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Mildenitz - Fluss, See und Landschaft


Dobbertin in Mecklenburg. Ein geschützter See, ein kleines Dorf und ein grosses Kloster, gegründet 1220 von Benediktinermönchen. Was für eine Landschaft umgibt das ehemalige Kloster! Sanft geschwungene Felder, auf die Sonne und Wolken wandernde Muster zeichnen. Leuchtende Rapsfelder im Mai. Kornblumen, Margaritten und roter Mohn im Juni. Feldwege, die noch nicht asphaltiert sind und nach Kilometern irgendwo am Rande eines Feldes enden. Der Dobbertiner See, auf dem Motorboote nicht fahren dürfen und den Seegelboote nicht erreichen, weil die Mildenitz nicht schiffbar ist. Kleine Dörfer, eine Allee 200-jähriger alter Eichen, einzelne Gehöfte, scheinbar von der hektischen Welt unberührt. Restlöcher, zugewachsene oder blinkende Teiche zwischen Feldern. Hier haben am Ende der Eiszeit noch die letzten Eisblöcke gelegen. 10 bis 12 Meter tief ist der Torf in diesen Teichen. Ein Meter Torf entsteht in 1000 Jahren. Solitäre Eichen auf weiten Feldern. Reste des Urwaldes, den es in dieser Gegend noch vor 800 Jahren gab, als die Christianisierung der Slawen begann.

Das erste Mal wollte ich von Dobbertin aus zu Fuss dem Flusslauf der Mildenitz folgen. Schon nach ein paar hundert Metern gab ich auf. Mannshohes Gras und Schilf säumt im Sommer die Ufer. Den zweiten Anlauf machte ich mit dem Fahrrad. Ein Feldweg führt zwar in die Richtung des Schwarzen Sees, aber er endet vorher auf einer sumpfigen Wiese. Dritter Versuch: Von der Landstrasse nach Below zweigt eine Strasse nach Dobbin ab und von dort führt ein sandiger Feldweg nach Neuhof. Wenige Häuser an zwei grossen Restlöchern. Drei Kilometer davor überquert eine Holzbrücke die Mildenitz. Hier stand einmal eine Wassermühle, jetzt ist die ‚Alte Mühle' ein Bauernhof mit einigen Ferienzimmern.

Schon nach wenigen Metern auf dem Rundweg ‚Durchbruchstal der Mildenitz' ist man in einer völlig veränderten Landschaft: Dunkler Wald mit grünen Sonnenfenstern, steile Böschungen, ein bis zu 200 Meter breites Tal, versteckt im Buchenwald und tief eingeschnitten, in dem die Mildenitz auf den Schwarzen See zu fliesst.

 

In einer frühen Phase des Pommerschen Stadiums der Weichsel Eiszeit (vor 18 bis 15.000 Jahren) wurde hier vom Eis eine Endmoräne aufgeschoben. Dobbertin und der See lagen damals unter diesem Eis, die Eiskante hier bei der Alten Mühle. Vor der Endmoräne staute sich das Schmelzwasser. Die nassen Wiesen und der Dobbertiner See sind davon übrig geblieben. Über die Mildenitz ist das Wasser des eiszeitlichen Sees in die Senke um Borkow abgelaufen. Dabei hat der Fluss eine tiefe Schlucht, mehr als einen Kilometer lang, durch die Endmoräne gespült. Der Ringweg durch dieses Tal führt am Schwarzen See vorbei. Danach muss man wieder auf die Moräne hoch steigen (50 m ?), um zur Alten Mühle zurück zu kommen. Der Feldweg nach Neuhof überquert nach gut einem Kilometer die Landstrasse (Sternberg - Goldberg) die hier auch über diese eiszeitliche Moräne führt. Auf der Rückfahrt nach Dobbertin liegen rechts die teilweise mit hohem Gebüsch und Schilf bewachsenen Wiesen. Hier ist (vor gar nicht so langer Zeit) die Eiskante zum Stillstand gekommen.

Nachdem das Land vom Eis freigegeben wurde, haben es steinzeitliche Jäger und Sammler erkundet. Die Slawen haben es besiedelt, Landwirtschaft betrieben und die erste Infrastruktur geschaffen. Sie haben mit Hünengräbern und Burgwällen deutliche Spuren in Mecklenburg hinterlassen. Nach heftigen Kämpfen wurden auf ihren grossen Wallanlagen die ersten christlichen Kirchen errichtet. Ein paar hundert Jahre später waren Städte daraus geworden. Die Burgwälle sind noch zu finden, in Groß Raden wurde eine ganze Slawensiedlung rekonstruiert.

Die ruhige Landschaft Mecklenburgs, die kleinen Städte mit ihren grossen Kirchen der Backsteingotik, die vielen Seen ohne Uferwege - das alles wurde vom Tourismus noch kaum entdeckt. Niemand war ausser mir an einem Donnerstag im Durchbruchstal der Mildenitz unterwegs. In der Hochsaison 2002. Der Mildenitz und ihrer Uferlandschaft tut das gut.

Jürgen Albrecht, 29. Juno 2002


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