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Rapsfelder am Kap Arkona ... Seite 4/4

 

Ich frage mich, wie das von hier aus in hundert Jahren aussehen wird. Das Meer rennt gegen die Steilküsten an und hat leichtes Spiel. Hier gibt es keine felsige Küste, sondern ganz Rügen scheint aus Geröll zu bestehen, das mehr oder weniger mit Kreide durchsetzt ist. Die Steilküste von Kap Arkona, die ich mir von unten ansehe,

nachdem ich hundert Treppenstufen runter gelaufen bin, diese Küste sieht wie eine Schutthalde aus. Es ist ganz deutlich ein Schüttwinkel erkennbar und man kann sich vorstellen, was hier ein Sturm mit einer richtigen Brandung anrichtet. Erstaunlich, dass die Erosion dieses Landes nicht schneller von statten geht.

 

 

Aber es reicht, denn die halbe Jaromasburg wurde in den letzten 500 Jahren schon von der See aufgefressen. Überall ist hier Kreide zu sehen. Das Geröll ist mehr oder weniger mit Kreide durchsetzt, manche Stellen sind ganz weiss: Reine Kreide. Was ist Kreide? Schalentiere der Kreidezeit haben diese Kreide aus dem Meerwasser destilliert. 70 bis 130 Millionen Jahre ist das her. Nicht zu fassen, wie lange es gedauert hat, solche Mengen von Kreide zu erzeugen und zu ganzen Gebirgen aufzustapeln. Aber so ist die Natur: Zeit spielt überhaupt keine Rolle. Die Natur hat unendlich viel Zeit.

Wir laufen nach Vitt. Ein angenehmer Weg unter Bäumen und mit Sicht auf das Meer. Pferdegespanne kommen vorbei galoppiert und ziehen grosse Staubfahnen hinter sich her. Mit diesen Pferdewagen kann man sich auch nach Vitt kutschieren lassen. Aber wir kommen auch zu Fuss und mit Rollstuhl hin. Der Weg ist zwar schlecht und steinig, aber nicht zu schlecht und es ist höchstens einen Kilometer. Bei der Kapelle von 1816 aber ist Schluss. Nach unten in das Dorf geht es nur über Treppen und das ist zu beschwerlich mit dem Rollstuhl. Ich lasse Peter oben an einer schönen Stelle in der Sonne zurück und laufe runter in das kleine Bilderbuch-Dorf. Man kommt sich so vor, als würde man durch eine Filmkulisse wandern.

Solche sauberen und fein herausgeputzten Häuser gibt es doch im wirklichen Leben überhaupt nicht! Hier aber gibt es sie. An mehreren Stellen könnte man hier auch Kaffee trinken und Kuchen essen. Am kleinen Hafen verkauft ein Fischer Räucherfisch direkt aus dem Rauch. Den kann man gleich hier mit einem Stück Brot heiss essen. Auch eine Flasche Bier gibt es bei Bedarf dazu. Ein sehr nahrhaftes Mittagessen. Ich nehme einen frisch geräucherten Rotbarsch für das Abendbrot mit. Der kostet 6,20 DM. Ich möchte nicht wissen, was ich dafür in Amrum bezahlen müsste ...

Als ich wieder oben bei der Kapelle bin, bemerkt mich Peter nicht. Er hat seinen Kopf in die Hand gestützt, geniesst die Sonne und macht einen kleinen Mittagsschlaf. Als sich der Rollstuhl bewegt ist er aber gleich hellwach: ‚Schon halb Eins !!‘ sagt er vorwurfsvoll. Ja mein Freund, die Bratwurst ist überfällig. Am Leuchtturm wartet sie auf uns, wir müssen aber erst wieder zurück laufen. Das dauert eine halbe Stunde und dann gibt es Bratwurst mit Fanta als Mittagessen. Das reicht uns. Weil wir Urlaub haben, fahren wir von der Bratwurst direkt in unsere schönen, breiten Betten und leisten uns erst mal einen angenehmen Mittagsschlaf.

Jürgen Albrecht, 03. Juni 1999

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