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Die freie Enzyklopädie Wikipedia

Hauptseite am 28. Juni 2004

 

 

Wikipedia über Wikipedia

Wikipedia ist ein Projekt zur Erstellung einer Enzyklopädie. Es ist gleichzeitig der Name für im Rahmen dieses Projekts im Aufbau befindlichen Enzyklopädien in zahlreichen Sprachen. Wikipedia verwendet die Wiki-Technik als Werkzeug für die Zusammenarbeit zwischen Autoren. Wikis sind Websites, die es jedem Internetnutzer erlauben, ohne weitere Anmeldung mitzuarbeiten. Jeder kann darin neue Artikel schreiben oder bestehende verbessern.

Die erste Wikipedia-Fassung auf Englisch entstand im Januar 2001. Sie wird ebenso wie das deutschsprachige Schwesterprojekt von der amerikanischen Wikimedia Foundation betrieben. Die deutschsprachige Variante der Wikipedia ist unter http://de.wikipedia.org verfügbar und wurde im Mai 2001 ins Leben gerufen. Zur Zeit (28. Juni 2004) enthält die deutschsprachige Wikipedia 105.627 Artikel (Al: 24.01.2003: 10.000, 12.05.2004: 88.629 Artikel).

Die Anzahl der Wikipedias in anderen Sprachen wächst laufend. Zur Zeit sind die drei umfangreichsten Wikipedia-Enzyklopädien die englischsprachige, die deutschsprachige und die japanische (Stand Juni 2004). Aber Wikipedias existieren auch noch in mindestens 60 weiteren Sprachen. Mehr ...

 

Die Wiki-Technik

Wikis, auch WikiWikis und WikiWebs, sind im World Wide Web verfügbare Seitensammlungen, die von den Benutzern nicht nur gelesen, sondern auch online geändert werden können. Sie sind damit offene Content Management Systeme. Der Name bezieht sich auf "wiki", das hawaiianische Wort für "schnell". Wie bei Hypertexten üblich, sind die einzelnen Seiten und Artikel eines Wikis durch Querverweise (Links) miteinander verbunden. Die Seiten lassen sich jedoch sofort am Bildschirm ändern. Dazu gibt es in der Regel eine Bearbeitungsfunktion, die ein Eingabefenster öffnet, in dem der Text des Artikels bearbeitet werden kann. Mehr ...

 

Autor bei Wikipedia

... wird man ganz schnell: Man gibt einen Suchbegriff ein und wenn dieser Begriff noch nicht exisistiert wird man aufgefordert, ihn neu anzulegen!

Am 10. Mai 2004 suchte ich nach 'auserwählt' und fand nichts. Wikipedia sagte mir: Das Stichwort existiert nicht. Legen Sie es neu an!! Das hatte so eine animierende Wirkung auf mich, dass ich am späten Abend die Stabstriche der Zusammenfassung der Story 'Auserwählt - aber beschränkt' unter 'auserwählt' eintrug.

Am nächsten Morgen stand mein Eintrag auf der Löschliste und einige Diskussionsbeiträge liessen mich ganz schnell wach werden: "Sie fühlen sich wohl auserwählt, einen solchen Artikel bei Wikipedia einzutragen?!" Der Grund war simpel: Mein Eintrag war absolut nicht lexikalisch und wikipedia-gerecht: NEUTRAL, klare Sätze, erklärender Text. Einige Nutzer hatten meinen Erguss gelesen und sofort reagiert. Das tat ich auch. Am Vormittag des 11, Mai arbeitete ich konzentriert von 8:30 bis 14 Uhr fast ohne Pause: Ich erfinde eine lexikalische Beschreibung für das Stichwort 'Auserwähltsein' und vor allen Dingen schreibe ich meine Story 'Auserwählt und auf Mission' um. Durch die Diskussion in Wikipedia wurde ich mit der Nase darauf gestossen, wie schnell man intolerant wird und selbstgerecht urteilt. Genau das geht mir (bei anderen!) gegen den Strich. Aber selbst kostet es die grösste Mühe, die Subjektivität auf ein Minimum zu reduzieren, Wertungen zu unterlassen und die Fakten neutral darzustellen.

Auserwähltsein ist das denkbar ungünstigste Stichwort für den Start als Autor bei Wikipedia. Wer kann bei Auserwählten neutral sein und welche wissenschaftlichen Grundlagen findet man zum Auserwähltsein?! Schwierig, aber interessant. Vor allen Dingen bei Wikipedia, denn wer meckert, kann ja gerne eine bessere Version eintragen! Ich versuchte genau das über eine Diskussion zu erreichen, aber die erschöpfte sich schnell. Offenbar war ich der Einzige zu diesem Zeitpunkt, der sich für das Auserwähltsein interessierte.
Der Artikel über die Systematische Heuristik ist wesentlich besser gelungen. Der Eintrag ist sachlich korrekt und (hoffentlich) ausreichend neutral. Weil das auch nach 35 Jahren noch schwer fällt, habe ich die subjektive Bewertung in eine Vorbemerkung verpackt, die aber nur unter www.storyal.de veröffentlicht wurde.

 

Organisation und Kontrolle

Wikipedia ist ein Schulbeispiel für ein dezentral organisiertes System mit verteilter Intelligenz. Es gibt zwar einen Kopf, die Erfinder von Wikipedia, Jimmy Wales und Larry Sanger. Aber beide kümmern sich vorrangig um Logistik und Organisation, nicht um den Inhalt. Nur bei sehr wesentlichen Streitfällen greift Jim Wales ein, um die Grundpfeiler der Enzyklopädie zu sichern: Neutralität und die Berücksichtigung aller unterschiedlichen Aspekte eines Themas *). Seine inhaltlichen Eingriffe sind in der Wikipedia-Community umstritten, weil sie der Selbstregulierung widersprechen.

Wikipedia braucht ein ausgefeiltes Softwaresystem und grosse Server, um die Enzyklopädie dauerhaft zu sichern und im Web verfügbar zu machen. Dazu gehört auch, dass für jedes Stichwort der Enzyklopädie die Versionsgeschichte nachvollziehbar gespeichert wird. Das ist nicht nur inhaltlich hoch interessant (je älter die Einträge sind), es ist auch ein wesentlicher Teil der GNU-Lizenz und des Sicherheitskonzepts von Wikipedia.

Aber auch bei einer freien Enzyklopädie wird ein Minimum an redaktioneller Organisation benötigt. Besonders die Qualität muss durch feste Mechanismen kontrolliert und gesichert werden, damit diese Enzyklopädie auch wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Wikipedia beschäftigt keine Fachredakteure, hier setzt man auf die Wikipedia-Community. Die beste Qualitätskontrolle ist das Lesen der Einträge durch möglichst viele, kompetente Nutzer. Jeder Leser kann nicht nur Einträge verändern, sondern auch ganze Beiträge auf die Löschliste setzen. Nutzer können auch ehrenamtlich als Administratoren tätig werden. Sie wachen dann in erster Linie darüber, dass Vandalen, Spammer und Werbeeinträge nicht die seriöse Arbeit stören. Sie kontrollieren in der Regel nicht den fachlichen Inhalt. Aber Administratoren sind in der Lage, Beiträge zu sperren, zu löschen und Störenfriede an neuen Einträgen zu hindern.

Zur Qualitätssicherung existieren damit ausser Regeln auch Kontrollinstanzen und bei den nicht ausbleibenden Streitfällen werden Diskussions- und Abstimmungsforen aktiv. Aber alles, was darüber hinausgeht, funktioniert innerhalb des sich selbst regulierenden Systems. Es wird in erster Linie von der freiwilligen Arbeit einer weltweiten Gemeinde fleissiger Schreiber getragen. Erstaunlich, dass so etwas geht. Aber es funktioniert tatsächlich. Mehr ...

 

Kein Copyright, sondern das Gegenteil: GNU

Das Projekt Wikipedia lebt noch von der Utopie des freien Internet, die ursprünglich in der Open-Source-Bewegung entwickelt wurde. Open Source führte zur Free Software Foundation (FSF) und zum GNU-Projekt. Das Projekt wurde eigentlich zur Entwicklung des freien Betriebssystems GNU ins Leben gerufen (GNU is not Unix). Alle GNU-Inhalte (Texte, Bilder und Software) können nicht nur unter Nennung der Autoren frei verwendet, sondern auch noch beliebig verändert werden. Bei allen Wiki-Projekten ist das Copyright ausgehebelt, das Urheberrecht aber bleibt bestehen. Ganz im Gegensatz zum Software- und Musikmarkt, wo mit TCPA, DRM und neuen Urheberrechtsgesetzen gerade die Voraussetzungen geschaffen werden, über das Internet Profit zu machen. Aus meiner Sicht ist die Idee des Open Content ein wesentlicher Grund, bei Wikipedia und anderen GNU-Projekten mitzuarbeiten.

Wikipedia original: Alle Mitarbeiter der Wikipedia haben sich selbst verpflichtet, von ihnen beigetragene Inhalte unter der 'GNU Freie Dokumentationslizenz' zu veröffentlichen. Diese Lizenz erlaubt es anderen, die Inhalte nach Belieben zu überarbeiten und zu verbreiten, sofern Ursprungsautoren und Versionsgeschichte genannt werden. Eine Eigenschaft der verwendeten Lizenz ist, dass spätere Einschränkungen nicht möglich sind. Die Lizenz macht es damit unmöglich, Artikel später unter Berufung auf das Urheberrecht einer Exklusiv-Verwertung zuzuführen.

'GNU Freie Dokumentationslizenz' ist die deutsche Bezeichnung für die im Original englischsprachige GNU Free Documentation License (GNU FDL, hier eine deutsche Übersetzung). GNU-Lizenzen sind Lizenzen des GNU-Projekts, das sich zum Ziel gesetzt hat, frei verfügbare Versionen von Software und anderen Werken gemeinsam zu erstellen.

 

Perspektiven

Wikipedia entwickelt sich rasant, wie man allein aus der Zunahme der Artikel in der deutschsprachigen Ausgabe sieht (28.06.04 = 106.302, 17.12.04 = 178.291 Artikel). Noch existiert keine gedruckte Version von Wikipedia. Aber es gibt schon WikiReader. Die gedruckte Zusammenfassung von Artikeln aus bestimmten Wissensbereichen soll Geld einbringen, das für die materielle Infrastruktur von Wikipedia und den Betrieb erforderlich ist. In spätestens fünf Jahren aber wird Wikimedia auch gedruckte Wikipedia-Ausgaben und DVD-Versionen herausgeben. Wenn damit viel Geld zu machen ist, wird sich zeigen, ob auch dieses GNU-Projekt nur eine Illusion des Open Content ist: Viele, ohne Bezahlung arbeitende Autoren, machen wenige Gründer der Wikimedia Foundation reich.

 

Weblinks

 



*)
Nach Charles Babbage (Reflections on the Decline of Science in England, first edition1830, London) gibt es drei Arten von wissenschaftlichem Betrug:
  • Trimming: Nivellieren von Unregelmäßigkeiten
  • Cooking: Zitieren der Ergebnisse, die zu einer Theorie passen, Weglassen der Ergebnisse, die der Theorie widersprechen
  • Forging: Erfinden aller Forschungsergebnisse
  • Mehr bei Telepolis ...

Jürgen Albrecht, 28. Juni 2004
update: 08.11.2007

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