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Modern Arts - Kunst ohne Könner 2/2

Da bietet der Pluralismus genau zum richtigen Zeitpunkt den passenden Ausweg an: Lasst alle Blumen blühen, alles ist möglich, alles ist erlaubt. Hauptsache der Spass ist gesichert, jetzt, gleich und sofort! Es gibt auch nicht annähernd so viele 'Highlights, Events, Tops und Kicks', wie sie die satte, reiche und arbeitslose Masse Mensch täglich erwartet. Wie soll man für sieben Tage der Woche und für je 24 Stunden auf mindestens 50 TV Kanälen weltweit Kunst produzieren? Wer will überhaupt ein ästhetisch und intellektuell anspruchsvolles Programm sehen? Wie soll man mindestens an jedem Wochenende in jeder europäischen und überseeischen Metropole auf Vernissagen absolut sensationelle, 'voll geile' und gleichzeitig völlig unbekannte grosse Künstler präsentieren? Wie sind die Galerien, die Charts und die Illustrierten zu füllen? Nur dadurch, dass man das Banale zum 'Event' stilisiert und das Triviale als 'Kult' celebriert, allerdings mit einer ultrakurzen Halbwertszeit.

Also wird ein Niemand von heute auf morgen zum 'Künstler' gestylt und er singt davon, wie 'geil es ist, ein Arschloch zu sein'. Das sachkundige Publikum jubelt ihm frenetisch zu. Klein Mäxchen kann auf dem Sofa vor dem Fernseher life miterleben, wie fünf von der Strasse geholte Mädchen zu 'No Angels' gemacht werden, innerhalb von 14 Tagen ein Musikvideo produzieren und nach weiteren 14 Tagen die Spitze der Top 10 erreicht haben. Der Zeitgeist erhebt sie unverdient zu Helden, aber nur temporär. Nach weiteren 14 Wochen sind sie vergessen, der Hit ist ausgereizt und niemand will und kann diesen Song mehr hören. Längst ist eine neue Girl Group 'mega in'. Diese Mädchen werden in keinem Museum Spuren hinterlassen. Die meisten 'Künstler' der Moderne sind nur Objekte eines grossen, anonymen Geschäfts. Sie werden von den Medien gemacht, benutzt und genau so schnell wieder weggeworfen.

Ein Brett mit 400 Nägeln, 'fine' säuberlich im mit Bleistift aufgezeichneten Zentimeterraster positioniert, ist eine lohnende Investition für Leute, die nicht mehr wissen, wie sie ihr Geld anlegen sollen. Am einfachsten ist es in der Moderne, 'Konzeptkünstler' zu werden:

Man lege sich eine optisch möglichst auffällige 'Masche' zu, man nehme beliebige, aber möglichst unterschiedliche Gegenstände und dann arrangiere man sie höchst konfus in einer Galerie.Das reicht schon. Die Interpretation dieser enorm kreativen Installation überlässt man einem selbst ernannten Szene Guru mit hervorragenden Verbindungen zu Presse, Film und Fernsehen. Denn nur noch eines zeichnet heute den wirklich wahren Künstler aus: Seine Präsenz in den Medien.

Ein rein technischer Aspekt begünstigt diese Entwicklung entscheidend: Mit den Informations Technologien (IT) ist es heute in vielen Bereichen sehr einfach, Produkte serienmässig zu fabrizieren oder zu kopieren, die noch vor 20 Jahren nur von Hand, mit jahrelanger Erfahrung und nur von Könnern herzustellen waren. Besonders betrifft das Bilder in jeder Form, die Manipulation von Bildern, den Film (Video), dreidimensionale, virtuelle Welten und die Musik. Aber auch hoch komplexe und metergrosse Skulpturen können heute mit größter Präzision als virtuelle Modelle erzeugt und mit CAM-Techniken physisch hergestellt und beliebig oft kopiert werden. Dadurch haben digitale Techniken in diesen Bereichen zu einer scheinbaren Inflation der künstlerischen Handarbeit geführt. Tatsächlich besitzt ein Computer überhaupt kein ästhetisches Empfinden. Nur ein Könner ist in der Lage, auch mit dem Computer künstlerisch hochwertige Produkte zu schaffen. Aber die digitalen Werkzeuge können auch von jedem Laien ohne ästhetische Wertvorstellungen oder Zielsetzungen benutzt werden. Das genau ist das Problem und es begünstigt ganz wesentlich die Massenproduktion banaler Kunst.

Ich stehe eine ganze Weile vor dem schönen Monet und frage mich, wie er dieses Bild mit schnellen, fast flüchtigen Pinselstrichen in Öl zustande gebracht hat. Nach einem guten Espresso verlasse ich dieses wirklich interessante Museum am Heldenplatz (Hösök ter). Erst als ich im warmen Thermalbecken des Szechenyi fürdö liege (38°), habe ich keine kalten Füsse mehr.

Jürgen Albrecht, 03. März 2001, Budapest

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