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Erste Fahrversuche - Nach Tofino, BC 3/3

In der Nähe der Long Beach

Wanderung in Ucluelet
Am nächsten Morgen verlasse ich den teuren Campingplatz und Tofino in Richtung Ucluelet. Die Sonne scheint! Ich biege in der Nähe der Long Beach von der Strasse ab und fahre auf den Radar Hill. Hier befand sich im II. Weltkrieg eine Radarstation. Jetzt sind davon nur noch ein paar Fundamente zu sehen. Mich interessiert die wunderbare Aussicht auf den Pacific Ocean viel mehr. Ausserdem sind hier ganz deutliche Schrammspuren von Gletschern zu sehen. Sie sind nur ein paar tausend Jahre alt.

Schrammspuren auf dem Radar Hill

Nach einer Stunde Fahrt, bei der man vom Pacific nichts sieht, bin ich in Ucluelet. Auch dieses ehemalige Fischerdorf ist voll auf den Tourismus eingestellt. Whale Watching und Fishing kann man von hier aus mit Booten machen. Auch der nördliche Endpunkt des West Coast Trails kann man von hier aus erreichen, aber auch nur mit einem Boot. Einen Badestrand hat Ucluelet nicht. Im Gegenteil. Die Küste ist gespickt mit scharfkantigen, schwarzen Felsen, gegen die die Brandung anrennt. Der Wild Life Trail führt kilometerweit an dieser Küste entlang und endet beim Leuchtturm von Ucluelet. Eine herrliche Wanderung, auf der ich einen seltenen Halo der Sonne fotografiere.

Mehrfach ist mir heute aufgefallen, wie schwer es die Indianer hier in dieser wilden Gegend im Vergleich zu den Aboriginals hatten: Hier ist es nass und kalt und der Rainforest ist undurchdringlich. Wasser, strotzendes Grün, hohe und dicke Bäume, Lianen, Moose, Farne, Flechten, die die Bäume dick einhüllen. Flechten hängen von den Bäumen im Wind. Die Luftfeuchtigkeit ist so hoch, dass sie keine Wurzeln im Boden brauchen. Wie schwer muss das für die Natives gewesen sein, in dieser rauen Natur zu überleben. Auch die See gibt freiwillig nichts her. So eine raue Küste wie die vor Ucluelet habe ich noch nie gesehen. Das liegt an dem Basalt, der hier offenbar ohne Deckschicht liegt und der auch die hohen Berge bildet. Dieses harte Gestein ist nur schwer zu erodieren und es wird von der See nicht glatt geschliffen. Es bricht und splittert. Dadurch entstehen scharfkantige Riffe, auf denen man nur mit Mühe vorwärts kommt. Vor dem Leuchtturm habe ich es versucht. Es ist schwierig und an solchen Stellen bei dieser wilden Brandung zu fischen scheint mir ziemlich unmöglich.

Halo über Ucluelet

Aber die Natives hatten Glück, denn es gibt hier zahllose Inseln, Buchten Fjorde und auch Seen, da kann man schon eher auf die Jagd gehen. Trotzdem bleibt das Wetter als gewaltiger Gegner. Diese Gegend ist dafür berühmt, dass es praktisch immer regnet. Im Winter ist es Schnee und im Sommer wird es nicht viel wärmer als 25 Grad werden. Heute habe ich offenbar einen der seltenen Tage erwischt, an dem die Sonne scheint und man die Berge sehen kann. Nicht einmal hat es heute geregnet!

Übernachtung ohne Steckdose
Auf der Rückfahrt übernachte ich am Sproat Lake. Heute ist Premiere: Ich probiere aus, wie man es in der canadischen Natur auch ohne Campground aushält.

 

Am Highway Nr. 4 nach Port Alberni gibt es 40 Meter über dem Sproat Lake einen hervorragenden Standplatz. Zurückgezogen im Wald liegt an der Strasse eine Betonplatte, auf der man hervorragend stehen kann. Vielleicht ein Platz für den Winterdienst. Von dort aus führt ein Trampelpfad durch den Wald runter bis an den See. Hier stört niemand den Generator und ich kann ausprobieren, ob man damit heizen und die digitalen Geräte betreiben kann.

Rückfahrt auf dem HWY Nr. 4

Vor dem Abendbrot habe ich unten am See Holz gesammelt. Bei Sonnenuntergang mache ich das, was ich bei Karl May immer nur gelesen habe: Das Feuer mit dünnen, abgestorbenen und trockenen Zweigen vorbereiten und dann Moos oder Flechten anzünden. Wenn man das geschickt macht, brennt das Feuer sofort. Ein schönes Feuer am See in der Abenddämmerung.

Übernachtung am Sproat Lake

Als ehemaliger DDR-Bürger kann ich es wieder einmal nicht fassen, dass es diese Freiheit tatsächlich gibt! Ist das der Traum, den ich 1958 hatte, als ich als Student allen erzählte, dass ich nach Canada auswandern werde? Warum habe ich nur geträumt, warum habe ich es nicht gemacht?! Ich hatte keinerlei Vorstellung von Canada und auch keine exakten Pläne, denn als erstes musste ich das Diplom in der Tasche haben. Vorher waren alle Pläne unrealistisch. Im Mai 1961 war es so weit. Aber wir waren sehr verliebt, Ute wurde Ende Mai schwanger und am 13. August wurde die Mauer gebaut ... Die Weichen waren gestellt und in den nächsten 40 Jahren existierte Canada für mich nicht mehr.

Es ist nicht zu fassen, aber es geht: Der Generator läuft vor meinem Camper so leise, dass ich ihn kaum höre. Aus der Steckdose kommt Strom, den ich selber produziere! Die Tischlampe brennt, die Heizung funktioniert und der Laptop wird geladen. Nur wenn ich den Kühlschrank auch noch zuschalte, erscheint die rote Lampe: Der Generator ist überfordert. Ich freue mich wie ein Schneider, denn ich bin autonom in der canadischen Natur! Obwohl es mir hier viel zu kalt und regnerisch ist, die Freiheit ist grenzenlos: Auch im nassen Wald kann man Feuer machen, überall in der Wildnis kann man campieren und braucht dabei nicht auf die digitale Technik zu verzichten.

Das waren schöne Tage! Viele herrliche Bilder im Kopf und ein grosses Erfolgserlebnis: Meine Ausrüstung funktioniert. Einen Campground muss ich nur noch anfahren, wenn ich eine Dusche nehmen will, oder eine Waschmaschine brauche. What a life!

Jürgen Albrecht, 02. Mai 2001, 08.11 2003

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Die schroffe Küste bei Ucluelet