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Der langsame, aber stetige Tod einer Legende

Der Macintosh von Apple – was für ein Name !! 1976 gründeten drei junge Leute in einer USA-Garage die Firma Apple. Sie hatten die revolutionäre Idee, den Personal Computer (PC) zu entwickeln und zu produzieren. Damals waren ein Computer nur in mehreren riesigen Schaltschränken unterzubringen und es gab nur wenige alphanumerische Anwendungen, besonders beim Militär. Keiner beachtete die Bemühungen von Apple. Das änderte sich in den 80-er Jahren schlagartig, als sich der PC (von Apple) als ein florierendes Geschäft erwies. IBM wachte auf und setzte ca. 1985 mit dem IBM-PC-AT einen weltweiten Standard. Bill Gates kaufte von irgendwem für ein paar Dollar ein Betriebssystem und machte daraus MS-DOS – der Anfang einer Erfolgsstory ohne gleichen.

Der Apple-Computer wurde zur Kultmaschine. Er war legendär, elitär und revolutionär. Ein Genialer PR-Trick wirkt bis heute nach: Angeblich war und ist der Mac kinderleicht zu bedienen. Er war mit seiner graphischen Oberfläche eindeutig leichter als DOS-Computer zu bedienen. Solange, bis etwas an der Installation zu verändern war oder etwas nicht mehr funktionierte. Dann hatte man die gleichen Probleme, wie mit allen anderen Computern auch. Schlimmer noch mit den Mac's, denn die sollte keiner selber reparieren. Mit diesen Maschinen soll der User zum Mac-Händler gehen, damit der auch noch an den Fehlern des Mac etwas verdient ...

Objektiv hatten die PC herstellenden Konkurrenten mit Apple gleich gezogen, als Bill Gates (1988 ?) das Betriebssystem Windows erfunden hatte: Mit der von Apple geklauten graphischen Oberfläche. Windows-PC’s waren spätestens ab 1990 mit den Apple-Computern gleichwertig. Sie hatten mehrere entscheidende Vorteile: Sie waren (und sind) preiswerter, leistungsfähiger, für sie gibt es wesentlich mehr Software als für den Mac und sie setzen heute die weltweiten Standards. Der Grund dafür ist einfach: Apple setzte auf die eigene Entwicklerkapazität bei Hard- und Software. Statt Lizenzvergabe herrschte Geheimhaltung. Genau das Gegenteil machte die restliche Welt:

Weltweite, verteilte Entwicklung von Hard- und Software auf der Basis der Windows-Betriebssysteme. So einen Kampf kann keiner gewinnen. Das ist so logisch, jeder kann sich das an fünf Fingern ausrechnen. Sollte man meinen.

Wir haben uns an der Burg Giebichenstein nach der Wende gegen Apple-Computer entschieden. Obwohl der Mac DER ‚Designercomputer‘ war, haben wir auf Intel und Windows gesetzt. Mindestens acht Jahre haben wir in den Wind geredet. Alle, die nichts von Computern verstanden, wußten mindestens soviel: Wenn überhaupt, dann brauche ich eine Macintosh! Eine weltweite Kultgemeinde kauft auch noch heute bei Apple, obwohl das Preis-Leistungsverhältnis um 50% schlechter ist, die Intel-Prozessoren und -boards deutlich höhere Leistungsparameter haben und obwohl es heute jede Mac-Software auch für Windows gibt. Natürlich haben wir an der Burg heute auch Apple-Computer. Einzelne Professores ließen es sich bei den Berufungsverhandlungen nicht nehmen, auf einem Mac zu bestehen. Entgegnung des Kanzlers zu meinen funktionellen und finanziellen Argumenten: ‚Wir sind eine pluralistische Gesellschaft!‘ Wie wahr. Vor allen Dingen können wir uns die auch finanziell leisten.

Wenn man ein exemplarisches Beispiel dafür haben will, wie unlogisch, und gegen alle Vernunft sich Menschen entscheiden, wenn sie von Emotionen geleitet werden (und sie werden in aller Regel von Emotionen geleitet!), dann ist keine Story besser geeignet, diesen Sachverhalt zu illuminieren, als die von Apple.

Aber jede Erfolgsstory hat auch ein (mehr oder weniger schlimmes) Ende. Apple ist, wie zu erwarten, seit Jahren in finanziellen Schwierigkeiten. In der vergangenen Woche ist Bill Gates bei Apple finanziell eingestiegen. Der Anfang vom Ende? Die (kopflose) Kultgemeinde ist entsetzt und von dieser für absolut unmöglich gehaltenen Entwicklung völlig überrascht.

Jürgen Albrecht, 15. August 1997

 

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