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Achsenbruch vor Chena Hot Springs 2/2

Ich erreiche Ron's Towing am Telefon. Eine verschlafene Frau meldet sich (immerhin ist heute Sonntag und es ist 9:45 Uhr). Die Frau ist die Stallwache. Sie wird den Abschlepper mobilisieren und zurück rufen.

Geplättet sitze ich im Bar Room und warte auf den Rückruf. Kaffee und ein leichtes Frühstück. Ein grosser Triangel hängt über der Bar, wer ihn anschlägt: Eine Runde für alle, die an der Bar sitzen oder stehen. An der Wand ein rundes Sägeblatt: Wer das mit dem Klöppel anschlägt, der gleich dabei hängt: Eine Saalrunde! Urkunden von Hunderennen, jede Menge Dollarnoten am Gebälk und viele andere Trophäen.

Um 11 Uhr kommt der Anruf und wir kommen ins Geschäft: Höchstens 200 Dollar wird das Abschleppen kosten. In einer guten Stunde soll der Abschleppwagen da sein. Die Reparatur kann aber erst am Dienstag gemacht werden.

Erleichtert sehe ich mir noch schnell Chena Hot Springs an. Das ist kein Ort, sondern nur eine Ranch mit einem Resort. Aber auf dem Gelände befinden sich mehrere heissen Quellen: Grosse bläuliche Teiche, ziemlich tief und gefüllt mit warmem Wasser. Blasen steigen auf, es riecht nach Schwefel.

Ein neuer Teich ist gerade im Entstehen: Mitten auf einem Feldweg sprudelt heisses Wasser aus der Erde. Wie das hier aussieht, ist diese Hot Springs erst ein paar Tagen alt. In zehn Jahren hat das Wasser soviel Sand aufgewirbelt und abtransportiert, dass ein neuer Teich entstanden ist. Baden kostet hier Geld, man kann nicht einfach mal so wie am Liard River in die Teiche rein springen. Dafür aber gibt es nicht nur Teiche, sondern auch ein überdachtes und gekacheltes Schwimmbad.

Aber zum Baden habe ich jetzt keinen Nerv, ich muss zu meinem Auto zurück. Der hilfsbereite Mann an der Rezeption will mir ein Fahrzeug besorgen.

 

Ich aber winke ab. Mir hilft doch jeder, ich halte einfach wieder ein Auto an. Denkste !! In scharfem Schritt laufe ich zu meinem Auto. Es steht höchstens 10 Kilometer vor Chena. Das schaffe ich in einer Stunde nicht. Es kommt aber einfach kein Auto vorbei. Jedenfalls nicht in den ersten 20 Minuten. Dann kommt endlich eins! Ich winke begeistert, es sitzen auch nur zwei Leute in dem grossen Schlitten, aber sie fahren ungerührt vorbei. So geht es mir mindestens noch dreimal.

Dann bin ich schlauer. Als das nächste Auto kommt, ziehe ich den Anorak an (den hatte ich vorher über dem Arm, darunter das Maschinengewehr…). Dann, Hände hoch: Seht her, ich habe keine Waffe !! Prompt hält das Auto an. Eine Frau mit vier oder fünf Kinder, sie hat wirklich keinen Platz frei. Danach kommt einfach kein Auto mehr ...! Aber nach einer Biegung sehe ich ganz weit dort hinten meinen Camper stehen. Es waren nur acht Kilometer zu laufen und nicht zehn. Um 12:30 Uhr habe ich mein lahmes Auto wieder erreicht.

Eine Viertelstunde später trifft der Abschleppwagen ein. Schnell ist der Camper auf das Abschleppfahrzeug gehievt. Dann eineinhalb Stunden Fahrt auf gerader und leerer Strasse und wir haben die Tankstelle und Ron's Towing am Ende der 2. Street in Fairbanks erreicht. Der Camper kann hier stehen bleiben und ich kann auch darin schlafen: 'Hier ist die Toilette, dort ist eine Steckdose, wir haben auch einen kleinen Shop. Allerdings machen wir am Abend zu und dann geht es erst morgen weiter. Vielleicht schaffen wir es, Dein Auto auch morgen schon zu reparieren.' Alles klar. Danke !! Will bekommt zwanzig Dollar Trinkgeld, denn ich bin wirklich froh, wieder in Fairbanks und gleich bei einer vertrauenswürdigen Werkstatt gelandet zu sein.

Schon am nächsten Tag wurde mein Auto repariert. Um 16 Uhr war alles einschliesslich Ölwechsel erledigt. Die Radbolzen wurden erneuert, eine neue Felge musste her. Die detaillierte Rechnung: Abschleppen 190 Dollar, Arbeitsleistung 175 Dollar, Einbauteile 110 Dollar (davon eine Stahlfelge 49 $), gesamt 507,35 US$. Das sind rund 1.100 DM. Ganz schön happig.

Aber in so einem Fall ist entscheidend wichtig, bei wem und zu welchen Konditionen man sich sein Auto beschafft hat. Ich habe es von Orbit Motors aus Courtenay, Vancouver Island, Canada. Trudy hat mir eine Telefonnummer mitgegeben: Bitte sofort anrufen, wenn etwas nicht in Ordnung ist (natürlich toll free, kostenlos)! Schon von Chena Hot Springs aus habe ich in Canada angerufen und mit Trudy die ganze Aktion besprochen. Es ist auch klar, dass ich diesen Spass nicht bezahlen werde. Ein Subunternehmer hat gepfuscht: Die Firma, bei der Trudy neue Reifen geordert hat. Die Pfuscher werden jetzt zur Kasse gebeten und deshalb brauche ich eine ordnungsgemässe Rechnung.

Jürgen Albrecht, Fairbanks, 3. Juni 2001

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