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Stürmische Nacht ... Seite 3/3

 

Perfektes Timing, auf 8:44 Uhr war der Zeitplan ausgerichtet, denn um 9 Uhr macht das 'Cafe Barfuß' auf, wo ich unbedingt noch einmal vor Abfahrt der Fähre frühstücken wollte – wegen der doppelten Gerdi, dem guten Tee, den frischen Brötchen und überhaupt: Soviel Zeit muß sein.

Ja, das also war das Urlaubsende. Natürlich erreichte ich die Fähre, die um 10:15 Uhr trotz Windstärke 6 pünktlich Wittdün und Amrum verließ. Sie fuhr nicht vorher nach Wyk auf Föhr, sondern direkt nach Dagebüll. Schon wieder wurden mir mein Leben um zwei Stunden verlängert, denn ich erreiche so den früheren Zug nach Berlin – Was mache ich jetzt mit diesen zwei Stunden?!

Jetzt sind wir schon durch Husum gefahren und in 1 ½ Stunden werden wir Hamburg erreichen. Von Regen keine Spur – die Sonne guckt immer mal hinter den großen, grauen Wolkengebirgen hervor, die der Westwind vor sich her treibt.

Auf der Rückfahrt fällt mir auf: Auch nach neun Jahren deutscher Einheit genügt ein Blick aus dem fahrenden Zug um festzustellen, ob man durch West- oder durch Ostdeutschland fährt. Die ärmlichen Häuser mit Bretterschuppen auf dem Lande – wie sehen sie aus?

 

Sind wir hier in Deutschland, oder fahren wir schon durch Osteuropa? Zerfallene LPG-Stallungen, verrottende landwirtschaftliche Geräte, uralte 'Reichsbahn'-Bauten auf ehemaligen DDR-Bahnhöfen. Viele Dächer sind neu, aber mehr ist kaum geschehen. Alte, verkommene Bausubstanz, aus der die ehemalige Mangelwirtschaft und die jetzige Finanzmisere spricht. Auf Jahrzehnte hinaus ein armes, ein benachteiligtes Land.

Wo sind die blühenden Landschaften? Die Natur schafft das spielend im Mai. Die Politiker haben es weder in der DDR ('Schöner unsere Städte und Gemeinden!!') geschafft, noch klappt es auf Anhieb in der Bundesrepublik. Über Sprüche, hohles Gerede sind beide kaum hinaus gekommen. Hier im Abteil liegt eine Zeitschrift aus: 'Journal für Deutschland'. Offensichtlich ein regierungsamtliches 'Organ', Hochglanz. Auf der vierten Umschlagseite, ganzseitig, rot: 'Der Aufschwung greift. Es gibt mehr Arbeitsplätze.' Unten ganz klein: Internet: http.//www.bundesregierung.de, Telefon 0180 522 19 96.

Ein blanker Hohn, bei der Fahrt durch Brandenburg bei Neustadt an der Dosse.

Und peinlich.

Jürgen Albrecht, 12. Mai 1998

 

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