BACK

 

Subventionen in Deutschland

Im Tagesspiegel habe ich ein schönes Diagramm gefunden: Höhe der Subventionen des Bundes von 1975 bis 1997. Die Subventionen betrugen 1975 31,3 Milliarden DM. Bis 1997 sind die Subventionen auf 115,2 Milliarden angewachsen. Jährlich. Der gesamte Haushalt der Bundesrepublik beträgt 1997 rund 500 Milliarden DM. In diesem Haushalt wird also mehr als jede fünfte Mark oder 20 % für Subventionen ausgegeben.

Subventionen sind öffentliche Mittel, Steuereinnahmen des Bundes, die der Staat zur Förderung bestimmter Entwicklungen ausgibt. Sinnvoll ist es z.B. die Innovationsforschung mit solchen Mitteln zu unterstützen. Contraproduktiv sind z.B. Subventionen der Steinkohleförderung in Deutschland, denn erstens kann man Steinkohle billiger von Drittländern kaufen und zweitens werden damit wirtschaftliche Strukturen erhalten, die sich seit 25 Jahren überlebt haben.

Und hier genau liegt der Haken. Der größte Anteil dieser Subventionen dient in Deutschland nicht dazu, die Entwicklung von Wissenschaft, Ausbildung und innovativen Arbeitsplätzen zu fördern, sondern dazu, veraltete Strukturen zu konservieren. Damit dienen gerade die Subventionen dazu, Reformen in Deutschland zu verhindern und dafür zu sorgen, daß alles so bleibt, wie es mal war. Soll sich die Welt nur weiter drehen, wir tun so, als wäre es 1950 und fördern Steinkohle, schmelzen und walzen Stahl und bauen Schiffe. Chips und Computer ... die kriegen wir doch billig aus den USA und Japan.

Das klingt überspannt, wenn man sich aber ansieht, wofür die Subventionen ausgegeben werden, sieht man, daß es tatsächlich ein absolut konservatives Instrument ist: Leider habe ich solche Zahlen nicht. Der Zeitungsartikel enthält nur die Gesamtsummen und allgemeine Aussagen. Danach sind Hauptempfänger von Subventionen die gewerbliche Wirtschaft, die Kohleindustrie, die Landwirtschaft, regionale Fördermaßnahmen, der Aufbau Ost und die Wohnungswirtschaft (Eigenheimbau). Die Subventionen betragen heute angeblich im Osten ca. 2000 DM, in Westdeutschland 1000 DM pro Arbeitsplatz (pro Beschäftigtem). Es ist sehr die Frage, ob diese statistische Zahl eine sinnvolle Aussage enthält. Dagegen wäre es sehr interessant, mal im Detail zu erfahren, wo und wer hier überall Geld bekommt. Ich würde mich nicht wundern, wenn man in diese Zahlen nur sehr schwer Einsicht erhält. Denn die Subventionen, das ist der Kuchen, um den sich die Lobbyisten streiten. Und weil es einfacher ist, einem Lobbyisten frisches Geld zu geben, als es einem seiner Kollegen wegzunehmen, steigen die Subventionen stetig an.

Ich glaube hier liegt eine der größten Schwächen unseres Wirtschaftssystems. Die Demokratie und der Pluralismus gestattet es jeder noch so speziellen Klientel, ihre Interessen bis in den Gesetzestext hinein zu verfolgen und durchzusetzen. Je größer der finanzielle Hintergrund, desto einfacher ist es, die Regierung zu beeinflussen. Wer kein Geld hat, kann sich keine Lobby leisten, wer keine Lobby hat, kann auch keinen Einfluß ausüben. Dieses System ist strikt konservativ. Es begünstigt die, die schon etwas (oder auch viel) haben und es verhindert die Entwicklung neuer Strukturen. Auf die globalen wirtschaftlichen Entwicklungen reagiert das System contraproduktiv, es reagiert nicht mit Unterstützung neuer Entwicklungen, sondern mit der Bewahrung des Alten, mit Abschottung.

Wozu also das ganze Gerede um Reformen und Reformstau. Dem System ist immanent, daß es nicht reformfähig ist, nicht auf Veränderungen reagiert. Erstaunlich aber ist, daß Subventionen und erschreckende wirtschaftliche Trägheit offensichtlich nur ein Kennzeichen der sozialen Marktwirtschaft sind. Auch gibt es hier die seltsamsten Parallelen zur staatlich dirigierten DDR-Wirtschaft !! Läßt man den sozialen Aspekt fallen, so funktioniert der Kapitalismus lehrbuchmäßig und ist extrem flexibel und innovativ. Die Wirtschaftspolitik von Frau Thatcher in UK, die USA-Wirtschaft und die wirtschaftliche Entwicklung der Tigerstaaten in Südostasien sind der Beweis dafür.

Was ist die Schlußfolgerung: Es geht nicht anders: Der wirtschaftliche Aufschwung und die Beseitigung der Arbeitslosigkeit ist nur auf Kosten der sozialen Ambitionen des Staates zu haben. Beides schließt sich gegenseitig aus. Es sei denn, man betreibt Gewinnschöpfung auf Kosten und durch Ausbeutung Dritter. Genau das scheint derzeitig die Ursache unseres Wohlstandes zu sein. Wir ziehen ihn aus den Entwicklungsländern und aus Spekulationsgewinnen, die Deutschland global mit seinem Kapital an der Börse realisiert.

Was würde ich machen, wenn ich Politiker wäre? Gott sei Dank bin ich keiner. Aber meine wesentlichste Erfahrungen aus dem Sozialismus ist: Totale soziale Sicherheit macht faul und träge. Auf Dauer kann eine solche Politik nicht funktionieren. ‚Leistung muß sich lohnen‘ ist der richtige Slogan. Auch das Motto: ‚Ohne Fleiß kein Preis‘. Aber bitte nicht mit den Ellenbogen oder dem Maschinengewehr.

Auch ist damit völlig klar, daß es große Unterschiede im Lebensstandard der Bevölkerung gibt und geben muß und daß ‚Gerechtigkeit‘ eine von vielen Illusionen ist.

Jürgen Albrecht, 30. August 1997

 

BACK