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Terror gegen Kinder in Beslan

 

 

Kinder als Geiseln

Eine blutige Woche in Russland: Zwei Passagierflugzeuge stürzen zeitgleich ab. Ein Blutbad vor einer Moskauer Metrostation. Beide Anschläge gehen auf das Konto tschetschenischer 'Schwarzer Witwen'. Selbstmordattentäterinnen, die Rache für Angehörige nehmen, die von russischen Soldaten umgebracht wurden. Am 1. September 2004: Einschulung in Beslan, ein kleines Volksfest. 35 Tschetschenen (... verstärkt durch arabische Terroristen? Wahrscheinlich eine offizielle Lüge ...) stürmen die Schule Nr. 1 und nehmen 1.326 Geiseln, mindestens 800 davon sind Kinder. Am 3. September 2004 mehr als 330 Tote (fast die Hälfe Kinder) und 750 Verletze, als die Geiselnahme gewaltsam von russischen Sicherheitskräften beendet wird. Noch immer gibt es keine verlässlichen Zahlen. Die russische Regierung scheut sich, das wahre Ausmass des Dramas zuzugeben.

Täglich Anschläge im von den USA besetzten Iraq. Der letzte Selbstmordanschlag in Israel ist kaum einer Woche her. Keine Nachrichten ohne Meldungen über neue Terroranschläge. Aber Terror gegen Kinder, das ist eine neue Dimension.

Inzwischen hat sich der tschetschenische Rebellenführer Schamil Bassajew für das Geiseldrama in der Schule von Beslan verantwortlich erklärt: Seine Gruppe stehe hinter der Geiselnahme sowie hinter weiteren Terroranschlägen auf russischem Boden. Dazu zählen den Angaben zufolge die Bombenanschläge vor einer U-Bahn-Station in Moskau und die Entführung und der Absturz zweier russischer Passagierflugzeuge. Auf die Ergreifung von Wladimir Putin haben tschetschenische Rebellen ein Kopfgeld von 20 Millionen Dollar ausgesetzt! Auch eine neue Dimension.

 

Reaktionen

Die Reaktion der Politiker: Mit aller Härte ..., Krieg gegen den Terrorismus ..., Bekämpfung des Terrorismus ..., Politik der Stärke ..., Anti-Terror-Kampf ..., Kampf gegen den internationalen Terrorismus, Bush: Die USA «bleiben in der Offensive und schlagen die Terroristen im Ausland, so dass wir mit ihnen nicht zu Hause konfrontiert sind» Schröder: "Es gibt allen Anlass, Terrorismus dort zu bekämpfen, wo er auftritt." Putin: "Der internationale Terrorismus hat Russland den Krieg erklärt. " usw. Putin besucht die Opfer. Aber an seiner gewalttätigen Politik wird sich nichts ändern. Als Reaktion auf diesen Terroranschlag will Präsident Wladimir Putin die Zentralgewalt stärken. Unter anderem sollen die Gouverneure der Regionen nicht mehr gewählt, sondern von ihm ernannt werden. Der Präsident ordnet alles der Macht des Zentralstaates unter, also seiner Macht - auch Freiheit, Demokratie, Meinungsvielfalt.

Trotzt verheerender Terroranschläge (11. September, Madrid, Beslan ...) ist den Politikern offenbar immer noch nicht klar, dass arabische Selbstmordattentäter eine völlig neue Form der Bedrohung der Industriestaaten erfunden haben. Der Terrorismus benötigt keine Hightech-Waffen, keine Infrastruktur und nur wenig Geld. Die Terroristen benutzen die technischen 'Errungenschaften' der westlichen Welt für ihre Zwecke: Internet, Mobiltelefon, Flugzeuge und den riesigen Waffenmarkt. Es existieren keine zentralen Leitungsstrukturen, kleine Gruppen operieren auf eigene Faust, verbunden sind sie nur durch den gemeinsamen Glauben, einen militanten Islamismus.

Warum begreifen die Staatschefs des Westens nach diesen verheerenden Anschlägen immer noch nicht, dass man gegen diesen Terrorismus keinen Krieg führen kann?! Warum redet ihnen die UNO nicht mit Klartext ins Gewissen: Gewalt ist unwirksam gegen Fanatiker, denen das eigene Leben nichts wert ist. Die Militär-Arsenale der USA haben im Kalten Krieg die in zwei Lager gespaltene Welt im Gleichgewicht gehalten. Im 'Kampf gegen den Terrorismus' versagen High-Tech-Waffen völlig. Das Chaos, angerichtet von den USA im Iraq, beweist genau das. Bushs 'Krieg gegen den Terror' hat die Welt nicht sicherer gemacht. Im Gegenteil, der Terror ist alltäglich geworden.

 

Die Wurzeln des Terrors

Der Westen hat aus meiner Sicht nur eine Chance gegen den islamischen Terrorismus, wenn er dessen Wurzeln beseitigt: Armut, religiöse Intoleranz, fehlende Bildung, Perspektivlosigkeit. Dazu überschwemmt der Westen Dank der Globalisierung die Entwicklungsländer mit den Produkten und den Fernsehbildern einer Wohlstandsgesellschaft, die sich dort niemand leisten kann, die aber ungeheure Bedürfnisse wecken. Das ist der ideale Nährboden für fanatische Gotteskrieger, die sich mit einer Sprengsatz direkt ins Paradies beamen können ... Hat der Westen eine Strategie und den Willen, der dritten Welt aus Armut und religiöser Verblendung zu helfen? Ich kann ausser kriegerischen Worten und Taten keine politische, kulturelle oder wenigstens doch vernünftige Strategie erkennen.

Was wird passieren, wenn der Westen kein intelligentes Konzept gegen die Wurzeln des Terrors findet? Wird danach überhaupt gesucht? Ich befürchte, diese Gesellschaft ist unfähig zu einem Paradigmenwechsel, weg von der Gewalt, hin zur Vernunft. Der 50 Jahre alte Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern ist beispielhaft und er lässt für Optimismus keinen Raum. Ausserdem sind Krieg und Gewalt faszinierend, deshalb medienwirksam und noch dazu ein lukratives Geschäft ...?!

 

Freiheit und Pluralismus in Gefahr

Spätestens im Irak sollten die USA erkennen, dass sie alleine unfähig sind, den Weltpolizisten zu spielen. Vom Anspruch Nation Building zu betreiben, gar nicht zu reden. Die USA besitzen die Lufthoheit über dem Irak und vielleicht können sie auch seine Seewege kontrollieren. Aber trotz eines horrenden Militärbudgets (Eine Milliarde Dollar pro Tag!) und hunderter Stützpunkte in fast allen Ländern dieser Erde, sind sie nicht einmal in der Lage, als Besatzer im Irak für Ruhe und Sicherheit zu sorgen. Das gibt zu denken! Im Irak zeigt sich auch, dass die Demokratie westlicher Prägung durchaus nicht die einzige und beste aller Gesellschaftsordnungen ist. Beispielsweise sind Demokratie und die Clanstrukturen der muslimischen Welt ganz offenbar nicht kompatibel. Nation Building ist nichts anderes als Illusion.

Akzeptiert und toleriert der Westen die qualitativ unterschiedlichen Kulturen der dritten Welt nicht als gleichwertig, wird der Terrorismus wachsen. Terrorismus, Unvernunft und fehlende Energie werden dann früher oder später dazu führen, dass der reiche Westen Mauern gegen die anstürmenden Armen baut. Der Wohlstand muss verbarrikadiert werden, um ihn (auf Zeit) zu erhalten. Die Anfänge sind bereits zu beobachten: Einschränkung der persönlichen Freiheiten (Patriot Act) und verschärfte Einreisebedingungen in den USA, Stärkung des Zentralstaates in Russland, der 'Sicherheitszaun' in Israel und ein deutscher Innenminister Schily, der Big Brother organisiert, in Nordafrika Flüchtlingslager bauen will und Verständnis für die israelische Sperranlage zeigt, höher und undurchdringlicher als die Berliner Mauer je war.

Im Endeffekt könnte der weltweite Terror das Fass der sowieso vorhandenen Widersprüche zum Überlaufen bringen und das Ende der Globalisierung, des Pluralismus, der Freizügigkeit und der Freiheit des Einzelnen bedeuten: Übrig bleibt nur noch Rückzug hinter Palisaden, bis die Recourcen aufgebraucht sind. Das Ende der 'Freien Welt': Gefangen von Reichtum und Wohlstand und der Überzeugung, davon unter keinen Umständen etwas abzugeben.

 

Jürgen Albrecht, 20. September 2004
Update: 08.11.2007

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