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Sex in allen Varianten

 

Eine interessante SPIEGEL-Serie über das sexuelle Verhalten von Jugendlichen. Ich habe mich auch schon mehrfach gefragt, wie sich Sex in allen Varianten, der in den Medien ständig präsent ist, auf pubertierende Jugendliche auswirkt.

Ich glaube, das ist viel näher an den natürlichen Verhältnissen, als die totale Tabuisierung, die viele Jahrhunderte üblich war. Sex ist etwas völlig normales, kein Mensch kommt durch Pornographie an seiner Seele zu Schaden, solange er nicht zu etwas gezwungen wird, was er alleine nicht machen will. Von Geschlechtskrankheiten und Aids mal abgesehen, halte ich Sex für wesentlich ungefährlicher, als Drogen einschließlich Alkohol. In jeder Zeitschrift sieht man barbusige Frauen, es gibt pornographische Schriften und Sexspielzeug massenweise zu kaufen, in jeder Talkshow werden ehemals intimste Einzelheiten verhandelt und jeder kennt sogar die sexuellen Vorlieben des Präsidenten der USA. Die heutige Situation ist viel eher ‚normal‘, als die in den letzten 2000 Jahren, wo die christliche Kirche ihre verklemmte Sexualmoral zur Norm erklärte. Ganz anders war es davor oder auf den Inseln in der Südsee noch vor 100 Jahren: Sex ist alltäglich und gegenwärtig, Sex ist normal. Und solche Verhältnisse stellen sich heute wieder ein.

Das hat den Vorteil, dass heute jedes Schulkind spätestens in der 8. Klasse weiss, was eine Klitoris ist und wozu man einen Dildo gebrauchen kann. Für mich war es in den 50-er Jahren viel schwerer, an solche Informationen zu kommen, beschafft habe ich sie mir auch. Also wo ist das Problem?

 

Ich sehe es nicht in der öffentlichen Behandlung von Sex, natürlich verschwindet auch nicht die Pubertät. Die Probleme liegen ausschliesslich in der Kommerzialisierung des Sex. Der Bedarf scheint riesengross und das damit zu machende Geschäft auch. Das ist die Grundlage für erzwungene Prostitution, Menschenhandel und Kinderschändung. Das ist entsetzlich, aber die Tabuisierung von Sex ändert daran gar nichts. Die Ursache sind die menschlichen Bedürfnisse und die sind so eminent, dass das ‚älteste Gewerbe der Welt‘ mit Sicherheit nicht auszurotten ist.

Die Jugend erlebt heute eine herrliche Zeit. Die sexuellen Tabus, die über Jahrhunderte bestanden, sind in den letzten 30 Jahren verschwunden. Die Eltern akzeptieren, dass ihre minderjährigen Kinder regelmässig Geschlechtsverkehr haben, es gibt genügend Verhütungsmittel und jeder kennt die Aids-Gefahr. Dadurch ist die grosse sexuelle Freiheit Realität. Ich bin sicher, dass es damit nicht weniger Herzklopfen und nicht weniger Liebeskummer gibt. Und es werden auch die Jugendlichen akzeptiert, die nicht so früh und nicht so häufig die Partner wechseln. Diese Toleranz finde ich besonders erstaunlich. Sie begünstigt meinen 16-jährigen Freund Conny, der sich einfach Zeit damit lässt und sich nicht durch seine aktiveren KlassenkameradInnen in der 10. Klasse gedrängt fühlt, sich nun auch endlich ein Mädchen ins Bett zu holen. Das gefällt mir und das scheint typisch zu sein.

Alles in Allem: Von der Seite des Sex drohen der Zivilisation die wenigsten Gefahren.

Jürgen Albrecht, 22. Dezember 1998

 

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