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Arme Leute - Reiche Leute

Auf einer der hinteren Seiten finde ich im Wirtschaftsteil des Tagesspiegels einen Artikel zu einer Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung. Keine Grafik, keine große Aufmachung, aber der Text ist sehr informativ. Es geht um die Vermögensverteilung in Deutschland. Was ich über andere Umwege schon (lückenhaft) herausbekommen habe, wird hier quantifiziert:

  • Das Nettovermögen der Deutschen beträgt 4300 Milliarden Mark. (Zum Vergleich, der Staatshaushalt 1997 beträgt etwa 11% dieser Summe !!!) Unklar ist, wie das 'Nettovermögen' definiert ist.
  • Sechs Prozent der Bevölkerung gehört von diesem Nettovermögen 33%.
  • Die reichsten 0,6% der (West)Haushalte besitzen 25% des gesamten deutschen Geld-, Immobilien- und Produktivvermögens.
  • Drei Prozent der Haushalte verfügen über 90% des Produktivvermögens.
  • Es gibt einen deutlichen, aber nicht quantifizierten Unterschied in den Vermögensverhältnissen zwischen Ost- und Westdeutschland.
  • Über die Vermögensverteilung in Deutschland gibt es keine umfassenden statistischen Daten.

Das Facit unter Einbeziehung der Geldentwicklung der letzten Jahre lautet: Die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland geht immer weiter auseinander. Es ist offensichtlich das zentrale Ziel deutscher Politik, die zu begünstigen, die viel haben und sie mit Steuern und Abgaben in Ruhe zu lassen. Die Steuereinnahmen stammen jetzt in erster Linie von den abhängig und selbständig Beschäftigten. Die Vermögenssteuer wurde gerade abgeschafft ...

In den Nachrichten ist ständig von Haushaltslöchern und verminderten Steuereinnahmen die Rede. Es wird nach neuen Steuerquellen gesucht. Das Benzin soll teurer und die Mehrwertsteuer von jetzt 15 auf 16% im Jahr 1998 erhöht werden. Die Besteuerung von Geld, Immobilien und Gewinnen aber wird nicht angetastet.

Außerdem sind alle spekulativen Gewinne steuerfrei. Das bedeutet, daß alle Börsengewinne, wo heute mehr Geld gemacht wird, als in der Produktion (!!), nicht besteuert werden. Es gibt Vorschläge, daß schon mit einer Steuer von 0,1% auf die Börsengewinne Milliardenbeträge eingenommen werden könnten.

An diesen wenigen Zahlen ist zu erkennen, welche zentrale Bedeutung eine umfassende Steuerreform hat. Sie wurde bei Regierungsantritt mit großen Worten (Kohl und die 'politisch-moralische Wende') von der Regierung angekündigt. Daraus ist nicht geworden. Und das aus zwei Gründen: Es gibt eine mächtige Lobby mit viel Geld die nur ein Ziel hat: Alles soll so bleiben, wie es ist. Und zweitens: Regierung und Opposition waren aus taktischen Gründen zu einem Kompromiß nicht fähig. Alles ist verschoben auf die nächste Regierung, die im September 1998 gewählt wird. Neben Rezepten gegen die Arbeitslosigkeit müßte das entscheidende Wahlkampfthema das Geld sein: Wie will die nächste Regierung Steuern einnehmen??

Nur eines scheint sicher zu sein: Es besteht überhaupt keine Gefahr, daß Deutschland pleite geht. Es ist genug Geld da, es ist nur etwas ungleich verteilt.

Jürgen Albrecht, 08. November 1997

 

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