BACK

Ich habe keine Wünsche mehr

 

Freitag, 27.12.1996, Schloßhotel Karnity in den Masuren. Um 9 Uhr sollten wir nach Berlin zurück fahren. Daraus wird nichts, der Bus ist kaputt. Alle warten auf den Ersatzbus. Ich liege auf dem Bett und höre den Deutschlandfunk. Um 9 Uhr ein Gespräch einer Reporterin mit Jersey, Georg, Gerhard (?) Trystar, geführt in Israel. Drei Stunden später im Bus schreibe ich auf, was ich gehört habe:

Ich bin 1922 in Deutschland geboren.
Ich stamme aus einer hochangesehenen Familie, aber Propheten haben wir nicht in unserer Familie.
Ich war schon mit 10 Jahren religiös.
Ich bin national-religiös.
Ich bin 1938 nach Australien ausgewandert.
Ich habe bis 1974 in Australien gelebt.
Ich bin verheiratet, habe zwei Söhne.
Ich habe ein phänomenales Gedächtnis.
Ich bin ein hoch angesehener Mann.
Ich wohne jetzt außerhalb von Jerusalem.
Ich bin jetzt Rentner, fahre aber täglich nach Jerusalem und führe dort religiöse Gespräche.
Ich bin berufen, Christen, Moslems, und allen, die danach fragen, das Judentum zu erklären.
Ich spreche sehr gut deutsch weil ich die deutsche Kultur sehr hoch schätze.
Ich war nie wieder in Deutschland.
Ich werde nie wieder nach Deutschland gehen.
Australien war für mich wie eine Neugeburt.
Ich habe dort mit meinen Händen gearbeitet, dann Ökonomie und Gesang studiert und mit Wirtschaftsberatung Geld verdient.
Ich habe als religiöser Jude in Australien unter Ostjuden gelebt.
Nur die waren religiös, die anderen Juden waren assimiliert. In Melbourne gab es um 1940 keine Kultur. Nur ein Theater, wer ist dort hingegangen: Nur die Juden.
Ich habe immer gewußt, ich gehe nach Israel.
1963 habe ich entschieden, im Dezember 1974 wandern wir nach Israel aus.
Zuerst haben wir in Israel eineinhalb Jahre im Lager gelebt. Das war billig.
Ich habe Wohnung und Job gesucht und hebräisch gelernt.
Ich hatte einen Job, hoher Prestigewert aber wenig Geld.
Ich war der Schatzmeister des xx Museums.
Ich mußte täglich Gespräche mit Sponsoren führen.
Israel hat viele Sponsoren. Warum? Es ist das schlechte Gewissen von Juden, die im Ausland leben und nicht nach Israel einwandern wollen, um dort ihr Leben zu riskieren und ihre Kinder in die Armee zu geben. Sie wollen mit Geld ihr Gewissen erleichtern.
Ich wohne in einer Siedlung in der Westbank, wo nur religiöse Juden wohnen.
Der Umzug hier her erfolgte aus ökonomischen Gründen. In Jerusalem sind die Wohnungen zu teuer.
Ich wohne hier im Niemandsland.
Das Land gehört nicht den Juden, aber auch nicht den Arabern. Unter dem englischen Mandat gab es den Vorschlag: Ein Staat für die Juden, einer für die Araber. Die Araber haben abgelehnt, deshalb ist es jetzt Niemandsland.
Ich sehe kein Problem zwischen Juden, Christen und Arabern.
Solange sie separat leben, gibt es kein Problem und sie leben separat. Es gibt nicht ein Haus in Israel, in dem Juden, Christen und Araber zusammen leben. Das geht nicht. Es gibt Mischehen, ja, aber das ist sehr schwierig, das Äußerste. Am besten geht es, wenn alle separat leben. Das ist die entscheidende Bedingung.
Ich bin sicher, Juden und Araber können nie miteinander zusammen leben.
Die Araber haben doch eine ganz andere (keine) Kultur und keine Bildung.
Nein, helfen kann man ihnen da nicht, das müssen sie schon alleine machen.
Ich bin kein Politiker, das interessiert mich nicht.
Ich kann ich Ihnen nicht sagen, wie es in Israel weiter geht. Da müssen sie schon Politiker, wie den Träumer Peres, fragen.
Ich habe alles erreicht, vor allen Dingen spirituell.
Ich bin mit dem zufrieden, wie es jetzt ist.
Ich habe keine Wünsche mehr.

Jürgen Albrecht, 28. Dezember 1996

BACK