach nicht wahrnimmt. Das kann nur an den Baum gehen. Die Reaktionen der Staatengemeinschaft auf den bereits einsetzenden Klimawandel sind das beste Beispiel dafür. Die Menschheit reagiert darauf so, wie sie schon in der steinzeitlichen Höhle reagiert hat: Erst die Haut aus der unmittelbaren Gefahr retten, an Morgen werden wir morgen denken ... vielleicht!

 

Keine marxistischen Rezepte

Ausgelöst durch Profitgier und Spekulationen von 'Investoren' und Banken sind wir in den letzten Wochen offenbar nur knapp am Zusammenbruch des weltweiten Zahlungsverkehrs vorbeigeschrammt. Die Finanzkrise offenbart die Schwächen des kapitalistischen Wirtschaftssystems: Der Staat, die Weltgemeinschaft, hat keine Kontrolle über die Banken. Profit entsteht nicht mehr nur durch Wertschöpfung, sondern immer mehr allein durch Spekulation. Die Börse 'spielt' mit dem zehnfachen Wert des BIP. Die Banker spekulieren mit Geld, das ihnen nicht gehört und werden erfolgsabhängig entlohnt. Jetzt genau wäre die Stunde der Marxisten, die sich bei Marx, Engels, Lenin und Stalin die Rezepte zur Bewältigung der Finanzkrise und der beginnenden globalen Rezession holen könnten. Aber davon ist bei Der Linken keine Rede. Auch Lafontaine und Gysi halten sich auffällig mit marxistischen Ratschlägen zurück. Sie fordern nicht einmal die Verstaatlichung der Banken! Erstaunlich, wie wenig Die Linke ihrem ideologischen Überbau vertraut. Ihr Gerede von Gleichheit, Brüderlichkeit und Gerechtigkeit ist nur Wahlpropaganda.

Geld zur Rettung der Banken

 

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DAX am 24.10.2008

 

Dax am 07.11.2008
DAX am 07.11.2008

 

 

Boris Becker & Co

In der vorigen Woche war noch von Heirat die Rede, jetzt hat Boris Becker seine neue Freundin schon wieder verlassen. In Deutschland fehlen 40.000 Ingenieure. Nacktscanner auf Flughäfen erregen die Nation. Reich-Ranicki kritisiert die Qualität des Fernsehens, hat aber selber jahrelang mitgemacht. In Großbritannien ist nun offiziell die Forschung mit embryonalen Chimeren erlaubt. ARD und ZDF steigen aus der Übertragung der Tour de France wegen des Dopings im Radsport aus. Streit um die Elbphilharmonie in Hamburg – sie wird zu teuer.  Russland hat angekündigt, Kurzstreckenraketen in der russischen Exklave Kaliningrad zu stationieren, um den geplanten US-Raketenschild in Osteuropa zu ‚neutralisieren‘. Auf den Händen von Frauen tummeln sich deutlich mehr Bakterienarten als auf Männerhänden. Fast 32 Millionen Verbraucher werden nach Angaben des BVH im Jahr 2008 Waren und Dienstleitungen im Internet kaufen. Drei von vier weihnachtlichen Lichterketten weisen nach einem Test des TÜV Rheinland teilweise gravierende Sicherheitsmängel auf. Das alles ist viel wichtiger, als der Mauerfall vor neunzehn Jahren.

 

Jürgen Albrecht, 07. November 2008
update: 15.11.2008

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