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Die Multiversen von Max Tegmark
Blühende Phantasie als Wissenschaft verkauft
   
Wir können alles verstehen

SPIEGEL-Gespräch (SPIEGEL 15/2015): Johann Grolle interviewt Max Tegmark, der ein Buch geschrieben hat:
"Unser mathematisches Universum - Auf der Suche nach dem Wesen der Wirklichkeit."
Ullstein Buchverlag, Berlin; 608 Seiten, 24 Euro.

 

Tegmark Der Spiegel 15/2015

 

Zitat: Tegmark, 47, verwarf ein Studium der Wirtschaftswissenschaften ... Die Begegnung mit der modernen Physik dagegen empfand er als "religiöse Erfahrung". Tegmark ist Kosmologe am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge bei Boston. Er ist Experte für die Interpretation der kosmischen Hintergrundstahlung ...

Es ist vermessen zu behaupten "Wir können alles verstehen" und über Mutiversen zu spekulieren, wenn wir nicht einmal in der Lage sind, den grössten Teil unseres eigenen Universums wahrzunehmen. Das ist nichts anderes als Hybris.

Was würde Herr Tegmark von einem Mann halten der behauptet,
einer Ameise im Wald begegnet zu sein, die ihm erklärt hätte:

"In dieser Richtung, Azimut 138,446°, Entfernung 12.632,773 Kilometer,
auf einem Hügel, 93,256 Meter hoch über dem Meer,
sehe ich den roten Leuchtturm von Exmouth, WA, stehen!"

 

Hintergrundstahlung und Multiversen

Grolle fragt nach der realen Existenz von Multiversen und Tegmark antwortet:

 

Tegmark Der Spiegel 15/2015

 

Tegmark ist überzeugt, dass es Multiversen gibt, denn die Existenz der Paralelluniversen ist "keine Hypothese, sondern eine ernst zu nehmende Theorie." In der Methodologie ist Konsens, dass die Basis jeder Theorie eine Hypothese ist, die sich mit dem heutigen Stand der Naturwissenschaften in Einklang befindet. Eine Theorie ist erst dann keine Theorie mehr, wenn naturwissenschaftlich bewiesen ist, dass die in der Hypothese behaupteten Sachverhalte in der Realität existieren. .Die Schlussfolgerung, dass Multiversen existieren, weil es eine solche Theorie gibt, ist methodisch unhaltbar.

Die Theorie der Multiversen hängt mit der kosmischen Inflation zusammen, die auch nur eine Theorie ist. Die Existenz einer kosmischen Hintergrundstrahlung sollte beide Theorien bestätigen. Jetzt aber stellte sich heraus, dass den Interpreten der angeblichen Hintergrundstrahlung (incl. Tegmark) ein schwerer Fehler unterlaufen ist. Die Hintergrundstrahlung existiert nicht:

Zitat: Jetzt ist es amtlich: Der vermeintliche Nachweis der kosmischen Inflation im letzten Frühjahr ist buchstäblich zu Staub zerfallen. Neue Daten des Planck-Satelliten und der BICEP2- und Keck-Teleskope haben nun bestätigt, dass die damals registrierten Polarisationsmuster nicht von Graviationswellen aus der Frühzeit des Universums stammen. Stattdessen wurden sie größtenteils von interstellarem Staub in der Milchstraße hervorgerufen, wie die ESA mitteilt.
Mehr bei http://www.scinexx.de ...

 

Kann man Multiversen klassifizieren?

 

Tegmark Der Spiegel 15/2015

 

Vier schöne Bilder im SPIEGEL-Artikel und vier "wohldefinierte" Klassen von Multiversen:

  1. Multiversen des sichtbaren Bereichs
  2. Parallelwelten mit (unendlich vielen) unterschiedlichen Naturgesetzen
  3. Multiversen der quantenphysikalischen Spiegelung
  4. Multiversen rein mathematischer Natur

 

Welcher Klassifikator liegt dieser Klassifikation zugrunde? Antwort Tegmark wahrscheinlich: "Wohldefiniert".

 

Tegmark Der Spiegel 15/2015

 

Der Klassifikator entscheidet darüber, ob die Klassifikation vollständig ist und keine fünfte Klasse existiert. Jetzt müsste man definieren, was "Wohldefiniert" heisst.

Was ist mit Multiversen, in denen gar keine Naturgesetze existieren? Tegmark wird entweder behaupten, sie seien nicht wohldefiniert oder sie sind in der 2. Klasse enthalten.

Was ist mit Multiversen, die alle vier Klassen enthalten, sog. MetaMultiversen? Ein solches MetaMultiversum ist beispielsweise gleichzeitig so etwas wie ein Zuckermolekül in einem Stück Würfelzucker, dass ein MetaMultiMensch gerade in seinen Kaffee fallen lässt. MetaMultiversen? Ich habe sie gerade mal so erfunden, denn die Theorie der Multiversen muss auch sie inklusive unendlich vieler Meta-Ebenen zulassen ...! Alles was überhaupt denkbar ist, existiert nach dieser Theorie auch. MetaMultiversen aber sind eindeutig eine fünfte Klasse.

Die Tegmark-Klassifizierung ist nicht vollständig, weil sie keinen klaren Klassifikator besitzt. Sie kann prinzipiell nicht vollständig sein, weil mit Sicherheit Entitäten existieren, für die wir keinerlei Wahrnehmungsorgan besitzen.

 

Methodische Probleme

Aus Sprachungenauigkeiten am Anfang dieses Artikels, werden im weiteren Verlauf methodische Probleme.

Dazu hier nur Stichworte:

  • Die Theorie der Multiversen ist unbewiesen.
  • Was ist diese Theorie wert, die alles einschliesst was überhaupt existiert?
    So eine Theorie liefert keine oder alle Erkenntnisse - Alles = Nichts = Alles (ein chinesisches Schriftzeichen)
  • Für die Existenz einer kosmischen Hintergrundstrahlung gibt es keinen Beweis.
  • Theorien über den für Menschen nicht wahrnehmbaren Teil unseres Universums
    sind prinzipiell nicht beweisbar.
    Sie bleiben für immer hypothetisch, praktisch aber spekulativ.
  • Das gilt erst recht für Multiversen, solange sie sich unserer Wahrnehmung entziehen.
  • Was logisch und wohldefiniert ist, ist nicht zwangsläufig auch real. (s. Wittgenstein)
  • Der ernst gemeinte Satz von Tegmark "Wir können alles verstehen" ist nur ein Glaubenssatz.
    Er hat den gleichen Stellenwert wie die Überzeugung der Marxisten: "Die Welt ist erkennbar".
  • Die Bildung von vier Klassen von Multiversen ist beliebig.
  • Die Klassifizierung ist nicht - wie behauptet - vollständig.
  • Es ist nicht vorstellbar, dass je die Existenz der von Tegmark definierten Klassen zu beweisen ist.
  • Die Multiversen 4. Grades "Unsere Welt ist mathematischer Natur" setzt Methode und Gegenstand gleich -
    Eine methodische Verwirrung, die der Logik widerspricht.
  • Kosmologen sollten sich bemühen, wissenschaftlich gesicherte Hypothesen aufzustellen und sie zu beweisen.
    Alles, was sie darüber hinaus tun, ist Spekulation.

 

 

Facit -
Alles was Tegmark auf 608 Seiten sagt, ist Spekulation

Eine gewagte Aussage, wenn ich das Buch überhaupt nicht in der Hand hatte! ABER: Die Stabstriche zeigen fundamentale methodische Schwächen in den Aussagen von Tegmark. Natürlich kann man Multiversen klassifizieren, egal, ob Multiversen überhaupt existieren. Man kann dazu auch tief in mathematische Strukturen hoher Komplexität einsteigen. Aber die Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit eines Wissenschaftlers gebietet, die Ergebnisse solcher Überlegungen als das zu bezeichnen, was sie sind: Subjektive "Überzeugungen". Es ist unseriös, wenn Herr Tegmark seine Überlegungen als naturwissenschaftlich gesichertes Wissen verkauft.

Herr Tegmark agiert hier viel mehr als Philosoph denn als Physiker. Und von Philosophen kann man wohl generell nicht erwarten, dass sie ihre subjektiven Überzeugungen als das bezeichnen, was sie sind: Keine naturwissenschaftlichen Erkenntnisse, die wahr sind.

Herr Grolle hat in diesem Interview skeptische Fragen gestellt. Vielleicht ist es nicht seine Aufgabe, die Antworten von Tegmark zu bewerten. Das aber führt dazu, dass DER SPIEGEL unter dem Stichwort "Wissenschaft" Informationen verbreitet, die wissenschaftlichen Massstäben nicht gerecht werden.

 

 

Weblinks

Max Tegmark http://de.wikipedia.org ...

The Universes of Max Tegmark http://space.mit.edu ...

Our Mathematical Universe www.amazon.de ...

Unser Universum, ein Sandkorn am Strand www.spiegel.de ...

Immer wieder dieselben Fehler! www.zeit.de ...

 

Jürgen Albrecht, 06. April 2015
update: 07.04.2015

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