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Der zweite Hauptsatz der Wärmelehre

 

 

 

Vorbemerkung

Die Hauptsätze der Wärmelehre haben mich immer fasziniert. Diese Naturgesetze wurden vor rund 150 Jahren entdeckt und sie beschreiben u.a., wie und warum Dampfmaschinen funktionieren. Sie sind die Grundlage der Thermodynamik (Wärmelehre), gleichzeitig aber besitzen sie fundamentale Auswirkungen auf unser naturwissenschaftliches Weltbild.

Gestern finde ich ein Buch in meinem Briefkasten: David Daudrich, Der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik und seine Macht, (2002) Emsdetten, First-Minute-Taschenbuch-Verlag, ISBN 3-932 805-33-X. Herr Dr.-Ing. David Daudrich hat mir kommentarlos und unaufgefordert sein Buch zugeschickt. Es gibt endlos viel Literatur über die Richtigkeit und die Bedeutung der Hauptsätze der Thermodynamik. Daudrich aber stellt Teile des Zweiten Hauptsatzes in Frage und ist damit ziemlich alleine.

Ich teile seine Kritik und glaube, dass ich ein paar weitere Argumente zu dieser Kritik beisteuern kann.

 

Die Hauptsätze der Wärmelehre

Wikipedia beschreibt diese Hauptsätze detailliert. Hier die kürzeste (populäre) Darstellung:

0. Hauptsatz: Das thermische Gleichgewicht ist transitiv.
1. Hauptsatz: Man kann weder Energie gewinnen, noch verlieren.
2. Hauptsatz: Die Energie strebt nach einem Potentialausgleich (Wärmetod).
3. Hauptsatz: Der absolute Nullpunkt der Temperatur ist unerreichbar.

Der 2. Hauptsatz führt zu weiteren, ganz wesentlichen Aussagen:

  • Wärme kann nicht von selbst von einem Körper niedriger Temperatur auf einen Körper höherer Temperatur übergehen.
  • Es gibt keine Maschine, die Wärme vollständig in andere Energie umwandeln kann.
  • Die Entropie (Unordnung) nimmt stetig zu.
  • Thermodynamische Prozesse sind irreversibel.
  • Die Existenz eines Perpetuum Mobile erster und zweiter Art ist ausgeschlossen.

 

Daudrich's Kritik

Daudrich beschäftigt sich besonders mit dem Wärmetod und dem Perpetuum Mobile. Er ist der Auffassung, dass es den Wärmetod nicht geben wird und Perpetuum Mobiles der zweiten Art auf unserer Erde funktionieren. Er begründet seine Kritik detailliert und zitiert viele Literaturstellen, die seine Aussagen stützen. Hier eine Kurzfassung:

 

Der Wärmetod
Mindestens zwei Aspekte des 2. Hauptsatzes lassen auf den Wärmetod schliessen: Die Entropie verläuft nur in die Richtung der grösseren Unordnung und gleichzeitig besitzt die Energie die Tendenz, alle Potentiale auszugleichen. Überträgt man dieses naturgesetzliche Verhalten, das in thermodynamischen Systemen eindeutig zu beobachten ist, auf unsere Umgebung, so gibt es viele Erscheinungen, die ein ähnliches Verhalten zeigen: Grosse Gebirge werden durch die Erosion abgetragen, in die Weltmeere gespült, zu Staub zermahlen und mit dem Wind über alle Kontinente verteilt. In jedem Bach und an jedem Strand ist zu beobachten, dass Kiesel und Sandkörner in Farbe, Material und Grösse so vermischt sind, dass die Mischung der grössten Wahrscheinlichkeit entspricht. Gleichzeitig kann man aber an einem steilen Hang und bei Sandwellen am Strand, die der Wind erzeugt, beobachten, dass Kiesel und Sandkörner fraktioniert werden ...! Schon das widerspricht dem Zweiten Hauptsatz!

Daudrich führt zwei wesentliche Argumente an, die dem Wärmetod widersprechen: Das Leben und das Universum, in dem ständig neue Sterne und Galaxien entstehen, widersprechen der Aussage des totalen Potentialausgleichs. Das Gegenteil ist eher der Fall: Das Universum existiert seit maximal 14 Milliarden Jahren und es sind absolut kein Potentialausgleich, sondern ständige Evolutionsprozesse zu beobachten. Das Leben dürfte nicht existieren, wenn der Zweite Hauptsatz universell gelten würde, denn hier hat die Entropie genau die gegenteilige Tendenz: Maximierung der Ordnung!

Unter 'Thesen zu schwierigen Fragen' habe ich schon 2001 auf diesen Widerspruch hingewiesen:
7. Die unbelebte Natur und das Leben verfolgen gegenläufige Strategien: Unbelebte Natur: Potentielle Energie gleich Null, maximale Entropie. Leben: Unendlicher Stoff- und Energiekreislauf, maximale Komplexität, minimale Entropie.

Vielleicht hat Herr Dr. Daudrich das auf meinem Web gelesen und mir deshalb ungefragt sein Buch geschickt? Danke für das Buch und die faszinierende Anregung!

 

Perpetuum Mobile
Ein Perpetuum Mobile erster Art ist eine Maschine, die ohne Energiezufuhr Arbeit verrichtet. Es ist ziemlich klar, dass aus unserer Perspektive eine solche Maschine nicht existieren kann. Ein Perpetuum Mobile zweiter Art sollte mit einem Wirkungsgrad von 100 Prozent (oder größer) arbeiten und die zu ihrem Betrieb notwendige Energie selbst liefern. Einmal angestossen, läuft eine solche Maschine endlos weiter, abgesehen von Wartung und Reparatur.

Daudrich beschäftigt sich ausführlich mit der Frage nach Perpetuum Mobiles. Und das nicht spitzfindig und weltabgewandt, sondern unter dem Aspekt alternativer Energien. Was, so fragt er, ist ein Hurricane anders als ein Perpetuum Mobile zweiter Art? Was wenn es gelänge, diese ungeheure Energiemenge zeitweilig in elektrischen Strom umzuwandeln? Die Elektroenergie wäre nutzbar, würde aber die Energiebilanz der Erde überhaupt nicht beeinflussen. Das gleiche gilt - und liegt viel näher - bei Gezeitenkraftwerken. Eine Propellerturbine unter Wasser wird durch die Gezeitenströmung angetrieben. Wenn man sie wartet, liefert sie viele Millionen Jahre (temporäre) Energie - so lange, wie die Gezeiten existieren. Die Energiebilanz der Erde wird dadurch nicht berührt, denn ziemlich schnell wird die Elektroenergie wieder in Wärme umgewandelt. Der Prozess der Energieumwandlung wird (quasi mit einem Bypass) nur verzögert. Ein Gezeitenkraftwerk aber ist eindeutig ein Perpetuum Mobile zweiter Art.

Auf der Erde und im Universum sind viele ähnliche Prozesse zu beobachten. Nach Daudrich sind praktisch alle Prozesse, in denen Energie umgewandelt wird, Perpetuum Mobiles, denn dabei geht ja weder Energie verloren, noch entsteht neue Energie (meine Worte!). Eine sehr interessante Interpretation des 1. Hauptsatzes! Aber was spricht gegen diese Auslegung? Nichts.

 

Beschreibung des 2. Hauptsatzes
Sehr interessant an Daudrich's Buch ist die Sammlung verschiedenster Aussagen, mit denen das beschrieben wird, was aus dem Zweiten Hauptsatz folgt. Diese Sammlung liefert exemplarische Beispiele für die prinzipiellen Schwierigkeiten, einen mathematisch eineindeutigen Sachverhalt auch verbal eindeutig zu beschreiben. Daudrich hat Gruppen gebildet und zitiert fünfzig solcher Gruppen! Leider hat Daudrich nicht seine eigene Formulierung dagegen gestellt. Eine Gruppe wurde hier als Beispiel zufällig herausgegriffen:

 

Grenzen menschlicher Erkenntnis

Für mich ist die Diskussion um den Zweiten Hauptsatz deshalb so interessant, weil hier wieder die Grenzen menschlicher Erkenntnis sichtbar werden. Wir Menschen laufen offensichtlich Gefahr, unsere Erkenntnisse zu überschätzen. Ganz deutlich ist mir das bereits bei der Marxistischen Philosophie aufgefallen. Marx und Engels selber (nicht die nachfolgenden Ideologen!) haben ihre philosophischen Überlegungen zu Naturgesetzen erklärt und uns damit fundamentale Irrtümer und gesellschaftliche Experimente mit drei Generationen von Menschen beschert.

Auch bei den Hauptsätzen der Wärmelehre ist der gleiche Fehler zu beobachten: Die Grenzen der Gültigkeit der Erkenntnisse wurden ganz offensichtlich zu weit gespannt. Seltsam, dass diese Tatsache keine direkten Auswirkungen auf die Gesellschaft, wohl aber auf das wissenschaftliche Weltbild hatte und hat. Ich habe mich immer gewundert, dass Marx und Engels die thermodynamischen Hauptsätze ignoriert haben. Wie hätte sich die materialistische Dialektik unter diesem Einfluss verändert?!

Die Kenntnis beider Fehler (und es gibt noch viel mehr davon) sollte uns bescheidener werden lassen. Unsere Erkenntnisse sind relativ und nie das Ganze. Die Quantenphysik zeigt es am deutlichsten:
Unser Wahrnehmungssystem setzt der menschlichen Erkenntnisfähigkeit Grenzen. Damit müssen wir leben und nur darauf können wir unsere Weltbilder aufbauen. 'Es ist offenkundig sinnlos, nach der Natur der Dinge zu fragen, da eine solche Natur, selbst wenn sie existieren sollte, immer jenseits jeder Erfahrung ist.' Anton Zeilinger

 

Facit: Negation der Negation

Mindestens folgende Gründe sprechen dafür, unser Wissen immer wieder in Frage zu stellen:

  • Die Hauptsätze der Wärmelehre gelten (nur?) für ein im thermodynamischen Sinne (!) 'geschlossenes System'. Es ist weder einzusehen noch zu beweisen, warum sich die Erde oder das Universum wie ein geschlossenes, thermodynamisches System verhalten sollte.
  • Es wäre vernünftig, die Hauptsätze bei der Thermodynamik zu belassen, wo sie hingehören, und 'Hauptsätze der Natur' zu erforschen.
  • Da für Menschen die Welt als Ganzes nicht erkennbar ist, sind sie prinzipiell auch nicht in der Lage, die Gesamtheit der 'Hauptsätze der Natur' zu erkennen.
  • Aus der Perspektive des Menschen und der Erde ist nur eingeschränkt auf das Wesen des Ganzen zu schliessen.
  • In der Thermodynamik, der Quantenphysik und wohl generell in der Wirklichkeit, spielen Zufall und Wahrscheinlichkeit eine entscheidende Rolle.
  • Die Komplexität der Natur ist immer grösser, als die menschlichen Erkenntnisse über sie.
  • Die Naturgesetze sind nicht die Natur selbst, sondern menschliche Erkenntnisse.
  • Auch für erkannte Naturgesetze gilt das Gesetz von der Negation der Negation.
  • Es besteht ein qualitativer Unterschied zwischen der mathematischen Formulierung eines Naturgesetzes und seiner verbalen Beschreibung.
  • Die Quantenphysik liefert eindeutige Beweise dafür, dass eine Realität existiert, die mit dem 'gesunden Menschenverstand' nicht zu erfassen ist.
  • Menschen können sich nie darüber hinweg setzen, dass sie prinzipiell nicht in der Lage sind, objektiv wahre Aussagen zu treffen und das Wesen des Ganzen zu erkennen.

 

Links

Wärmelehre bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/

Diskussion Entropie bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org

Perpetuum Mobile bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org

Quantenphysik und eine neue Deutung der Naturgesetze: http://www.geist-oder-materie.de

 

Jürgen Albrecht, 28. Oktober 2005
Update: 05.11.2007

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