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Zentral in den Untergang gesteuert


Warum ist das Sozialistische Lager zusammengebrochen? Ist der Sieg des Kapitalismus über den Sozialismus ein Rückschritt, nur ein vorübergehender Betriebsunfall der Menschheitsgeschichte oder war das Scheitern vorprogrammiert? Ist die "Wissenschaftliche Weltanschauung" und besonders das "Naturgesetz" des historischen Materialismus, daß sich auch die Gesellschaftsordnungen vom Niederen zum Höheren entwickeln, nur ein Märchen, ein schöner Traum? Ist das Warten auf den "Neuen Menschen" die gleiche Utopie wie das Warten auf den Messias?

Heute ist (mir!) klar, das Scheitern war vorprogrammiert. An ein Naturgesetz, dass uns automatisch zu Siegern der Geschichte macht, habe ich nie geglaubt. Denn daran kann man nur glauben. Aber wie zwangsläufig und unausweichlich das Scheitern des Sozialismus war, wird mir jetzt erst langsam klar. Ein letzter kommunistischer Diktator, Kim Il Sun, mit Personenkult zum Gott gemacht, ist in Nordkorea gestorben. Dabei wurde mir bewusst, wie endgültig diese Utopie gescheitert ist:

Es ist nicht möglich, die elementaren Verhaltensweisen des Menschen durch Erziehung zu verändern. Dazu gehören z.B. das Revierverhalten, das Streben nach Eigentum, der Überlebenswille usw. Deshalb kann man nur mit dem Menschen rechnen, der zur Zeit auf der Erde lebt, es wird erst nach langer Evolution oder nach Genmanipulation (Hilfe !!) einen neuen Menschen geben.

Die Geschichte der Menschheit sieht wie eine Entwicklung von Niederen zum Höheren aus. In bestimmter (z.B. technischer) Hinsicht ist sie das auch. Aber nicht im Kern. Die Triebkraft der gesamten menschlichen Kultur ist das genetisch programmierte Verhalten des Menschen: Neugier, Revierverhalten, Unternehmungsgeist, Eigentum, Fortpflanzung, Überlebenswille zu jedem Preis. Und das genau sind die Grundlagen des Kapitalismus. Deshalb könnte man auch sagen, die Geschichte der Menschheit ist die Geschichte der Entwicklung des Kapitalismus vom Niederen zum Höheren.

Der Mensch beherrscht nur Probleme geringer Komplexität. Deshalb funktioniert nur das einwandfrei, was sich selbst reguliert. Der Kapitalismus reguliert sich selbst. Staatliche Eingriffe bewirken wenig. Die grundsätzlichen Entwicklungsrichtungen dieser Hochkultur sind nicht von Menschen vorgedacht und schon gar nicht von Menschen konzipiert und dann durchgesetzt worden. Die Entwicklung steuert sich selbst über das elementaren Verhalten der Menschen, die als Gesamtheit diese Entwicklung und diese Gesellschaft tragen.

 

Alle bisherigen Entwicklungen der menschlichen Zivilisation haben nur zwei Modelle hervorgebracht: Diktatur und Pluralismus. Aber auch der Pluralismus (sowieso nur etwas für reiche Staaten) benötigt einen Schuss Diktatur. Denn auch die "Basisdemokratie" funktioniert (vielleicht !) in einer 20-Mann-Rotte mit einem weisen Anführer, aber nicht in einer hochorganisierten Gesellschaft. Kluge Diktatoren, Staatschefs, Firmenbosse oder Clanchefs setzen auf Selbstregulierung, auf die Grundprinzipien des kapitalistische Systems. Sie wissen, daß sie die Komplexität nicht beherrschen, nicht jeden einzelnen Menschen steuern können. Diesen Wahn haben zum ersten (und hoffentlich zum letzten Mal) die Kommunisten gehabt. Das mußte schief gehen. Intelligenz kann man nicht zentralisieren. Auch die Zentrale ist wieder nur ein einfacher Mensch!

Die Natur hat kein anderes Problemlösungsverfahren entwickelt als das Prinzip TRIAL AND ERROR. Versuche es und beobachte, ob es die Welt aushält! Und weil die Natur kein anderes Verfahren hat, hat auch der Mensch keines. (Sogar das Probehandeln beim Denken erfolgt meistens mit Trial and Error !! Al/14.07.02)

Der letzte Gesichtspunkt erhellt vielleicht am besten unser Dilemma: Die gesamte Evolution des Lebens auf dieser Erde wurde mit den Prinzipien verteilte Intelligenz und Selbstregelung 'gesteuert'. Es gibt in der Natur keine zentralisierte Intelligenz. Und wahrscheinlich ist das der deutlichste Hinweis darauf, daß das Scheitern einer solchen Variante vorprogrammiert war und auch beim nächsten Versuch vorprogrammiert ist.

Das Facit: Je mehr Zentralismus, desto schneller der Zusammenbruch. Ob das System Dynastie, Kaiserreich, Diktatur, Sozialismus, Demokratie oder Bundesrepublik heisst, ist völlig egal.

Mir ist völlig klar, auch dieses Problem ist viel zu komplex, als daß man es so holzschnittartig beschreiben, wie ich es hier gemacht habe. Die grundsätzliche Tendenz aber ist richtig ist. Es sind absolute Nebensächlichkeiten, ob Gorbatschow hätte geschickter handeln können, ob Honecker und seine alten Herren Dilettanten waren und ob das DDR-Regime durch die BRD stabilisiert worden ist.

Wirtschaftliche Gründe haben den Untergang des gesamten Sozialistischen Lagers bewirkt. Und warum waren die DDR und der gesamte Ostblock wirtschaftlich ineffizient?

Jürgen Albrecht, 20. Juli 1994

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