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Bilder aus Ostfriesland 3/3

 

 

Ruhe in Neßmersiel
Nach Neßmersiel pustet mich auf meinem Fahrrad der Wind, aber wie komme ich wieder zurück? Hier ist nicht viel zu sehen, genau deswegen wollte ich hier her: Wenige Strandkörbe, kein Campingplatz, kein Rummel. Ganz im Gegensatz zu Dornumersiel, wo sich die Motorhomes und Campinganhänger auf engstem Raum zusammendrängen. In Neßmersiel fährt das Schiff nach Baltrum ab, aber sehr unregelmässig, denn die Fährverbindung ist (wie zur Insel Juist von Norddeich aus) von der Tide abhängig. Da läuft man doch besser schnell mal rüber. Von hier aus ist es gar nicht weit bis zur Insel Baltrum und der ganz flachen Ostspitze der Insel Norderney.


Neßmersiel und im Hintergrund die Insel Norderney


Starker Wind und Regenschauer am Hafen von Neßmersie


Viel Spass beim Camping in Dornumersiel ...

 

Trubel in Greetsiel
Greetsiel ist bunt, chic, lebendig und teuer. Es war einmal ein kleines Fischerdorf an der Westküste von Ostfriesland ... Bei verheerenden Sturmfluten im Mittelalter wurden viele Quadratkilometer Land ins Meer gerissen und die Leybucht entstand. Das Leben an der Küste war nur möglich, wenn ein grosser Teil der Arbeitskraft für den Ausbau der Deiche und für die Befestigung der Häfen und Siele (Deichtore) aufgewendet wurde. Davon ist in dem schmucken, ehemaligen Fischerdorf heute nicht mehr viel zu merken. Hier haben sich Künstler, Gastwirte und Souvenirhändler niedergelassen, die vom Geld der durchreisenden Touristen ganz offensichtlich gut leben können. Schon auf dem Parkplatz ist als Mindestbetrag 1,50 Euro in den Automaten einzuwerfen. Damit ist gesichert, dass jeder Besucher wenigstens einen Tee hier trinkt: 4,20 Euro kostet eine grosse Kanne Ostfriesentee auf Stövchen und 4,00 Euro ein Stück Nusskuchen mit Sahne bei 'Is Teetied'. Eine Goldgrube. Jetzt ist Saison und jetzt muss man zulangen, dann kommt man wesentlich besser über den immer noch harten Winter (ohne Touristen ...), als die Moorbauern.
Aber in Greetsiel ist auch noch eine grosse Krabbenkutterflotte stationiert. Und auch die Fischer sind nicht mehr nur Fischer, sie sind Unternehmer geworden. Sie kämpfen mit den Brüsseler Bürokraten um Fangquoten und Subventionen und sie fahren auch mal mit ihrem Kutter Touristen zum Hochseeangeln raus. Alles nur eine Frage, mit wieviel Kohle sich ein Fischer (natürlich widerwillig) dazu breit schlagen lässt. Die ruhige Landschaft, beispielsweise um den Pilsumer Leuchtturm, entschädigt für den touristischen Rummel im ehemaligen Fischerdorf.


Der Pilsumer Leuchtturm auf dem Deich


Die Marsch vor Greetsiel


Der Hafen von Greetsiel

 

Facit
Es ist längst nicht alles gesagt. Kein Wort über das nahe Groningen, nichts über das Organeum in Weener, nichts über die Ostfriesischen Inseln und nichts über die Tatsache, dass in Ostfriesland die Sonne am Abend 31 Minuten länger scheint, als in Berlin. Also: Wer in Berlin auf der U-Bahn für vier Stationen zwei Euro bezahlen kann, wer zu Quartalsbeginn seine Ärzte mit je 10 Euro bei Laune hält, wer in der Lage ist, nur für die Gläser einer neuen Brille 134,70 Euro auf den Ladentisch zu legen, wer sich vor den Wahlgeschenken der Parteien in Sicherheit bringen möchte und wer dem Feinstaub in den Innenstädten entgehen will - der sollte nach Ostfriesland fahren, sich ein Fahrrad mieten und Tee trinken.

 

 

Jürgen Albrecht, 23. Juli 2005

Alle Bilder wurden mit Canon PowerShot S60 fotografiert.

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