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Der Papagei und der Sinn des Lebens Seite 3/3

Wahrscheinlich ist dem Papagei nicht klar, dass das Universum maximal 15 Milliarden Jahre alt ist und dass es die Erde seit 4,6 Milliarden Jahren gibt. Vor einer Milliarde Jahren ist der rote Sandstein entstanden, der inzwischen zu dem überall gegenwärtigen, roten australischen Sand zermahlen wurde. Seit 300 Millionen Jahren hat sich die Landschaft Zentralaustraliens nur unter dem Einfluss der Erosion verändert. Stillstand unter Sonne, Wind, Temperaturdifferenzen und manchmal auch im Regen.

In diesen 300 Millionen Jahren hat sich aber gleichzeitig das gesamte höhere Leben auf der Erde evolutionär entwickelt. Seit 30 Millionen Jahren gibt es Primaten und vor 0,1 Millionen Jahren tauchten die ersten Menschen auf. Vor 60.000 Jahren begannen die Aboriginals den Australischen Kontinent zu besiedeln. Die ersten Zivilisationen sind nicht älter als 5000 Jahre und erst seit 100 Jahren wird die Erde dramatisch durch Wissenschaft und Technik verändert. Was sind 100 Jahre in der Geschichte der 'Welt' was 100.000 Jahre? Nichts. Aber in dieser Zeit, so kurz wie ein Blitzlicht, tauchen in der Evolution des Lebens Menschen auf und sie behaupten sofort, das gesamte Universum erkennen zu können !! Ein typischer Fall von Grössenwahn. Nur Menschen können sich selber so überschätzen. Wer kann voraussagen, wie die Evolution des Lebens in den nächsten 300 Millionen Jahren weiter verläuft? Wer will wirklich ernsthaft behaupten, solche Fragen wären prinzipiell zu beantworten, möglichst schon in den nächsten zehn Jahren?

An solchen nie zu beantwortenden Fragen erkennt man, dass kein Mensch ernsthaft davon ausgehen kann, dass die Welt erkennbar ist. Ich bin inzwischen sogar davon überzeugt, dass atheistische Philosophen wie Hegel und Feuerbach die 'Grundfrage der Philosophie' nie wirklich so gestellt haben. Sie haben den Satz 'Die Welt ist erkennbar' als Konstrukt in die Welt gesetzt. Der Trick der Mathematiker wurde angewandt.

 

Es wurde eine 'Naturkonstante' eingeführt, mit der das gesamte Gedankengebäude stabilisiert wurde. Erst damit konnte aus einer Hypothese ein geschlossenes System werden: Der Materialismus. Der Satz 'Die Welt ist erkennbar' wird gebraucht, um sich vom wie auch immer gearteten Gott der Idealisten verabschieden zu können. Also wurde dieser Satz gesetzt, ohne dass er bewiesen wurde und ohne dass jemand nach dem Beweis fragt. Auch das ist erstaunlich ... oder ist es eine stillschweigende Vereinbarung?

Wahrscheinlich wurde dieser Satz erst später von den marxistischen Ideologen als die 'Grundfrage der Philosophie' hoch stilisiert. In der Phase des Sozialismus liessen die 'Sieger der Geschichte' überhaupt keine Diskussion dieser Frage zu. Man agierte so, als ob dieser Satz längst gesicherte, wissenschaftliche Erkenntnis ist. Erst die sozialistischen Ideologen haben aus einem philosophischen Konstrukt einen 'Glaubenssatz' gemacht. Ein Element, das gerade nicht in ein materialistisches System gehört. An diesem einen Aspekt der materialistischen Philosophie erkennt man, wie sträflich die Weiterentwicklung dieser Philosophie durch die ideologischen Träger des Sozialismus vernachlässigt worden ist. Der materialistische Grundsatz 'Negation der Negation' existiert zwar in der Philosophie, in der sozialistischen Politik wurde er konsequent ignoriert.

Jetzt höre ich auf. An ein Ende komme ich sowieso nicht. Als Facit könnte man sagen: Der Mensch (von heute) hat keine Chance, die Welt und den Sinn seines Lebens zu erkennen. Tröstlich aber ist, dass mir der Papagei bestätigt: Ich kann machen was ich will, es interessiert niemanden in diesem Universum !!

Also dann, Rucksack packen, morgen gehe ich auf die nächste Tour. Diesmal in südöstliche Richtung. An Chambers Pillar werde ich wieder ein Erkenntnisproblem haben: Ist die Simpson Dessert erkennbar?

Jürgen Albrecht, Alice Springs, NT, 22. Oktober 1999

20.12.2000

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