Werbung im Fernsehen
Hat man einen Fernseher, kommt man an Werbung nicht vorbei. Die Nachrichtensendung ist beendet, will man den Wetterbericht sehen, muß man mindestens vier Werbespots über sich ergehen lassen. Ein Report von SPIEGEL TV, 45 Minuten lang, wird durch einen 'Werbeblock' eingeleitet und danach mindestens zweimal unterbrochen. Ein Werbeblock dauert bis zu acht Minuten und enthält bis zu fünfzehn (!)Werbespots. Das kann man allerdings nur Zuschauern von Sportreportagen oder Pornofilmen zumuten. Bei aktuellen Sendungen muß man mehr Angst davor haben, daß die Zuschauer abschalten, also sind die Werbeblöcke kürzer. Werbespots sind fotografisch extrem aufwendig gemachte Kurzfilme. Computer und optische Tricks spielen eine immer größere Rolle. Das einzige Ziel ist der Verkauf. Kann die Verkaufsrate erhöht werden, ist kein Preis zu hoch und jedes Mittel recht. Der potentielle Käufer hat (bis jetzt !) nur einen Trost: Die verkaufsfördernde Wirkung von Werbesendungen ist nur sehr vage zu quantifizieren. Dadurch gibt es noch kein eindeutiges Rezept oder einen immer wiederholten Trick. Da auch die Gewöhnungs- und Verschleißrate solcher Spots extrem hoch ist, müssen ständig neue Einfälle produziert werden. Es ist möglich, die Wirkmechanismen der in Werbespots verpackten Storys zu klassifizieren. Eine interessante Frage wäre auch, warum zum Beispiel offensichtliche Lügen oder Märchen werbewirksam sind: MÄRCHEN TABUBRUCH
|
LÜGE INFORMATION EMOTION PLACEBO Ich habe mich dazu verurteilt, eine Woche lang Werbespots zu sehen und eine Strich liste zu füh- ren. Dabei sollte eine Tabelle über die Häufigkeit der einzelnen Klassen entstehen. Daraus ist nichts geworden. Die Klassifikation stimmt, aber es gibt kaum Spots, die nur einer Klasse zugerechnet werden. In den meisten Geschichten ist Lüge, Emotion und Placebo verpackt. Erstaunlich viele Werbungen enthalten außer einem Firmennamen absolut keine Information. Informationen scheinen der Werbebranche suspekt zu sein. Der Produktname aber gerade nicht. Dieses Grundmuster gilt für die gesamte Werbebranche. Es spielt eine untergeordnete Rolle, ob die Werbung gedruckt, über das Radio oder über das Fernsehen verbreitet wird: Werbung
zielt immer auf den Bauch |
Jürgen Albrecht, 19. Mai 1995