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Kunst in Berlin-Mitte

 

Die Kunsthochschule in Weißensee hat ein Thema gefunden: Das Marx-Engels-Forum ist bisher von der Architektur- und Denkmalsstürmerei der Sieger der Geschichte verschont geblieben. Sehr zu meinem Leidwesen. Denn ich habe bei der Errichtung des Denkmals (1980 ??) mit Onkel Dieter um einen Kasten Sekt gewettet (hoher Einsatz zu DDR-Zeiten), daß dieses Ensemble die Jahrtausendwende nicht erleben wird. Jetzt stehen dafür die Chancen gut, aber die Studenten dieser Hochschule wollen mit ihren Kunstwerken den Ort verfremden und damit auf ihn aufmerksam machen.

Es gibt 24 Objekte, die in den nächsten Tagen noch zu sehen sind. Ich bin einige mit dem Fahrrad abgefahren: Ein weißes Podest, 20 cm hoch, auf dem der zufällige Fußgänger läuft. Eine künstliche Blumenwiese, große Grashalme aus Plastikschläuchen. Umwickelte Bäume – Christo läßt grüßen, umgedrehte Bäume, Tücher zwischen Bäumen. Am witzigsten fand ich bewegliche Metallstreifen, durch die man hindurchgehen kann. Aber auch das ist nicht neu. Insgesamt ist es die typische Show der Moderne: Es ist nicht viel zu sehen, es steckt nicht viel Geist dahinter, aber es ist symbolisch hoch aufgeladen. Das erkennt man an den aufgestellten Schildern: Die Objekte werden mit der gestylten Kunst-Sprache beschrieben, die nichts aussagt, sich für Laien aber wie eine Wissenschaftssprache liest: Unverständlich und deshalb potentiell außerordentlich bedeutend ... !

Ich fragte einige der anwesenden Studenten: 'Bei wieviel Leuten wird von Ihrem Werk in zehn Jahren noch etwas in den Köpfen zu finden sein?' Darauf gibt es natürlich keine Antwort und die Studenten reagierten hilflos. Nur ein Mädchen sagte: 'In meinem Kopf wird das bis zum Lebensende zu finden sein - und das reicht !' Leider hat sie ihre Meinung nicht so druckreif gesagt, aber im Endeffekt war das ihre Aussage.

 

Und das ist tatsächlich die Kunst der Moderne auf den Punkt gebracht: Es geht nicht um eine Botschaft an andere, es geht nicht um Witz, Geist, Können oder Kreativität und es geht bei einem wirklichen Künstler auch nicht um ein Geschäft. Es geht ausschließlich um 'Selbstverwirklichung' (was immer das ist ....) und die eigene Befindlichkeit, das private Feeling, die ganz persönlichen Emotionen, die den Künstler (und leider in der Regel nur ihn ...) mit seinem Werk verbinden. Alle anderen Aspekte sind völlig ohne Belang. Auch wenn hier Zeit, Kapazität, Material und Geld verschwendet wird, das eindeutig dieser Gesellschaft gehört, die Künstler nehmen sich die Freiheit das zu tun und es auch nur für ihr ganz persönliches Wohlbefinden zu tun.

Mit dem gleichen Recht könnte ich zum Beispiel sagen, ab sofort ziehe ich bis an mein Lebensende nur Sachen an, die entweder schwarz und/oder gelb sind und als Rucksack habe ich immer das schwarze Plastikgehäuse eines Fernsehers dabei. Warum? Na, weil sich dadurch bei mir einfach das beste Feeling einstellt und weil ich den inneren Drang verspüre, das zu tun. Das reicht als Motiv. Mehr brauche ich selber nicht zu sagen. Bald wird sich ein Kunstkritiker finden, der den Leuten erklärt, was ich ihnen selber nicht sagen kann. Dabei würde ich der Gesellschaft auch nicht mehr wegnehmen, als die Studenten es jetzt in Mitte tun und ich würde auch nicht mehr Aufsehen erregen (aber auch nicht weniger). Wenn ich meine Masche konsequent bis ans Ende meiner Tage durchhalten würde, wäre ich ab sofort ein Künstler der Moderne in Boomtown.

Ich verzichte leichten Herzens darauf, Berlin mit einem weiteren Szenegänger zu beglücken. Dieses Leben wäre zu streßig für mich. Außerdem müßte ich dann auch wöchentlich den Psychiater in Anspruch nehmen, den mir meine Krankenversicherung zubilligt.

Jürgen Albrecht, 04. Juli 1998

 

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