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Das Internet ist wertfrei

Was nützt eine wunderbare WebSite, die keiner kennt? Genau das aber ist heute das Hauptproblem im Internet. Wie finde ich das, was ich suche? Nichts geht ohne Suchmaschinen. Davon gibt es mehrere hundert, sie sind z.T. auf Länder oder Sachgebiete spezialisiert. Man gibt ein Stichwort ein und hofft, daß die passende Information gefunden wird. Man kann auch mehrere Stichworte eingeben und mit Boolschen Verknüpfungen arbeiten. Trotzdem ist es immer ein Spiel mit dem Zufall. Das Suchproblem kennt man auch aus der konventionellen Bibliothek oder dem Telefonbuch: Das Schlagwort, was man selber benutzt, kennt der Schlagwortkatalog nicht. Also muß man um das Schlagwort herum fragen. Außerdem, woher soll die Suchmaschine das haben, was ich suche? Gestern z.B. habe ich für Conny nach 'Atompilz' gesucht, da war nichts zu finden.

Die Suchmaschinen recherchieren selbständig nach den im WWW vorhandenen Inhalten. Das machen sie offensichtlich ohne jedes Gehirn: Es wird einfach jede vorhandene Adresse angewählt und dann werden die ersten sechs oder acht Worte jeder WebSite archiviert. Auf diese Weise kommt die Suchmaschine, wenn sie in dieser Weise jeden Tag 24 Stunden stumpfsinnig recherchiert, zu einer ungeheuren Datenbank. Früher oder später ist jeder von uns in allen Datenbanken aller Suchmaschinen. Es gibt Kritiker die behaupten, daß das WWW deswegen so entsetzlich langsam arbeitet, weil endlos viele Agenten der Suchmaschinen unterwegs sind und das Netz mit ihren Recherchen blockieren.

Der Besitzer einer HomePage aber kann auch aktiv werden. Er kann einer Suchmaschine seine Adresse, den Titel der WebSite und einige Schlagworte mitteilen. Das Verfahren dafür ist bei jeder Suchmaschine anders. Man muß heraus bekommen, wo diese Angaben einzugeben sind. Dann wird ein Formular ausgefüllt und die Datenbank ist wieder größer geworden. Es gibt natürlich auch Dienstleister, die das für einen Kunden erledigen: 'Ich melde Sie bei 20 Suchmaschinen für 50 DM an!' Wir waren noch schlauer, wir haben uns nämlich für 30 US$ die Software Web Promotion Spider gekauft (CA&D bezahlt). Dort füllt man einmal ein Formular aus und dann trägt die Software diese Information an 300 Suchmaschinen weiter. Genau das hat Karl (ich habe ihn zum WebMaster CA&D gemacht) für die CA&D-WebSite am 16.09.1997 gemacht. Der Rechner von Karl war mit diesem Auftrag eine ganze Nacht lang beschäftigt. Aber dann hat der Spider ein schönes Protokoll über den Effekt seiner Arbeit abgeliefert:

Bei welcher Suchmaschine war er wann, hat es geklappt oder nicht. Bei ca. 200 Suchmaschinen hat es funktioniert, bei ca. 40 nicht, Karl hatte nicht alle 300 ausgewählt. Am Morgen haben wir uns dann an die Suchmaschine Yahoo gesetzt und probiert: JAAA, sie kennt jetzt CA&D und DECOS !! Allerdings in dieser stumpfsinnigen Art der ersten Worte einer WebSite. Das haben wir nicht eingegeben. Im Gegenteil, der schönen Titel, an dem ich lange in deutsch und english gedrechselt habe, ist nirgends zu sehen. Aber das ist klar, was hier abläuft, hat nichts mit menschlicher Intelligenz zu tun, sondern hier geht es nur um Registrieren und Archivieren, nicht um Wertung.

Natürlich fragt und kontrolliert keiner, ob das, was auf den WebSites steht oder was der Suchmaschine mitgeteilt wird, auch wahr und richtig ist und ob es morgen noch existiert. Recherche-Ergebnisse sind prizipiell nicht reproduzierbar. Aber das ist das Charakteristikum dieses neuen Mediums: (1) Kein Mensch, keine Organisation und kein Staat hat eine Chance, das WWW zu kontrollieren oder zu zensieren. (2) 'Wahrheit', 'Position', Meinung oder 'Moral' sind keine Kategorien des Internet.

Der Inhalt des Internet ist ein Teil des Inhalts aller Köpfe der InternetUser. Und weil jeder subjektiv für sich ein Wertesystem schafft, sind alle diese Wertsysteme zwar im Internet präsent, das WWW aber gehorcht keinem. Das Internet ist wertfrei, weil es nur ein technisches Vehikel ist. Es ist (im wörtlichen Sinne) wirklich nur das Medium für die Veröffentlichung der Gedanken, Meinungen, Überzeugungen und Ergebnisse der InternetUser.

Diese Wertfreiheit kommt nur deshalb zustande, weil die Kontrolle und Zensur des Internets technisch unmöglich ist und weil der Inhalt des WWW nicht das Werk eines Einzelnen, sondern das Werk aller User ist. Das ist das qualitativ Neue am Internet. Es gibt kein anderes Medium mit solchen Eigenschaften. Im Gegenteil, die bisherigen Medien zur Veröffentlichung menschlicher Gedanken und Meinungen können direkt danach klassifiziert werden, in welchem Maße sie von der Meinung eines Einzelnen oder einer Gruppe determiniert werden. Eine private Sammlung parfümierter Liebesbriefe und das Internet sind dafür die Extreme.

Waaahnsinnig interessant, waaah??!

Jürgen Albrecht, 20. September 1997

 

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