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Buddhismus ... Seite 2/2

 

Aber ich muß gestehen, es muß ein unerhörtes Maß an geistiger Kraft und Selbstbewußtsein dazugehören, alles das, was man sieht, hört und fühlt, als seine subjektive Erfindung anzusehen. Alles das existiert nur, weil ICH es mir einbilde !! Das erfordert eine unbeschreibliche Überzeugung und Gewißheit. Also auch hier ist in erster Linie wieder ein standhaftes Glauben gefragt. Aber es ist ein großer Unterschied, ob ich an einen sehr menschlichen und naiven Jesus oder Mohammed glauben soll, oder an ein quasi naturwissenschaftliches Phänomen !! Für meine Begriffe ist die Sicht des Buddhismus wesentlich intelligenter (und dabei älter) als die der Christliche Religion.

Was ich in beiden Fällen nicht verstehe, ist der Fatalismus beider Ansichten. Ich halte die Konstruktion der Erbsünde bei den Christen für eine totale Verirrung. Ich kann nicht nachvollziehen, wie man so eine wirre Story zur Grundlage einer erfolgreichen Religion machen kann. Genau so fremd ist mir die Grundvorstellung des Buddhismus: Alles ist Leiden. Viel natürlicher wäre für mich der Grundsatz: Alles ist Freude und Glück oder: Alles ist so interessant !! Wie kommt man nur zu einer Grundeinstellung, von der aus man nur hoffen kann, daß das Leben bald vorbei ist, weil man dann entweder von seinen Sünden befreit ist oder das permanente, quälende Leiden endlich aufhört ?? Das ist nicht meine Welt. Leiden kann man vielleicht noch aus den in der sog. Dritten Welt herrschenden Lebensverhältnissen erklären. Aber völlig abwegig ist für mich die Sünderrolle der Katholischen Kirche, die man lebenslang nicht los wird.

Ich sehe das (bis jetzt) wirklich genau entgegengesetzt. Diese sechzig Jahre waren für mich nur ein einziges tolles, interessantes Erlebnis !! Natürlich gab es da auch schwierige Zeiten und streßige Situationen,

 

aber die positiven Erfahrungen überwiegen die negativen mindestens im Verhältnis 20:1. Deswegen stört mich persönlich eigentlich auch nicht, daß ich nicht so gelassen durch dieses Leben schlendere. Denn das, was ich mache und was mich auch in Streß versetzt, mache ich ausschließlich, weil es mir Spaß macht. Solange das so ist (oder ich in der Lage bin, es mir so einzureden !), sehe ich das als aktives Schlendern durch diese tolle, interessante Welt an. Ich weiß zwar, daß ich auf Dauer nicht den Hauch einer Chance habe, hier etwas zu bewirken. Aber ich kann für ein paar Stunden orgiastische Höhenflüge meines Bewußtseins stimulieren, ich kann anderen Menschen eine Freude machen (zum Beispiel meinem lieben und besten Freund Conny) und das wirkt als Freude auf mich zurück und ich kann auch für ein paar Jahre die Richtung einer Entwicklung beeinflussen. Das habe ich geschafft und auch das erzeugt ein gutes Gefühl. Und das ist eigentlich alles, was ich will: Ich will ein gutes Gefühl bei diesem Leben haben, will mit mir und der Welt, in der ich lebe, in Harmonie leben. Ich will mit mir selber im Reinen sein, ganz simpel: Ich will mich wohl fühlen. Auf den kürzesten Nenner gebracht, will ich nicht mehr, aber auch nicht weniger, als mich möglichst oft und lange neugierig wohl zu fühlen. Sünde oder Leiden auf Dauer, das kenne ich nicht, das sagt mir nichts und das halte ich auch nicht für die Substanz des menschlichen Lebens.

Schlußsatz: Irre, toll, wahnsinnig, interessant – diese Gedanken. Schon alleine das reicht. Potenziert wird es dadurch, daß es mir gelungen ist, diese Gedanken in einer guten Stunde aufzuschreiben. Und wenn ich es jetzt in den nächsten Tagen und Wochen schaffe, mir vorzustellen, daß alles um mich herum nur das Kino meines Gehirns ist ... nicht auszuhalten, wie gut es mir dann geht !!

Jürgen Albrecht, 25. März 1998

 

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