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Komplizierte Technik

 

Gestern und heute habe ich je einen halben Tag damit zugebracht, auf meinem neuen Rechner die ebenfalls neue ISDN-FRITZ-Karte PCI zum Laufen zu bringen. Diese Karte soll den Internetzugang sichern.

PCI ist ein Spezialbus, der gewährleistet, daß der Rechner die auf diesem Sockel eingesteckte Karte automatisch über das P&P-System erkennt und konfiguriert. Damit ich keine Scherereien mit der neuen Karte habe, hat mir das Institut CA&D extra für den neuen Rechner diese PCI-Karte für 250 DM gekauft. Ich steckte sie vor drei Wochen in den Rechner, ich brauchte nichts zu konfigurieren, alles funktionierte – auch e-mail – nur der Internetanschluß nicht, für den die Karte ja in erster Linie gedacht ist. Es gab immer die gleichen Probleme. Erst läuft alles, nach ca. 20 sec. treten lange Ladezeiten auf und dann erscheint die phantastische Fehlermeldung: ‚Fehler ! Wechseln Sie das Betriebssystem ;-)‘ Das schlimmste ist, daß Dich dann noch dieser blöde Smiley angrinst!! Wie soll ich das Betriebssystem wechseln!!? Ich habe vor der Reklamation alles versucht: Ich wechselte die Steckplätze, ich veränderte die T-Online-Software, ich installierte die beiden konkurrierenden Browser von Netscape und Microsoft und auch noch den von Opera. Alles ohne Erfolg, immer wieder die gleiche Fehlermeldung.

Vor 14 Tagen schickte ich eine e-mail an den Kartenhersteller AVM: Antwort: ‚Bitte untersuchen Sie, ob die Karte 20 oder 21 goldene Pinns hat, wenn nur 20, schicken Sie die Karte ein ...‘ Ich hatte keine Ahnung, wie man die Pinns zählen sollte, deshalb schickte ich die Karte gleich ein. Nach 14 Tagen erinnerte ich an meine Karte: ‚Ihre Karte ist i.o., wir schicken Ihnen trotzdem eine neue.‘ Der Support war wirklich bemüht. Als das Problem auch mit der neuen Karte wieder da ist, ruft mich der Support an und ein Mann führt mich stundenlang per Telefon durch verschiedene Varianten von Installationen. Was ich nicht weiß, holt er sich an Informationen aus Halle von Dannenberg, unserem Leiter des Rechenzentrums. Der AVM-Mann tippt auf einen Interrupt-Konflikt. Genau das ist eigentlich bei PCI ausgeschlossen, deshalb wurde gerade PCI erfunden!! Er konfiguriert das BIOS um, ich bin der ausführende Knecht. Der Rechner läuft zu seinem Erstaunen und zur Zufriedenheit problemlos hoch. Über ein spezielles AVM-Programm (DATA) kann ich mich in den Rechner des Supportmenschen einloggen. Damit ist für ihn klar: Der Fall ist gelöst. ‚Probieren Sie, ob das mit dem Internet auch geht, ich rufe in Halle an und sage, daß alles läuft.‘ Ich rate ihm, erst noch den Internet-Test abzuwarten, aber er ist sich sicher, daß das klappt. Er legt auf und ich gehe ins Internet: Nach 20 sec.: ‚Wechseln Sie das Betriebssystem :-)‘

Was ist zu tun? Ich rufe Dannenberg in Halle an und er ruft mich zurück. Wir diskutieren mehrere Varianten, es bleibt nach 6 Stunden Bastelei nicht mehr viel übrig. Jetzt dirigiert mich Dannenberg: Er installiert das Ndiswan-Gerät, das für eine DFÜ-Verbindung erforderlich ist.

 

Wir haben gleich zweimal Glück, denn dafür braucht man einen speziellen Treiber und eine Installations-CD für Windows NT. Den Treiber finden wir auf der AVM-CD und die Windows-CD habe ich vorsorglich aus Halle mitgebracht. Damit operieren wir von 11:30 bis 12:15 Uhr, dann kommt eine Verbindung von meinem Rechner zum DFÜ-Server der Hochschule zustande.

Das ist der Beweis und die Diagnose steht fest: Die Karte ist zu 99% in Ordnung, sie versagt nur in einem Fall: Dem Internetzugang mit der T-Online-Software. Offensichtlich gibt es einen Konflikt zwischen der Fritz!Card und dieser Software in Kombination mit meinem Rechner. Um diese klare Diagnose stellen zu können, waren mehr als acht Stunden experimentelle Arbeit erforderlich, in denen der Rechner mindestens 25 mal hoch und runter gefahren wurde und drei verschiedene Karten bis zu fünfmal aus- und eingebaut wurden. Dokumentationen (english) mußten gewälzt werden, Funktionen des Betriebssystems wurden aktiviert, von deren Existenz ich nichts wußte, viel weniger konnte ich damit umgehen. Aber mit der Fernsteuerung hat das gut geklappt, ein sehr praktikables Support-Verfahren.

Jetzt weiß ich, wo der Fehler liegt, wie aber geht es weiter?? Für den AVM-Mann ist das Problem gelöst, von einem solchen Fehler wie bei mir, hat er noch nie gehört, also ist es nicht seine Aufgabe, sich darum zu kümmern. Dannenbergs Problem ist es erst recht nicht. Also habe ich den schwarzen Peter wieder in der Hand.

Vor einer Stunde habe ich mir eine e-mail-Adresse von T-Online besorgt (gar nicht so einfach), den Fall geschildert und um schnelle Rückmeldung gebeten. Jetzt muß ich mindestens bis Montag warten.

Interessant an der ganzen Sache war, daß ich jetzt weiß, wie man mit einem DFÜ-Interface (Datenfernübertragung) unter Windows NT arbeitet. Das ist die Variante, mit der ich kostenlos ins Internet käme, wenn der Kanzler mir gestatten würde, daß mich der DFÜ-Server der Hochschule zurückruft. Der Kanzler hat bald keinen Grund mehr, mir das zu erlauben. Aber hier liegt eine Lösung meines Problems: Ich wähle mich bei T-Online über DFÜ ein und nicht über ihre Zugangs-Software. Ich brauche nur noch die Zugangsdaten für diesen Fall.

Na, alles verstanden ??? Bei solchen Problemen denke ich zu allererst immer an meine Mutter. Wie soll ein normaler Mensch mit so einem Problem fertig werden? Undenkbar! Zweitens denke ich an all die Naivlinge, die fordern, man muß diese hoch komplexe und multifunktionale Technik ‚ganz einfach‘ und ohne Lernaufwand bedienen können. Erste Voraussetzung dafür wäre eine weltweite, tiefgehende und totale Standardisierung, die es in den nächsten 30 Jahren nicht geben wird. Aber auch hochgradig standadisiert, bleibt die simple Bedienung eine Illusion. Einfachste Handhabung und komplexe, multifunktionale Systeme schließen sich prinzipiell aus.

Jürgen Albrecht, 21. August 1998

 

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