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Die Genverschmutzung ist unaufhaltsam

Bio- und Gentechnologien schaffen kein neues Leben, sondern manipulieren vorhandenes. Die Biotechnologie verändert lebende Organismen mit dem Ziel der Produktion biologischer Stoffe ohne direkte Manipulation des Erbgutes. Der Pflanzensektor der Biotechnologie wird als ‚Grüne Biotechnologie' bezeichnet. Die Gentechnologie ist ein Teilbereich der Biotechnologie. Sie beschäftigt sich mit der Isolierung, Charakterisierung, Vermehrung und Neukombination von Genen auch über die Artgrenzen hinweg (!).

Die grüne Gentechnologie ist in erster Linie auf die Nahrungsmittelproduktion ausgerichtet. Sie befasst sich unter anderem mit der Erzeugung von schädlings- und herbizidresistentem Saatgut, aber auch mit Nahrungsmittelzusätzen, pharmazeutischen Produkten und nachwachsenden Rohstoffen. Ziele sind die Verbesserung der Resistenz von Pflanzen gegen Klimaeinflüsse, Herbizide, Viren, Pilze, Insekten, sowie die Steigerung der Qualität und des Ertrages. Alles, was die grüne Gentechnologie manipuliert, wird letztlich vom Menschen über die Nahrungskette, Hautkontakt oder über die Luft aufgenommen und landet früher oder später in seinem Organismus.

Die Verbreitung gentechnisch manipulierter Pflanzen in der Umwelt geschieht schneller als erwartet und hat sich bereits der menschlichen Kontrolle entzogen. Durch Pollenflug und das Auskreuzen vermischen sich manipulierte mit nicht manipulierten Arten (horizontaler Gentransfer). Beispiele dafür sind Raps und Soja. Es findet aber auch ein vertikaler Gentransfer statt. Pflanzen verwandter Arten sind in der Lage, die eingebauten Fremdgene zu übernehmen (Beispiel Rübsen). Damit nicht genug. Die eingebauten Fremdgene in Pflanzen führen über die Nahrungskette zu Veränderungen tierischer Organismen. Beispielsweise wurden Kartoffeln mit einem Gen aus dem Schneeglöckchen manipuliert. Ratten, die mit diesen Lektin Kartoffeln gefüttert wurden, zeigten Veränderungen am Gewebe ihrer Darmwände. Dass Insekten nach einiger Zeit resistent gegen Insektizide werden, weist auf ähnliche Ursachen hin.

Die Folgen der Veränderung tierischer Organismen durch gentechnisch manipulierte Nahrungsmittel sind noch weitestgehend unbekannt. Klar ist aber nach jahrelanger, kontroverser Diskussion mindestens, dass es solche Einflüsse gibt. Die Zunahme allergischer Reaktionen beim Menschen und die zunehmende Resistenz gegen Antibiotika und andere Medikamente kann noch nicht eindeutig auf gentechnische Lebensmittel zurückgeführt werden. Noch nicht schlüssig bewiesen ist auch die Frage, in welchem Umfang und mit welcher Tendenz die Genmanipulation die Biodiversität (Artenvielfalt) beeinflussen wird. Der Einfluss ist eindeutig vorhanden, vorstellbar ist der Untergang von Arten (Monarchfalter, Florfliege), aber auch das Entstehen neuer Arten.

Auf drei Ebenen werden Gene manipuliert: Manipulation menschlicher Nahrungsmittel, Manipulation menschlicher Proteine und direkte Manipulation des menschlichen Erbgutes. Diese drei Stufen charakterisieren auch die zeitliche Folge des Einsatzes der Gentechnologie.

1. Die Manipulation der Nahrungsmittel hat vor 20 Jahren begonnen. Inzwischen sind weltweit so viele Nutzpflanzen genmanipuliert, dass die Übersicht verloren gegangen ist. Es gibt kein Zurück mehr.

 

Ob wir es wissen, wollen oder verdrängen: Mindestens indirekt haben genmanipulierte Nahrungsmittel längst unsere Teller erreicht. Die Wahlfreiheit ist Illusion.

2. Die erste offizielle Erprobung genetisch manipulierter, körpereigener Bakterien an Menschen wird in den Niederlanden gerade vorbereitet: Produktion von Interleukin-10 direkt im Darm durch genetisch manipulierte Darmbakterien, Lothar Steidler, Mikrobiologie, Uni Gent. Mikroorganismen besitzen von Natur aus die Möglichkeit Gene auszutauschen. Es ist unabsehbar, welche Mutationen durch manipulierte Bakterien entstehen werden. Klar ist nur, dass die so eingeschleusten Gene die menschlichen Proteine verändern werden. Das genau ist ja ein Ziel der Gentechnologie.

3. Die Manipulation des menschlichen Genoms hat längst begonnen (Genomentschlüsselung, Stammzellen). Die Technik der Lokalisierung und des Austausches von Gensequenzen sind entwickelt, erprobt und relativ einfach weltweit verfügbar. Die in vitro Fertilisation und das Klonen wird beherrscht. Es gibt nur noch ethische Grenzen, aber keine technischen Schranken mehr.

Der Mensch hat Flüsse umgeleitet, Berge versetzt und sogar schon den Mond erreicht. Die Genmanipulation aber besitzt eine völlig neue Qualität: Der Mensch greift in das Erbgut des Lebens ein und diese Veränderungen sind nicht mehr rückgängig zu machen. Was befürchtet wurde, aber noch vor 10 Jahren kaum erkennbar war, ist geschehen: Der Mensch hat bereits heute die Biosphäre irreversibel verändert. So nachhaltig und global, dass eine Rückkehr zum Zustand des Lebens, wie es noch vor 25 Jahren existierte, prinzipiell nicht mehr möglich ist.

Das Problem gelangte zu spät in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Erst 1999 organisierte die UNO in Cartagena eine Weltkonferenz zur Gentechnik. Das Protocol on Biosafety verhindert nichts. Wirtschaftliche Interessen (besonders die der USA) waren und sind wesentlich stärker, als die Bemühungen um den Schutz der Biosphäre. Heute ist das Thema abgehakt. Wenn es in den Medien überhaupt noch Beachtung findet, wird die Illusion der Wahlfreiheit genährt. Gentechnisch veränderte Lebensmittel aber gehören längst zum Alltag. Die 'Genverschmutzung' ist unaufhaltsam.

Die gravierende Umgestaltung der Erdoberfläche durch den Menschen wird die Natur nach dem Untergang dieser Zivilisation in wenigen Jahrtausenden fast vollständig verwischen können. Aber im bis zu drei Milliarden Jahre alten Erbgut von Pflanzen und Tieren, hat der Mensch nur in den letzten zehn Jahren unauslöschliche Spuren hinterlassen. Die Konsequenzen sind nicht absehbar.

Die grössten Risiken dieser Entwicklung liegen in der Methode, die der Mensch auch bei der Genmanipulation anwendet. Er arbeitet nicht an einem übergreifenden Konzept, hat zu wenig Wissen, unterschätzt die Komplexität der Natur und er kann die Folgen seines Tun's nicht kalkulieren. Aber mit brennender Neugier hangelt er sich von einem Versuch zum nächsten. Kein noch so schrecklicher Irrtum oder Unfall kann ihn vom Pröbeln abhalten. Mit Trial and Error hat sich der Mensch schon die Erde ‚untertan' gemacht. Jetzt spielt er mit der gleichen Methode, mit dem Leben und mit seinen eigenen Genen.

 

Jürgen Albrecht, 29. Juliy 2002

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