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Goldrausch in Dawson City 2/2

Nach 1910 ging es mit dem Gold Rush zu Ende. Nicht, weil es kein Gold mehr gab, sondern die Industrielle Revolution hatte sich auch der Goldförderung angenommen. Noch bis vor wenigen Jahren wurde hier Gold gefördert, mit dem grössten Goldbagger der Welt. Morgen werde ich Dredge #4 besichtigen. Die weltweite Industrialisierung der Goldproduktion drückte den Goldpreis nach unten. Ein Digger war mit Handarbeit nicht mehr konkurrenzfähig. Seitdem geht es bergab mit Dawson City.

Ohne Gold Rush gibt es hier am Ende der Welt und in einem so unwirtlichen Klima keinen Existenzgrund für diese Stadt. Ausschliesslich den Touristen ist es zu verdanken, dass Dawson City nicht wie Fortymile zu einer Geisterstadt wurde. Man restauriert liebevoll die alten Holzfassaden. Dawson City, wie es vor einhundert Jahren aussah, ist mit Farbe und Flair wieder auferstanden.

Heute wird die Historie zu Geld gemacht: Downtown Guided Walking Tour, Authors Avenue Programme, Commissioner's Residence Tour, Palace Grand Theatre Tour, Dredge #4 National Historic Site Tour, Bear Creek Tours, Dawson City Museum, Harrington's Store, Historic Post Office. Die beiden letzten Attraktionen kosten nichts, die anderen je 5 Dollar: Pick a Pack Four ... $ 15,00 !!

Gleich zwei Theater wollen die Touristen unterhalten: The Gaslight Follies im Palace Grand Theatre (15 Dollar, Balcony 17 $) und die Daimond Tooth Gerties im gleichnamigen Haus: Gambling and Live Entertainment (6 Dollar Eintritt)! Natürlich bleibt es nicht beim Eintritt, denn natürlich wird in den Logen Sekt serviert und man hat Glück, wenn er nicht wie vor 100 Jahren mit Wasser gestreckt worden ist.

Jack London, der berühmteste Schriftsteller dieses Genres hat hier in Dawson City nach Gold gesucht und auch welches gefunden.

 

Man kann sein Haus besichtigen, er ist ein berühmter Mann dieser Stadt. Robert Service, ein Sänger, ist eine andere lokale Grösse. Und natürlich kann man reiten, wandern, fliegen und Ausflüge mit dem Boat auf dem Yukon machen. Mit dem Raddampfer wäre ich gefahren, schon aus technischer Neugier. Aber er fährt nicht mehr, er liegt frisch angestrichen, aber für immer an Land.

Für den Tourismus unternimmt man alles, um Dawson City weltweit interessant zu machen: Zwei grosse Theater, viele Saloons, in denen man auch heute noch sein Geld oder Gold an der Bar und mit schönen Frauen los werden kann. Hunderennen, Galerien, Kunst und Kitsch, Gold Panning, Nuggets, Jewelleries, Events and Adventures wie zum Beispiel das jährliche 'Gold Rush Bathtub Race', das längste Badewannenrennen der Welt: Mindestens 600 Kilometer muss man mit der Badewanne paddeln, um von Whitehorse nach Dawson City zu kommen. Wenn das kein Event ist !!

Ich besuche das sehr interessante Museum mit den vielen alten Fotos. Davor treffe ich Thomas Meixner mit seinem Fahrrad. Vor dreieinhalb Jahren ist er zu seiner Weltum’segelung’ gestartet, in … Wolfen, Sachsen Anhalt!

Am Abend gehe ich weder ins Theater noch in einen der vielen, verlockenden Saloons. Stattdessen setze ich mich noch einmal in den 'Grubstake', die einzige Kneipe in Dawson City, wo vier entsetzlich langsame Internet-Computer stehen. Eine Stunde fünf Dollar, eine halbe Stunde drei. Es könnte noch viel teurer sein. Dabei wird ein sehr guter Kaffee mit Wild Berries Cake serviert. Was will man mehr.

Morgen verlasse ich Dawson City in Richtung Süden. Vorher sehe ich mir noch den Goldbagger Dredge #4 an und fahre ein Stück am Bonanza Creek entlang. Das muss sein. Die Strasse nach Whitehorse führt am Klondike entlang, sie heisst sogar Klondike Highway.

Der Gold Rush war eine tolle Zeit. Aber sie lief rasend schnell, schon nach 10 bis 12 Jahren war alles vorbei. Schon damals ein ungeheuer schneller technischer Fortschritt. Er betraf vor allen Dingen die Energie (Strom und Benzin statt Dampf) und die mechanische Technologie (Werkzeugmaschinen, Verfahrenstechnik, Fliessbandproduktion). Der technische Fortschritt hat der Boom Town Dawson City die Füsse weggezogen. Nur mit grosser Mühe hat man sich in die Gegenwart und in die Dienstleistungsgesellschaft retten können.

Jürgen Albrecht, Dawson City, 08. Juno 2001

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Dredge #4 im Bonanza Creek