BACK

Wanderung im Denali National Park 3/3

Auf der Rückfahrt steige ich vor Polychrome Overlook aus und jetzt beginnt eine dreistündige Wanderung durch diese hoch interessante Landschaft. Ich fotografiere diese eigenartigen, farbigen Berge, die tatsächlich manchmal wie geschichtet aussehen, aber nur so verwittert sind. Es ist kein sehr hartes Gestein, es wird von Eis, Schnee und Temperaturwechsel wie Schiefer zersplittert. Das macht die Angelegenheit noch verwirrender.

Riesige Schutthalden sind zu sehen, wie sie der Mensch nicht besser aufschütten und fraktionieren könnte. Sie führen auf der einen Seite der Strasse 200 Meter tief in den Abgrund des Flussbettes und auf der anderen Seite der Strasse 200 Meter den Berghang hinauf! Die Strasse dazwischen zeigt, wie hilflos hier der Mensch agiert. Völlig klar, dass diese Strasse ständig wieder von oben zugeschüttet wird. Deshalb ist hier auch täglich schweres Räumgerät im Einsatz. Wenn man hier 14 Tage nicht mit dem Grader fährt, muss der Busverkehr eingestellt werden! Gerade an solchen Stellen wird überdeutlich, wie unterschiedlich die Motivation von Mensch und Natur sind und wie unvergleichlich bessere Karten die Natur hat.

Nachdem ich 5 Kilometer auf dieser hoch interessanten, aber entsetzlich staubigen Gravelroad in Richtung Teklanika River gelaufen bin, steige ich wieder in einen Bus ein und lasse mich auf den nächsten Berg fahren. Auch hier sind die Berge noch farbig, aus dem gleichen Material, aber nicht so schroff, sondern sanft gerundet. Das will ich mir jetzt hier mal von Nahem ansehen. Die Busfahrern macht mich beim Aussteigen darauf aufmerksam: 'Das hier ist eine geschlossene Gegend (closed area), bitte auf der Strasse bleiben!'

Ich habe zwar gelesen, dass es solche Gebiete gibt, aber ich höre einfach weg. Mehr Schaden als ein Moose werde ich auch nicht anrichten. Über ein schmales Schneefeld steige ich auf einen baum- und buschlosen 30° steilen Abhang, der vorwiegend mit Moosen und nur vereinzelt mit blaubeerartigen Sträuchern bewachsen ist. Ich überwinde einen Höhenunterschied von vielleicht 150 Metern, dann habe ich die Vegetationsgrenze erreicht. Ab hier liegt der blanke, scharfkantige Schotter auf dem Hang, die Körnung ist nach dem Neigungswinkel sortiert! Das ist sehr merkwürdig anzusehen. Die Farbe variiert in Braun und Gelb.

Ruhe, keine Bären weit und breit zu sehen. Herrliche Aussicht auf die schwarz-weiss gestreiften Berge gegenüber. Dazwischen ein Tal mit einem breiten Flussbett, wenig Wasser. Es ist kalt, um die 8 Grad, aber nicht sehr windig. Ich kann nicht mehr weiter nach oben und auch nicht am Hang entlang, parallel zur Strasse, weil hier ein metertiefes Schneefeld in einer Senke liegt. Ich setze mich hin, gucke mir die Totale und auch die Vegetation im Makro an: Es blühen hier sogar Blumen, aber die sieht man nur mit Brille und wenn man ein hungriger Elch ist!

Unten hält lange ein Bus. Zwei Leute, die auch auf der Strasse liefen, haben ihn angehalten. Obwohl ich mich ruhig verhalte und sitze, werde ich mit Ferngläsern observiert:

 

Was macht dieser Mensch da oben im closed area? Ausser Gucken mache ich nichts. Was für Bilder! Beim Absteigen sehe ich mit Erstaunen, dass hier auch die Murmeltiere Strassen gebaut haben. Sie führen in die Umgebung und verraten, wo die Murmeltiere wohnen. Ihre Höhlen haben immer zwei Ausgänge und sie liegen an Murmeltier-Strassen!

Die Busse fahren weiter, die Leute laufen weiter, ich komme wieder unten an der Strasse an und überhole die Leute, die den Bus angehalten haben. Kurze Begrüssung, kein Kommentar. So eng scheint man es hier nicht mit den closed Areas zu sehen.

Jetzt laufe ich von Mile 36 noch mindestens eine Stunde die Strasse hinunter auf Teklanika River zu. Rechts und links sind noch immer die farbigen Schutthalden und auch das farbige Gestein zu bewundern. Dann kommt man auf dieser Strecke ganz allmählich wieder hinunter bis zur Baumgrenze. Plötzlich steht ein Baum an der Strasse und dann gleich viele. Kilometerweit gab es vorher nicht einen Baum! Die Rinde des Unterholzes ist von Rabbits abgefressen. Wie sind die in eine Höhe von fast zwei Metern gekommen??! So hoch lag hier vor ein paar Wochen noch der Schnee.

Gegen 17 Uhr halte ich einen Bus an und lasse mich zum Visitor Center zurück fahren.
Hier steht mein Pick-up, aber hier darf ich nicht übernachten. Also fahre ich wieder nach Denali Park zurück und stelle mich auf den Parkplatz einer grossen Lodge. Ich stehe in Sichtweite des Rainbow Village RV-Park (der RV-Park mit dem schlechtesten Service Alaskas), spare aber in einer Nacht 23 Dollar. Dafür habe ich keinen Strom und muss meinen Generator anwerfen. Unter eine warme Dusche würde ich mich jetzt auch liebend gerne stellen, doch die gibt es auch für 23 Dollar hier nicht. Ich brauchte nur in die Lodge vor mir zu gehen und mir B&B zu leisten. Aber unter 50 $ ist das nicht zu haben. Zu teuer für einen Traveller aus East Germany. Hier wird kassiert, denn der Denali National Park mit dem Mt. McKinley ist DIE Touristenattraktion von Alaska!

Heute habe ich das erste Mal in Alaska eine ziemlich anstrengende Wanderung gemacht. Ich brutzle mir sogar Schinken mit Zwiebeln und esse mit Hochgenuss Abendbrot! Wo ist die Dusche? Morgen werde ich noch nicht bis Fairbanks, sondern bis zum nächsten RV-Park fahren: Dusche, Wäsche, Schreiben, Ruhe. Denn heute war wirklich ein herrlicher und hoch interessanter Tag, leider ohne Sonne! Wie müssen die bunten Berge erst in der Sonne aussehen!?

Jürgen Albrecht, Denali Park, 30. Mai 2001

BACK