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Bei den Aboriginals auf Tiwi Island ... Seite 4/4

Bis zur Beach ist es von hier aus nicht weit. Nach dem Lunch fahren wir gegen 14 Uhr an die Timor Sea. Überall liegen dunkelbraune Steine und wo der Wind Sandwellen erzeugt, kann man sie gut erkennen, weil der Sand fraktioniert wird und die grössten Sandkörner braun sind. Menschenleerer Strand und klares Wasser, soweit das Auge reicht und hunderte von Kilometern um Tiwi Island herum. Aber Vorsicht, lieber nicht baden und schnorcheln: Hier gibt es natürlich Salzwasserkrokodile! Die See ist auch voller Fische, aber es gibt weder Fischer noch einen Fischladen in Nguiu, wo man sich für das Abendbrot einen Räucherfisch mitnehmen könnte. Genau das aber ist die Sicht der Weissen! Die Aboriginals denken in völlig anderen Kategorien und in denen existiert kein Fischladen, kein Atelier und auch keine Plantage!

Wir fahren zurück durch den Bush. Das ist hier streckenweise dichter Wald mit hohen und dicken Bäumen. Ganz Tiwi Island ist mit dichtem Bush bewachsen und an den Küsten gibt es vielfach Mangrovensümpfe, wie man aus der Luft erkennen kann. Im Unterholz stehen Stachelpalmen und Livistona Palmen, klein, aber mit breiten Wedeln. Auch Termitenbauten sind im Bush zu sehen. Diese aktiven Insekten haben also auch diese Insel erreicht. Und es gibt noch eine Überraschung: Auch hier stehen die Cycaden aus dem Litchfield National Park. Aber es scheint eine leicht modifizierte Sorte zu sein, die Stämme sind dünner und die Wedel schlanker. Es brennt im Busch an vielen Stellen, aber das ist zu dieser Jahreszeit kein Problem.

Wir erreichen die letzte Station des heutigen Tages: Eine 'burial site', ein Begräbnisplatz. Clinton erzählt, dass 'my people' der Meinung ist, dass der Körper nach dem Tode so schnell wie möglich wieder in die Natur zurück kehren soll. Es gab früher Bestattungen zur See, gleichzeitig aber auch solche Begräbnisplätze, wo die Toten gerade nicht begraben wurden. Sie wurden offen auf die Erdoberfläche gelegt und es dauert nicht lange, bis nur noch die Knochen übrig sind. In Gegenden, wo es grosse, fleischfressende Tiere gab, wurde der Tote auf ein 2 bis 3 Meter hohes Gestell gelegt. Die Verwandten besuchten den Toten an diesem Platz und brachten ihm Nahrung in den für Tiwi Island typischen Rindenbeuteln. Ich finde diese Art der Beerdigung sehr lehrreich für die Hinterbliebenen. Wie kann man deutlicher vorgeführt bekommen, wie endlich das Leben ist, wenn man sieht, wie schnell sich ein toter Mensch in das Nichts auflöst?

Zum Gedenken an die Verstorbenen wurden und werden 'burial poles' aufgestellt. Das sind geschnitzte und bemalte Holzstämme. Sie stehen hier an dieser schönen Stelle, von der man auch über das Land und auf die Küste sehen kann.

 

Ein solcher Begräbnisplatz wurde über lange Zeit von einem Clan für seine Familienmitglieder benutzt. Die Tradition der burial poles scheint sich bis heute wirklich im Tiwi Volk erhalten zu haben, denn als wir an dem christlichen Friedhof vorbeifahren (Anhalten ist nicht eingeplant), sieht man dort auch solche Totem Pfähle stehen. Sicher ist das zu Zeiten von Father Gsell völlig undenkbar gewesen.

Gegen 16 Uhr sind wir wieder am Flugplatz, der ein Airstrip mit einer Teerdecke ist. Das Abfertigungsgebäude besteht nur aus einem Raum, in dem der Manager am Telefon sitzt. Unter einer Überdachung wird man auf der Liste abgehakt und steigt auf eine Waage. Toiletten gibt es hier auch. Viele Menschen laufen herum und viele Flugzeuge stehen hinter dem Drahtzaun an der Piste. Der tägliche Verkehr zwischen Darwin und Nguiu wird ausschliesslich über diesen Airstrip abgewickelt.

Gerade ist ein Dell Computer in Nguiu gelandet. Ich frage Paul und Lee, ob man vielleicht auch mal ein Computer Projekt initiieren will. Paul ist sofort dafür aber Lee winkt ab. Er kennt die Schwierigkeiten, die man schon damit hat, die Tiwi People zum Malen zu bewegen ... Computer sind heute noch so weit von den Aboriginals entfernt, wie 1930 der Abacus.

13 Erwachsene und drei Kinder waren hier on Tour. 13 x 280 Dollar wurden heute eingenommen. Wer hat an einem Tag 4.000 Dollar verdient? Mit Sicherheit wieder die Weissen. Das Publikum war gut gemischt: Frankreich, England, Deutschland, USA und Australia. Ein US Jetpilot, der schon seit 10 Monaten in Deutschland stationiert ist, macht mit Frau und zwei Kindern in Australien Urlaub. Mit dem 7-jährigen Mädchen konnte ich mich schon in Deutsch verständigen, mit der Mutter und dem Vater absolut nicht! Die Franzosen verstanden kaum English und sprachen konsequent nur französisch und hatten die entsprechenden Probleme ... da sind die Franzosen sehr eigensinnig.

Nachdenklich sehe ich auf dem Rückflug aus dem Fenster des Flugzeugs. Grüne Inseln in der blauen, ruhigen Timor Sea. Das erste Mal fällt mir auf, dass sich die Wasseroberfläche mit den Wellen statisch verhält und sich insgesamt in Richtung des Windes verschiebt. Eine aufgeschlossene Gruppe war heute unterwegs. Grosse Diskussionen hat es untereinander nicht gegeben. Aber die Leute waren sehr nachdenklich, manchmal betroffen. Ich hatte den Eindruck, dass sich alle mit ähnlichen Gedanken wie ich beschäftigten: In der Vergangenheit hat sich der Weisse Mann am Äquator mächtig daneben benommen ...!

Jürgen Albrecht, Darwin, NT, 30. Juni 2000

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