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Geschäfte mit der Wiedervereinigung

Es gibt einen Ausspruch von Bismarck (?): "Der Krieg bekommt der deutschen Wirtschaft wie eine Badekur!" Genau das könnte man jetzt von der Wiedervereinigung sagen: Nie wurden größere Nachkriegsgeschäfte in Deutschland gemacht, als nach und mit der Wiedervereinigung. Zwei Beispiele, im Detail nachzulesen im SPIEGEL 20/1995, zeigen das Strickmuster:

Die Treuhand hatte die Aufgabe, die Wirtschaft der ehemaligen DDR zu privatisieren. Das verharmlosende Wort Privatisieren heißt verkaufen. Die Treuhand hat sich 1994 aufgelöst, weil sie zu diesen Zeitpunkt ihre Aufgabe zu 95 % erfüllt hatte. Die Treuhand wird immer in einem Atemzug mit dem Namen ihrer Chefin genannt werden: Frau Birgit Breul. Ganz ohne Sarkasmus: Nie hat jemand erfolgreicher für die Deutsche Wirtschaft gearbeitet.

Das Ganze hat nur einen kleinen Schönheitsfehler. Die DDR mit ihrer gesamten Industrie, ihren Immobilien, Wäldern, Ländereien und Schlössern wurde zwar verkauft, aber der Verkäufer (die Bundesrepublik Deutschland) hat dabei nichts eingenommen, sondern mindestens 350 Milliarden DM (!!) draufgezahlt. Es gibt unterschiedliche Zahlen, die exakten sind geheim. Im Klartext heisst das: Die Treuhand verschenkte die komplette DDR zusammen mit 350 Milliarden DM an die deutsche Wirtschaft.

Wie kann das sein?? Wie man die ganzen BUNA Werke geschenkt bekommt und noch neun Milliarden dafür bekommt, daß man bereit ist, sich BUNA schenken zu lassen? Wie das geht, beschreibt der Artikel "Ein Gefühl wie Weihnachten". Wenn man es nicht detailliert nachvollziehen könnte, keiner würde glauben, daß so etwas tatsächlich in der Realität passiert ist. Aber die Wirklichkeit ist noch unglaublicher, weil BUNA kein Einzelfall, sondern nur ein exemplarischer Fall für den durchschnittlichen Treuhand-'Verkauf' ist. Wie sollten sonst 300 Milliarden Verlust beim Verkauf zustande kommen?

Das zweite Beispiel liegt auf einer anderen Ebene. Für den Aufbau Ost und den Umzug der Hauptstadt von Bonn nach Berlin werden ungeheure Geldmengen der öffentlichen Hand aufgewendet. Solche Geldmengen ziehen ganz natürlich die Geschäftemacher an wie der Honig die Bienen. Das ist ganz normal. Korruption, Kauf von Politikern, Wirtschafskriminalität ... alles normal !

 

Der Artikel "Vernarrt in Glitzer" beschreibt die Kungeleien bei der Auftragsvergabe für die Untertunnelung der Berliner City. Es geht eben nicht fair, gerecht und mit Anstand um Qualität und Leistung. Alles Lüüühügääh! Es kommt in erster Linie darauf an, wer welche Beziehungen jahrelang gepflegt und geschmiert hat und sie zum richtigen Zeitpunkt nutzen kann. Die Öffentlichkeit wird ganz ungeniert belogen, kleine Firmen, bei denen der Chef täglich 20 Stunden gegen den Konkurs ankämpft, haben nicht die geringste Chance, die wenigen Großen der Branche teilen sich das Fell des Bären.

Ich bin davon überzeugt, daß auch dieses Beispiel exemplarisch ist. Genau so sieht die Freiheit in der "Freien Wirtschaft" aus. Genau das habe ich (Gott sei Dank) schon 1990 erkannt und deshalb keine Firma gegründet. Der wesentlichste Grund dafür war, daß ich mir dafür zu schade war, mich bis ans Ende meiner Tage in jeder nur möglichen Weise zu prostituieren, um Aufträge für meine Firma zu bekommen. Daran muß man sich schon im Vorschulalter gewöhnen und es täglich trainieren, sonst wird man kein Könner auf diesem Gebiet.

Eines zeigen diese Beispiele auch wieder: Die Gewinner sitzen, wie nach dem Krieg, im Westen. Die Ossi's haben keine Chance bei dem Geschafft auch etwas zu verdienen. Von ein paar STASI-Leuten abgesehen, die ein paar Millionen beiseite gebracht haben und sich dabei so richtig clever vorgekommen sind. HA, Peanuts ! Da kann sich doch ein Wessi, mindestens seit 50 Jahren im Geschäft, kaum ein Lächeln abringen.

Aber einen Trost haben wir ja: Die 'Heimatvertriebenen', die 40 Jahre in der DDR ausgeharrt haben, können jetzt einen Antrag auf 'Lastenausgleich' stellen. Wird er genehmigt, erhalte ich (geboren in und 1945 geflüchtet aus Schlesien) 4.000,- DM. Ironie der Geschichte: Das sind genau 100 DM pro Lebensjahr unter DDR Bedingungen. Aber mit der Entschädigung meiner DDR Biografie hat dieser 'Lastenausgleich' nichts zu tun. Der steht noch aus und natürlich überhaupt nicht zur Debatte!

Anmelden kann ich meinen Anspruch. Der Staat zahlt die vier Tausender aber erst nach dem Jahr 2000 in der Hoffnung, daß ich es nicht mehr erlebe.

Doitschland ... wie ick Dir liebe!

Jürgen Albrecht, 21. Mai 1995

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