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Kreuzfahrt in der Coral Sea

 

 

 

 

 

SCHNORCHELN
IM TEMPLE OF DOOM

28. September 1998, Montag

 

In der Nacht fuhr unser Schiff wieder zurück zum Ribbon Reef, diesmal aber zur Nummer 5. Die See war nicht so bewegt, wie auf der Hinfahrt, aber vielleicht gewöhnt man sich auch schnell an solchen Seegang. Die Koreanerin, der es nach dieser stürmischen Nacht den ganzen Tag am Osprey Reef schlecht ging, ist nach der Rückfahrt wieder völlig o.k. Sie geht auch schon wieder mit tauchen.

Gestern abend gab es das Video vom Tage zu sehen, das Video vom Shark Feeding: Das Füttern der Haie ist ja wirklich eine irre Attraktion !! Und dass man davon dann noch ein Video bekommt, ist Tourist Feeding! Dieses Video ist wirklich seinen (immer noch unbekannten) Preis wert. Man sieht, wie die Taucher ihre Logenplätze rund um die Manege einnehmen, wie Mark als Zeichen des Beginns der Veranstaltung am Seil zieht, wie die Fischköpfe am Seil runter gleiten, sofort die Haie aus dem Nichts auftauchen und mit anderen Fischen um die Fischköpfe kämpfen. Das ist wirklich ein perfekt inszeniertes Spektakel.

Heute morgen gab es sofort nach dem Frühstück gegen 8 Uhr den ersten Dive. Das erste Mal wurde ich unmittelbar an Tenggol erinnert: Hohe Felsen, steile Wände, sehr klares Wasser, grosse Korallenteller und fast alle davon noch völlig intakt. Ausserdem befanden sich die großen Korallenflächen dicht unter dem Wasser: Eine von der Sonne beschienene Korallenlandschaft mit sehr vielen, unterschiedlichen Fischen. Das zu sehen war ein einziger, grosser Genuss. Auch mehrere dieser menschengrossen Fische, die man vor der Videokamera beim Füttern küsst, waren zu sehen. Allerdings kam ich ihnen nicht so nahe, denn ich hatte ja kein Futter zu bieten! Also dieser Schnorchelgang am ‚Clam Garden‘ des Ribbon Reef Nr. 5 war sehr, sehr schön! Ich war fast eine dreiviertel Stunde im Wasser.

Dann folgt das Ausruhen und Aufheizen auf dem Oberdeck. Herrlich angenehm, dass man sich dazu selber seinen Kaffee oder Tee in der Kombüse machen kann. Inzwischen weiss ich auch, dass man sich nach jedem Schnorchelgang neu einschmieren muss. Deswegen habe ich auch keinen Sonnenbrand. Mein japanischer Kojen-Freund Hiroshi dagegen hat sich gleich am ersten Tag die gesamte Rückseite verbrannt: Alles ist knallrot und vorne sieht es nicht viel besser aus. Aber er strahlt und ist jetzt ständig dabei, seine Wunden zu pflegen.

Das Schiff fährt ein paar Kilometer weiter und ankert dann am Ribbon Reef Nummer 3: ‚Stieve’s Bommie‘. Das ist so ein ähnlicher Felsen, wie der Pinnacle: Ein einsam in der Unterwasserlandschaft stehender Korallenblock. Nur die obersten 25 Meter sind von der Wasseroberfläche aus zu sehen. Trotzdem habe ich nicht viel davon, denn die Korallen beginnen erst 5 bis 8 Meter unter dem Wasser. Aber wie viele Fische es hier gibt! Auch die kleinsten von ihnen sind grell bunt und sie scheinen zu phosphoreszieren !! Die Farbe aller Fische ist nicht einfach rot oder grün. Durch das schillernde Material der Schuppen werden auch die Farben in Abhängigkeit von Licht und Betrachtungswinkel ständig verändert. Wenn man also sagt, ein gelber Fisch, dann heisst das, dieser Fisch ist mit eine breiten Skala von Gelb ausgestattet, leuchtend gelb bei Sonne, mehr graublau als gelb bei Dunkelheit und in der Tiefe. Faszinierend! Hier gibt es auch viele dieser Fische mit der langen Nase. Sie sind richtig gross, bis zu ca. 80 cm. Fast kann man sie anfassen, so nahe lassen sie einen Schnorchler an sich heran. Ein Schwarm der kleinen Mohrrüben-Fische ist auch wieder da. Aber die Attraktion sind für mich ca. 120 Fische, 60 bis 100 cm lang, alle von der gleichen Art, schlank und ein silbriges Blau. Sie schwimmen in einer Schule. Sie schrauben sich langsam von unten nach oben, schwimmen grosse Kreise und drehen sich dann wieder nach unten. Und das alles fast in Zeitlupe. Sie schwimmen nicht direkt beim Bommie, sondern in ca. 50 Meter Entfernung davon im tiefen, blauen Wasser.

 

 

Ich habe meine Kamera mit und mache viele Aufnahmen davon. Vielleicht kann wenigstens ein Bild davon etwas von der majestätischen Ruhe und Gelassenheit dieser grossen Fischfamilie vermitteln. Dieser Verband hier dreht sich ununterbrochen im Kreis und in Spiralen nach oben oder unten. Der entscheidende Eindruck, den man dabei hat, ist eine unendliche Ruhe, das absolute Gegenteil von Geschäftigkeit und Hektik. Zwei bunte, grosse Fische einer anderen Art reihen sich in die Prozession ein und werden anstandslos geduldet. Manchmal streiten sich zwei Fische. Kurze, schnelle Bewegungen, blinkende Breitseiten. Aber das ist nur ein kurzes Intermezzo, dann ist wieder Ruhe eingekehrt. Es ist ungemein faszinierend, solche Schulen und Schwärme von Fischen zu beobachten. Offensichtlich leben einige Fischarten nur in Schulen, während andere Einzelgänger sind. Ganz anders als die grossen, verhalten sich die kleinen Fischschwärme: Wie auf Kommando: Schwanzflosse bewegen. Still gestanden. Rechts um. Kehrtwendung. Das läuft alles zehnmal schneller ab, als bei den grossen Fischen. Es sind ca. 400 Fische, alle 15 cm lang und verteilt auf einer Fläche von 10 x 2 Metern ... der Exerzierplatz!

Lunchtime now!

11:45 Uhr, Ribbon Reef Nr. 3

Der dritte Tauchgang gleich nach dem Essen: ‚Temple of Doom‘. Das ist ein frei in der See stehendes Korallenriff, 25 Meter hoch, ca. 150 Meter lang und 80 Meter breit. Die Oberfläche ist vielfältig gegliedert, es gibt unterschiedliche Höhen und Tiefen, ein abwechslungsreiches Gelände, 2 bis 5 Meter unter der Wasseroberfläche. An den Abhängen und Wänden, Überhänge und Einbuchtungen. Wo der Felsen in den Meeresboden übergeht, besteht der Untergrund nur aus Korallenschutt und Sand, ein totes Gelände. Es ist nicht so schön wie der ‚Clam Garden‘, aber es gibt unendlich viele Fische. Eine ganze Kolonie von Clownfischen kann ich beobachten, braun umrandet, eine leuchtend violette Binde um den Kopf. Der Mensch hat nicht genug Phantasie sich vorzustellen, welche Vielfalt und Farbenpracht die Natur hier in so einem Reef hervorgebracht hat. Wer hat hier den Designer gespielt und warum? Erstaunlich ist auch, dass diese vielfältigen Farbkombinationen auf das menschliche, ästhetische Empfinden sehr angenehm und harmonisch wirken. Es gibt nicht so eine Verirrung wie ein braunes Oberteil, weisse kurze Hosen über einem zu dicken Hinterteil und rosa Turnschuhe ... Hier gibt es buchstäblich die ‚Millionen von Farben‘ von True Color. Aber hier passt trotzdem alles harmonisch im höchsten Grade zusammen. Auch wenn manchmal ein einzelner Fisch eine riesige Farbskala präsentiert. Und wie diese Farben in der Sonne leuchten! Das sind keine Auflichtfarben, das sieht aus wie Durchlicht! Die Farben sind illuminiert, sie leuchten von innen und die Opazität ändert sich mit jeder Bewegung des Fisches (hier spricht der 3D-Modellierer, der Render-Spezialist ... !). Daran kann man sich nicht satt sehen. Ganze Wolken von kleinen Fischen gab es hier. Es muss interessant sein, das so unterschiedliche Verhalten der Fischschwärme verschiedener Fischarten zu untersuchen. Das geht von völlig reglos bis hin zum hektischen Exerzierplatz. Die Schwärme sind zum Teil riesengross, tausende kleiner Fische von der gleichen Sorte ändern zum exakt gleichen Zeitpunkt ihre Richtung. Das hat ganz starke Ähnlichkeit mit grossen Vogelschwärmen, die ja auch in einem dreidimensionalen Raum ‚operieren‘. Aber es gibt auch Schulen, die nur aus 6 bis 10 Fischen bestehen und die sich auch, wie von Geisterhand gesteuert, völlig gleichförmig bewegen: Ein Wasserballett. Ich hoffe nur, dass mindestens Conny und Clara das noch life erleben können. Es gibt nichts, was mit einem Schnorcheltrip in einer intakten Korallenlandschaft vergleichbar ist!

Auf dem Schiff ist, wie das Leben so spielt, eine bunte Mannschaft zusammengewürfelt: Zwei ältere Pärchen, 50 und knapp 60 Jahre alt, dann gibt es 5 Pärchen im ‚besten Alter‘, ca. 35 Jahre. Der Rest der Truppe besteht aus Singles zwischen 25 und 35 Jahren inklusive eines Oldies: AL. Insgesamt sind 24 Touristen hier an Bord. Von den Singles sind 5 Frauen und 5 Männer. Es sind durchweg angenehme Leute. Am auffälligsten ist eine Single-Amerikanerin, ca. 45 bis 48 Jahre. Paradegebiss eines (schlechten) Zahnarztes: So regelmässig, weiss und perfekt kann kein natürliches Gebiss sein. Nur Keramik kann so aussehen ... Sie ist gross und schlank und auf dem ganzen Schiff ist ihre laute Stimme mit dem grässlichen amerikanischen Akzent zu hören.

Die Krone des interessantesten Mannes teilen sich gleich drei Herren der Schöpfung: Mark, der Chief, ist ein sehr attraktiver Typ: 28 Jahre, grösser als 2 Meter, sehr schlank, sehr braun, rasierte Glatze, Seeräubertyp mit leicht asiatischem Einschlag, energisch aber zeitweilig auch witzig. Ein Typ, auf den die Frauen sicher reihenweise reinfallen. Chris, der Videoman, hat ein sehr angenehmes, europäisches Gesicht und die Idealfigur: Schlank, gross, braun und behaart. Der dritte Anwärter ist der Computerspezialist aus San Francisco. Er ist breit und gross, schwarz behaarte Brust, immer freundlich, immer lächelnd, schwarze, gelockte Haare. Eine gelungene Mischung aus deutscher Mutter und dem Vater aus Equador. Mit ihm unterhalte ich mich öfters. Er ist bei der Weltfirma CISCO angestellt, verkauft Netztechnik und ist offensichtlich erfolgreich: Obwohl er hier fünf Tage taucht, ist er auf Dienstreise! Für Stefan hätte er sofort einen Job – in den USA werden Leute mit solcher Qualifikation händeringend gesucht.

Wer ist das schönste Mädchen an Bord? Nach meinem Geschmack ist es die Küchenhilfe! Sie ist erst 17 oder 18 Jahre alt, obwohl man sich bei den Asiaten da sehr verschätzen kann. Sie ist ein Mix aus Malaysia und Bali, ist sehr nett, immer freundlich, immer lächelnd. Ich schäkere manchmal mit ihr, bewundere den Silberring, den sie an einer Zehe des linken Fusses trägt. Aber sie kann kaum mehr als drei englische Worte. Dafür ist sie mit einer Bilderbuchfigur ausgestattet. Eine Augenweide, sie im knappen Bikini zu sehen. Sie geht immer mit tauchen, wenn der Koch sie entbehren kann, deshalb kann man ihr oft im Badeanzug begegnen oder sie beim Sonnen auf dem Oberdeck bewundern: Klein, knackig, braun und sehr gut proportioniert. Ein sehr angenehmer Anblick für eine älteren Ästheten.

Ihr folgt Nora, das Prachtweib aus Dänemark. Gerade 30 Jahre, herrlich lange Haare mit unterschiedlicher, kastanienfarbiger Tönung, grosse, dunkle Augen, ein voller, scharf gezeichneter Mund, schokoladenbraun am ganzen Körper. Sie ist nur mittelgross, hat eine stämmige, vor Gesundheit strotzende Figur, einen kleinen, immer straff eingespannten Busen. Aber sie isst zu viel – das leicht zu starke Hinterteil zeugt davon und auch die Oberschenkel könnten etwas schlanker sein. In ein paar Jahre und mit ein paar mehr Pfunden wird es aus sein mit der jetzt noch voll in Saft und Kraft zu bewundernden Figur. Nora ist Single, hält Abstand von allen und will mehrere Monate in Australien bleiben. Am Abend steht sie an der Reling und guckt in den Mond. Wahrscheinlich hat sie eine Beziehungskiste zu überwinden.

Zu den weiteren Singel-Mädchen gehören zwei formlose, aber sehr nette Schwestern aus London, Lora aus Canada, schlank und scheu und ein dralles, deutsches Mädchen ohne Busen. Aber sie sieht nur wie eine Deutsche aus, tatsächlich kommt sie aus Schweden und arbeitet zur Zeit in Heidelberg.

Die Nationen sind bunt gemischt: Canada, USA, UK, Japan, Australien, Südafrika, Germany, Schweden, Dänemark und das Pärchen aus Korea. Er sieht so aus, als wollte er Sumo-Ringer werden und seine Frau ist von der Seekrankheit wieder genesen. Es passiert nicht viel unter den Singles. Lebhafte Unterhaltungen, besonders beim Essen, aber kein Flirten, keine wilden Feten, keine lauten Verbrüderungen. Tauchen erfordert Disziplin, Selbstkontrolle und Kondition. Ausserdem geht es ständig um Weiterbildung, um Theorie und um die Kontrolle der Ausrüstung. Alkohol ist gefährlich, also verpönt. In der wirklich freien Zeit (wie jetzt, wir fahren drei bis vier Stunden) ist Sonnen auf dem Oberdeck, Essen, Lesen und Schlafen angesagt.

Der undurchsichtigste Typ der ganzen Gruppe ist der Mann, der als vierter in meiner Kabine schläft. Ich würde jede Wette eingehen, dass er ein Russe ist. Er ist zwischen 38 und 42 Jahre alt, trägt einen Igel, hat eine russische, immer regungslose Physiognomie. Er ist mit einer netten, russisch aussehenden Frau hier, die gut englisch spricht und manchmal sogar lächelt. Er hingegen hat auf dieser Tour mit keinem auch nur ein Wort gesprochen. Er schläft in meiner Kabine, aber er sagt im Gegensatz zu den anderen beiden, Egbert und Hiroshi nicht guten Morgen oder gute Nacht. Wenn ich ihn direkt anspreche, guckt er durch mich durch. Dass er nicht gehörlos ist erkennt man daraus, dass er sich lebhaft, aber immer nur flüsternd, mit seiner Frau unterhält. Man könnte annehmen, er ist ein auf dubiose Weise reich gewordenes Mitglied der russischen Mafia. Aber es kann auch viel einfacher sein: Es ist ein Russe der sich schämt, keinerlei Englischkenntnisse zu besitzen. Die beiden sind so isoliert wie die Asiaten, die auch nur unter sich Kontakt haben. Die Sprache, die man nicht kann oder nicht versteht, ist eine entsetzliche Kommunikationsbarriere. Leute, lernt English, wenn Ihr nach Australien fahren wollt!

 

 

Ich gehe jetzt auch noch mal in die Sonne, aber nur, um die Aussicht zu geniessen. Jetzt aber könnte man sich auch mal in die Sonne legen. Jetzt steht sie schon tief und ist nicht mehr so aggressiv wie unter Mittag.

16:30 Uhr, auf der Fahrt zum Agincourt Reef

Um 17:30 Uhr steht der Mond (ca. 45 % illuminiert) vor dem Sonnenuntergang im Zenit. Was für ein Bild! (Der Rechner bestätigt mir, was ich gesehen habe: Phase: 0.445, Altitude: 85° 43' 28")

 

 

Der letzte Dive ist heute um 18:30 Uhr angesetzt: Ein Nigtdive. Alle Taucher sind z.Z. im ‚Beer Garden‘ des Agincourt Reefs unterwegs. Ich wollte auch mal ausprobieren, was man vom Riff mit der Taschenlampe sieht, aber der Chef lässt mich nicht ins Wasser. Da müsste ja jemand auch noch meinen Signalstab im Auge behalten und aufpassen, dass ich nicht verloren gehe! Also man macht es sich so bequem wie möglich: Keine Experimente, kein Risiko, die Schnorcheler sind eben nur Gäste II. Klasse. Besonders, wenn sie auch noch in einer Viermannkabine im untersten Deck wohnen. Aber das ist überspitzt. Es werden hier auf dem Schiff wirklich alle gleich behandelt. Das ist sehr angenehm. Auch mit dem Nightdive habe ich kein grosses Problem, ich verpasse mit Sicherheit nicht viel.

Es gibt vier Klassen von Kabinen hier auf dem Schiff. Die erste Klasse liegt auf dem Oberdeck und hat sogar ein Fenster und eine eigene Dusche/WC und AC. Dort wohnt das amerikanische Supergebiss und ein älteres Ehepaar, ebenfalls Amerikaner, aber nicht so laut. Die zweite Klasse sind 2-Mann-Kabinen auf der Ebene des Tauchdecks und der Kombüse. Davon gibt es auch nur zwei, sie haben keine eigene Dusche/WC. Hier wohnt das nette Pärchen aus Südafrika und der Sumo-Ringer mit seiner Frau. Die dritte Klasse bilden die 2-Mann-Kojen im Unterdeck und die vierte Klasse sind die 4-Mann-Kojen dort unten. Von den 24 Leuten wohnen 18 im Keller! Der Preisunterschied ist offiziell nicht sehr gross: Er schwankt zwischen 1125 und 925 $. Das ist auch gerechtfertigt, denn eigentlich wird allen auf dem Schiff das gleiche geboten: Essen, Wetter, Aussicht, Tauchen. Im Gegenteil, die zwei Kabinen auf dem Oberdeck wurden bei der stürmischen Überfahrt zum Osprey Reef unter Wasser gesetzt! Wir im Keller lagen dagegen paradoxer Weise schön im Trocknen.

Gestern hatte ich die Idee, von dieser Tour die besten Unterwasser-Fotos auf eine TAKA-Page ins Internet zu hängen. Ich sprach mit allen aktiven Photographen, sie sind alle von dieser Idee angetan und wollen mir Bilder schicken. Sogar Nora hat zugesagt, mir dafür ein Foto vom Riesenmanta zu senden. Sie war zufällig in der Nähe und schussbereit, als wir diesen tollen Manta trafen. Das kann richtig interessant werden, weil die Fotografen aus so verschiedenen Ländern kommen: Eine wirklich international gestaltete InternetPage! Mal sehen, ob die Leute ihre Zusagen auch einhalten. Die meisten haben schon eine E-Mail-Adresse und wie solche Bilder zu scannen sind, wissen sie auch. Sie wollten von mir gleich wissen, wie viele Pixel in X und Y die Bilder haben sollen. Yuppies sind auf dem Stand der Technik. Ich habe auch nichts anders erwartet. Mal sehen, ob aus der schönen Idee auch eine schöne Seite wird !!

(Aus dieser Idee ist leider nichts geworden: Der Südafrikaner meldete sich schon nach 14 Tagen per E-Mail und hat Bilder angekündigt. Ich habe ihm gleich geantwortet. Seitdem aber herrscht nichts als Funkstille. Bis heute. Allerdings hat mich diese Idee zu den ‚Impressive Moments‘ auf meiner HomePage inspiriert. Auch eine schöne Sache, aber das sind eben nur meine Bilder. Schade ... Aber schon vor 2000 Jahren wussten die Dialektiker, wie gross in der Regel die Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist. AL/16.03.1999)

19:25 Uhr, Agincourt Reef

 

 

 

 

 

KORALLEN SIND
KEINE SOUVENIRS

29. September 1998, Dienstag

 

Heute habe ich mich schon um 4 Uhr rasiert. Ich war wach, warum sollte ich nicht Toilette machen? Ein klarer Sternenhimmel, der Orion schon nahe am Zenit, der Mond ist untergegangen. Das Schiff liegt vor Anker am Opal Reef. Alles schläft. Nach dem Rasieren und Duschen lese ich an der Tafel das Tagesprogramm: Erster Dive heute schon um 6:15 Uhr bei den ‚Three Sisters‘ !! Na, das wird wohl mit mir nichts werden. Um 6 Uhr wird geweckt. Ich stehe auf, sehe mir den Sonnenaufgang an und beschliesse, nicht mit ins Wasser zu gehen. Es ist unter Wasser sicher zu dunkel, es ist zu kalt und ausserdem habe ich einen leeren Magen. Nachdem die Sonne um 6:30 Uhr richtig über dem Horizont steht, lege ich mich noch einmal für eine Stunde ins Bett. Schön, wenn man sich das leisten kann. Um 8 Uhr gibt es ein gutes Frühstück. Das Schiff fährt unterdessen zum nächsten Ankerplatz am Opal Reef. Gleich nach dem Frühstück findet der zweite Tauchgang statt. Heute ist Eile geboten, denn heute ist der letzte Tag dieser Kreuzfahrt, die Mannschaft will mit uns zurück nach Cairns.

 

 

Der Dive bei ‚Kelly and Mike‘ am Opal Reef ist der letzte Tauchgang auf dieser Tour. Ich habe noch einmal richtiges Glück: Die Gegend bei ‚Kelly and Mike‘ ist ein ideales Schnorchelgelände: Zwei ausgedehnte Korallenfelsen, unterschiedlichste Korallen, faszinierende Landschaften unter Wasser, ein breiter, mit Schluchten und Spalten durchzogener Felsen. Viele Korallen liegen nur knapp einen Meter unter der Wasseroberfläche und obwohl es stark bewölkt ist, kommt auch die Sonne raus und beleuchtet hervorragend das ganze Riff. Hier sind das erste Mal sehr viele Softkorallen nahe an der Oberfläche zu sehen. Auch die Clownfische mit der violetten Binde um den Kopf, bewegen sich spielerisch in der giftigen Anemone, mit der sie in einer Symbiose leben. Die unterschiedlichsten Farben der Korallen leuchten in der Sonne. Faszinierend sind die riesigen Gehirnkorallen. Diese kugelförmigen Gebilde sind bis zu zwei Meter gross! Davon würde ich gerne ein Macro-Bild haben um festzustellen, wie dieses bandförmige Muster konstruiert ist und ob es mit DECOS zu realisieren ist. Aber ich habe alle meine Fotos mit der Instant-Kamera schon verschossen. Ausserdem komme ich damit nicht so nahe heran, wie es nötig wäre. Tellerkorallen, Geweihkorallen und immer wieder diese eigenartigen Softkorallen in Pastellfarben von braun bis gelb. Sie wachsen am Boden entlang wie Wurzeln. Aber der Vergleich hinkt, eigentlich sind es stark gewellte Flächen. Es ist eine Art Wellblech, aber viel dicker, 8 bis 10 mm und unregelmässiger. Die Kunstwerke der Natur sind nur schwer mit Worten zu beschreiben. Man muss sie sehen.

Heute gucke ich mir die Details eines solchen Reefs genauer an: Kleine Fische, nur Zentimeter gross, Pflanzen, die verschiedenen Farben gleicher Korallenarten, die Zeichnung ganz dunkler Fische. Wahrscheinlich gibt es im ganzen Great Barrier Reef nicht einen Fisch mit nur einer Farbe und ohne irgendein Muster! Das scheint ein Gesetzt zu sein: Jeder Fisch ist mit einer Farbpalette und einem speziellen Muster auszustatten! Auch ein fast schwarzer Fisch besitzt eine ganze Palette an dunklen Farben und er ist in diesen Farben auch gemustert! Heute fasse ich das erste Mal etwas an: Ich berühre die Softkorallen um mich zu vergewissern, dass es weiche Korallen sind. Eigentlich habe ich es mir zur Regel gemacht, nichts anzufassen. Aber jede Regel hat Ausnahmen und heute ist der letzte Tag. Ausserdem bin ich davon überzeugt, dass die Schnorchler ganz eindeutig für das Reef eine wesentlich geringere Gefahr sind, als die Taucher. Die Diver setzen sich hin, sie suchen Haltepunkte um zu fotografieren, sie stützen sich ab, um nach dem zweiten Mann zu sehen und so weiter ... und das bei jedem Tauchgang. Deshalb sieht man auch überall, wo Taucher waren, eindeutig frisch abgebrochene Korallen, größere Zerstörungen an grossen Korallentellern, bis hin zur Halbwüste des Pinnacle. Dabei habe ich ja nur die Zerstörungen dicht unter der Oberfläche gesehen. Wie es in 20 Meter Tiefe aussieht, weiss ich nicht. Besser aber auf keinen Fall!

Als ich mir so in Ruhe die einzelnen Fische und Korallen hier am Opal Reef ansehe denke ich daran, dass das jetzt mein letzter Schnorchelgang bei diesem Ausflug ins Great Barrier Reef ist. Schon wieder ist alles vorbei! Wie kann ich meine Erinnerung an diesen schönen Trip wachhalten? Ich brauche ein Andenken, ein Souvenir, das mich an die Korallenwelt erinnert. Ein paar Korallen wären das richtige. Abbrechen werde ich keine (sehr hart!), das ist auch gar nicht nötig, es liegen genug abgebrochene Korallen direkt vor mir auf dem flachen Riff. Dieser Gedanke kommt mir beim Anblick einer offensichtlich von Tauchern gerade zertretenen Geweihkoralle in einem grossen Revier der Geweihkorallen. Da liegen schöne, weisse, gerade zerbrochene Korallen direkt unter mir. Gleich zufassen aber kann ich nicht, sie liegen in ca. 1,5 Metern Tiefe unter mir, ich muss tauchen. Das mache ich hier das erste Mal. Ich hole richtig Luft und tauche nach unten. Das ist gar nicht so einfach. Aber nach ein paar Versuchen habe ich drei kleine Korallenstücke. Ein Stück besteht aus zwei Ästen, etwas grösser als mein Zeigefinger, die beiden anderen Stücke sind so gross wie mein kleiner Finger, höchstens. Diese Stücke stecke ich in die Taschen meiner Badehose.

Dann mache ich mich ruhig auf den Weg zurück zum Schiff. Dort angekommen, ziehe ich mir die Flossen noch im Wasser aus und schwinge mich dann auf das Gitter am Heck des Schiffes, wo alle wieder an Bord kommen. Dort sitzt, höher auf dem Tauchdeck, auch Mark, der Chief. Er hat die Liste in der Hand, auf der verzeichnet ist, wer alles noch im Wasser ist. Ich stehe noch nicht ganz auf dem Gitter, da ruft er mir schon zu: ‚You have corals in your pockets !!‘ Beim ersten Mal verstehe ich gar nicht, was er sagt und was er will. Beim zweiten Mal erwidere ich: ‚Yes ... what the matter?‘ In seiner geraden, konsequenten Art bedeutet er mir, die Korallen zurück ins Meer zu werfen. Auch mein Einwand, dass es offensichtlich tote Korallen sind, die ich nicht abgebrochen haben kann, bedeutet nichts, ich muss die Korallen ins Meer werfen. Wir diskutieren den Fall und er akzeptiert, dass es sich um Korallenschutt handelt. Aber er verweist auf sein erstes Briefing in dem er auf einen ehernen Grundsatz hingewiesen hat: Nichts wird vom Great Barrier Reef mitgenommen! Mein Sprachproblem! Das habe ich so nicht verstanden. Aber natürlich ist dieser Grundsatz völlig in Ordnung. Die grosse Frage ist sonst: Was ist erlaubt, was nicht und wo sind die Grenzen. Hätte ich das vorher richtig kapiert, wäre ich auch nicht auf diese Schnapsidee gekommen, ein paar Korallen als Souvenir mitzunehmen. Das ist sowieso unsinnig, denn aus dem Kontext des Riffs gerissen, sind solche Korallen völlig unscheinbar, kalkweiss und nichtssagend. Aber sie sind aufgeladen mit Erinnerungen, wie alle Souvenirs. Also für das nächste Mal ist klar: Alles was zum Riff gehört, bleibt auch dort. Eine ganz andere Frage aber ist, warum es alleine in Cairns mehrere Geschäfte gibt, in denen man jede Art von Muscheln oder Korallen kaufen kann ...! Angeblich stammen diese Korallen nicht vom Great Barrier Reef, sondern aus Mexiko und der Karibik. Aber woher sie stammen, ist ja letztendlich egal.

Wie hat Mark so schnell diese kleinen Korallenstückchen in meinen Hosentaschen entdeckt? Er hat sie gar nicht entdeckt, aber er hat viel Erfahrung mit Touristen. Er hat mich vom Schiff aus beobachtet. Dabei hat er gesehen, dass ich ziemlich lange an einer Stelle war und ein paar Mal getaucht bin. Vorher habe ich das nie gemacht. Weshalb wohl macht das dieser Mensch gerade jetzt, beim letzten Tauchgang? So unbeobachtet, wie ich dachte, ist also auch ein einzelner Schnorchler auf diesem Schiff nicht. Allerdings, wäre ich auf der gegenüberliegenden Seite untergegangen, keiner hätte davon etwas gemerkt ...

Bis hier her habe ich gegen 9:45 Uhr auf dem Oberdeck geschrieben. Das Schiff fährt in Richtung Süden, Schlingerbewegungen, starker Wind. Der Seegang reisst mich und meinen Stuhl um, dieses Tagebuch schlittert über das Deck und wird nur durch eine 10 cm hohe Kante an der Reling aufgehalten. Fast wäre es über Bord gegangen ... was für ein unersetzlicher Verlust !! Wir sind auf der Rückfahrt. Vom Opal Reef geht es direkt nach Hause, nach Cairns. Aber der Seegang und die Schiffsbewegungen sind erträglich. Im Gegenteil, es macht Spass, so auf den Wellen zu reiten.

Dieser letzte Schnorchelgang gehört zu den drei besten, die ich auf diesem Schiff erlebt habe. ‚Kelly and Mike‘ am Opal Reef, der ‚Half Way Wall‘ am Osprey Reef und der ‚Clam Garden‘ am Ribbon Reef Nr. 5, das waren die Stellen, die am ehesten mit Tenggol vergleichbar waren. Auch muss man bei einer solchen Dive-Tour einfach in Kauf nehmen, dass die Reviere auf Taucher zugeschnitten sind und nicht auf Schnorchler.

 

 

Eine ganze Stunde habe ich jetzt auf der rechten Seite des Oberdecks im Schatten der Luxuskabine wie im Schaukelstuhl gesessen! Immer die Küste vor den Augen, an der wir parallel nach Süden fahren Viele Wolken, Sonne, Wind und Temperaturen um 30 Grad, richtig schönes Wetter. Auch so kann man schreiben. Ich präge mir dieses Bild ein. Wenn ich später an die Rückfahrt von diesem schönen Schnorcheltrip denke, werde ich das Bild dieser sonnigen, bergigen Küste sehen, darüber Wolkenbänke und davor die flirrende und flimmernde Coral Sea. Die australischen Wolken sehen nicht anders als in Deutschland aus. Aber sie sind viel höher! Das ist richtig auffällig. Aber auch das ist wieder kein Problem für den Herrn Ingenieur: Hohe Luftfeuchtigkeit, tiefe Wolken, niedrige Luftfeuchtigkeit, hohe Wolken. Kannst Du mir da zustimmen, Scharno?

It’s lunch time now !

11:50 Uhr, Rückfahrt nach Cairns, in Höhe von Port Douglas

Jetzt bin ich wieder ‚zu Hause‘! Im Sunland CarPark von Cairns habe ich heute die Kabine Nr. 13 bezogen. Zwei Tage und zwei Nächte kann ich mich jetzt hier von den ‚Anstrengungen‘ des Schnorcheltrips ausruhen, bevor das neue Abenteuer in Darwin anfängt.

Die Schnorcheltour ging unspektakulär zuende. Gegen 9 Uhr war der zweite Dive des Tages und der letzte dieser Tour zuende. Danach nahm das Schiff Kurs auf Cairns und es ging nur noch zurück nach Hause. Als Abschlusslunch gab es eine sehr gute Pizza. Der Koch versteht sein Handwerk und das ist gut und wichtig. Denn das Essen und das Schlafen auf so einem Schiff muss problemlos und gut funktionieren, sonst werden die Touristen unruhig und das ist schlecht für das Geschäft.

Gestern abend war wieder Videotime. Anschliessend konnte man beobachten, wie professionell diese Tour vermarktet wird: Das Video ist einschliesslich eines Gruppen-Abschluss-Bildes (aufgenommen gegen 14:30 Uhr vor Cairns) ab morgen früh 9 Uhr im TAKA-Geschäft abzuholen. Allerdings nur für die, die schon die 60 $ bezahlt haben. Ich bin sicher, für den doppelten Preis hätten es auch alle genommen. Dieser Preis ist sehr fair und absolut gerechtfertigt. Anschliessend an die Videovorführung und die Erläuterungen zur Bezahlung und zur weiteren Organisation, konnte man bei TAKA auch noch T-Shirts, Polohemden, Basecaps, Unterwasserdias und Dive-Bücher ordern. Alles wird bei Ankunft in Cairns am Quai bereits geliefert. Allerdings muss es nicht nur geordert, sondern auch bezahlt sein. Die Staffs führten die verschiedenen T-Shirts und Polohemden im Stil von Go-go-Girls vor. Das war richtig gut, das macht Stimmung und fördert den Absatz. Ausserdem bekam jeder einen Zettel und konnte anonym damit seine Meinung zu den gebotenen Leistungen und zum Auftreten der TAKA-Mannschaft sagen. Zum Schluss wurde heute Vormittag jeder zur Kasse gebeten. Ich hatte ausser dem Video nur die 12 $ Reeftax zu bezahlen. Keine Softdrinks, keinen Alkohol, keine Zigaretten ... Ich habe nur Kaffee und Tee getrunken und das gab es 24 Stunden lang umsonst in der Kombüse. Sehr angenehm und typisch für Australien.

Zwei Stunden vor Ankunft in Cairns mache ich ein Foto. Ich dachte, in einer halben Stunde legen wir in Cairns an. Nach weiteren 1 ½ Stunden fotografiere ich noch einmal diese Sicht: Man verschätzt sich gewaltig mit dem Dimensionen auf See. In diesen letzten Stunden wurden Adressen ausgetauscht, Verabredungen getroffen (alle wollen mir Fotos für die Seite im Internet schicken ...) und die Japaner und Koreaner wollten unbedingt ein Foto mit den ‚Weissen‘ haben. Solche Bilder sind in der Heimat offensichtlich gut für das Image. Auf diese Weise gibt es Fotos mit mir und Hiroshi und dem Sumo-Mann und seiner Frau, die so sehr unter dem Seegang gelitten hat.

 

 

Bald nach diesem Gruppenbild auf dem Oberdeck erreichen wir den Hafen von Cairns. Die TAKA-Dame aus dem Stadtgeschäft erwartet mit einem kleinen LKW das Schiff . Pünktlich wie die Maurer: Um 15 Uhr legen wir an. Zuerst werden die bestellten Waren (T-Shirts, Bücher u.a.) über die Reling gereicht. Die Namen der Käufern stehen gross darauf, auch das ist hervorragend organisiert. Unser Gepäck haben wir schon auf dem Oberdeck deponiert. Noch sind die Anlegemanöver nicht beendet, noch hat keiner das Schiff verlassen. Aber ich reiche mit anderen jetzt schon das Gepäck über die Reling an die TAKA-Staffs weiter, die es auf dem Quai stapeln. Ich gebe einem Mädchen mit Sonnenbrille eine schwere Tasche, dann einen Rucksack. Ich gucke einmal, ich gucke zweimal, ich nehme die Sonnenbrille ab, sie nimmt die Sonnenbrille ab und wir lachen uns freudestrahlend an: Es ist Lia !! Mit Lia bin ich vor vier Wochen von Singapore nach Cairns geflogen. Das ist ja wirklich eine Überraschung! Solche Zufälle gibt es gar nicht, die organisiert nur das wahre Leben. Als ich vom Schiff komme, fallen wir uns vor Freude um den Hals! Lia erzählt, dass sie in den nächsten 14 Tagen für TAKA arbeitet und mit dem gleichen Schiff zur gleichen Tour heute um 17 Uhr in See sticht, die ich gerade hinter mir habe. Wir können uns nur kurz unterhalten, denn sie muss den ganzen LKW mit entladen und das Schiff entsorgen. Ein schöner Job und eine schöne Überraschung. Wir verabschieden uns und sind beide gespannt, wo wir uns das nächste Mal auf dieser Welt wiedersehen werden ...

Und noch ein Kuriosum auf dem letzten Kilometer: Auf der mit Bojen markierten Einfahrts-Wasserstrasse vor Cairns, kann man etwas sehr interessantes beobachten: Auf Wasserstrassen herrscht in Australien offensichtlich Rechtsverkehr, während man sonst auf dem ganzen Kontinent links fährt !!

Alles in Allem war das eine gelungene, gut organisierte Tour, die das Geld, das ich bezahlt habe (600$) absolut wert war. Die anderen Touristen haben noch mehr als ich davon gehabt, denn alle Dives und auch das Equipment dafür waren inklusive. Besser und billiger kann man es wahrscheinlich nicht machen. Allerdings weiss ich nicht, wie viele hier die gleichen Sonderkonditionen wie ich hatten und wieviel den vollen Preis bezahlt haben. Sicher hat TAKA bei den Amerikanern mit dem vollen Preis zugeschlagen. Egbert, das habe ich nebenbei erfahren, hat auch nicht mehr als ich bezahlt. Handeln ist also immer nötig und in den meisten Fällen auch erfolgreich. Das Zauberwort dafür heisst ‚Budget‘ oder ‚low budget‘. Es kennzeichnet die armen Schweine, bei denen nicht viel zu holen ist. Bei diesem Preis muss man auch akzeptieren, dass der Trip für einen Schnorchler nicht so ergiebig war, wie für die Taucher. Es war ein Diving-Trip und es ist mein Problem, wenn ich den buche, aber dann nicht tauche.

Zum Abschluss der Tour hat TAKA jetzt um diese Zeit in einem guten Restaurant in Cairns zu einer Abschlussparty mit Dinner eingeladen. Dort kann man sich schon heute abend das Video abholen. Sicher ist das auch mit einer Promotion-Show verbunden, uneigennützig ist hier nichts. Auf diese Veranstaltung habe ich gerne verzichtet, das ist nicht mein Revier und nicht meine Welt.

20:20 Uhr, Sunland CarPark, Cairns

Wenn mir nicht danach ist, werde ich in den nächsten zwei Tagen nicht viel schreiben: Ich lasse einfach mal die Seele bei Hazelnut-Torte, an der Beach und am Swimming Pool des CarParks baumeln. Gerade habe ich mich entschieden: Ich buche oder organisiere mir in diesen zwei Tagen nicht noch eine Tour (oder zwei ...) in die Umgebung von Cairns. Man kann nicht nur Action machen! Es ist noch einiges für die Tour in Darwin zu organisieren. Den Flug dorthin habe ich aber heute schon gecheckt, er ist i.o. Die Unterwasserbilder habe ich zum Entwickeln weggebracht, das Video muss abgeholt werden, ein TAKA-Shark-T-Shirt für Peter will ich noch besorgen. Gleich morgen früh werde ich nachsehen, welche Nachrichten mich aus Europa über Hotmail erreicht haben.

Heute um 18:30 Uhr habe ich das erste Mal wieder Nachrichten on TV gesehen. Die allerletzte Meldung war: Deutschland hat einen neuen Kanzler gewählt, er heisst ... Gerhard Schröder! Er strebt eine Koalition mit den Grünen an. Die PDS hat im Osten Deuschlands 22 % der Stimmen erreicht. Nicht zu fassen, diese wehleidigen, sentimentalen Ossis! Keine weiteren Informationen oder Zahlen. In 14 Tagen finden hier ähnliche Wahlen statt. Ich bin sicher, das wird in Deutschland, wo ich zu dieser Zeit dann schon wieder bin, auch kaum eine Nachricht wert sein.

So, jetzt ist hier erst mal Siesta angesagt. Der TAKA-Trip war interessant und informativ, aber vom English her sehr anstrengend. Es gehört viel Konzentration und Routine dazu, Gesprächen von Leuten zu folgen, deren Muttersprache English ist. Aber es war ein gutes Training. Auch dass ich mit Egbert nur English gesprochen habe, war eine sehr gute Idee. Das trainiert ungemein, aber es strengt eben auch an. Auch deswegen gönne ich mir jetzt erst mal eine Ruhepause, in Darwin werde ich die gleiche Situation wieder vorfinden: Allein unter English speaking people. In einer solchen Situation muss man ständig ‚bewusstseinspflichtig‘ reden, weil es noch zu wenig englische Sprachreflexe gibt. (Gibt es das überhaupt: Sprachreflexe? Ja, auch die gibt es. Deswegen ist es ja in einer deutschsprachigen Umgebung nicht so anstrengend!) Aber gerade der Stress, in den man dadurch gerät, bewirkt den sprachlichen Lerneffekt.

21 Uhr, Sunland CarPark, Cairns

(Heute habe ich den ganzen Tag an diesem Reisebuch geschrieben und bin bis hier her gekommen. Peter sass mit Kopfhörern daneben und hat auch in seinem Büro gearbeitet. Jetzt ist der Tag zuende und ich sehe mir die letzten Nachrichten im Fernsehen an: Eine Meldung unter ferner liefen: Ein Wirbelsturm hat die Stadt Cairns in Australien für Stunden von der Umwelt abgeschnitten. Grosse Überschwemmungen und Sturmschäden! Wie mag jetzt der Sunland CarPark aussehen, wie die Promenade vor Antonio’s Bistro Carverne an der City Plaza? Was passiert, wenn man auf einem Schnorcheltrip von so einem Wetter überrascht wird? Jetzt ist Wetseason in Australien, Regenzeit. Taifune gehören so dazu, wie bei uns zum Sommer die Gewitter. AL/13.02.1999)

 

 

 

 

 

RUHETAG IN CAIRNS

30. September 1998, Mittwoch

 

Heute war ein schöner Ruhetag. In der Nacht hat es gegossen, wie es nur in den Tropen regnen kann. Leider lag ich nicht im Zelt, sondern trocken in meiner Kabine. Am Morgen regnet es immer noch. Aber so gegen 8:30, als ich gut gefrühstückt hatte, hörte der Regen auf, die Sonne kam heraus. Ich fahre mit dem

 

 

Bus in die Stadt. Um 9:15 Uhr hat der Internetshop noch zu. Na gut, heute habe ich ja Zeit. Ich hole das Video von TAKA ab und kaufe für Peter ein T-Shirt mit einem furchterregenden Hai auf dem Rücken. Es ist riesengross, das ist hier besonders ‚cool‘ unter den Jugendlichen. Ich erzähle der TAKA-Dame, dass wir verabredet haben, eine Internetseite von diesem Trip zu machen. Zurückhaltende Begeisterung. Könnte es auch sein, dass sie gar nicht versteht, worum es geht, weil sie nichts von der HomePage von TAKA weiss? So jedenfalls sieht ihre Reaktion aus. Na, erst muss unsere Seite stehen, dann wird TAKA da auch einen Link hinlegen, denn das kann ja nur gut sein für’s Geschäft.

Anschliessend hole ich die Bilder ab, die ich mit meinen Unterwasserkameras gemacht habe. Es ist so, wie ich erwartet habe: Zwei von den 60 Bildern sind vielleicht gut und auf keinem sieht man die Farben, die man beim Schnorcheln in einem sonnigen Riff zu sehen bekommt. Die Fuji-Kamera ist besser als die von Kodak. Sie arbeitet mit einem 400-er Film. Das ist ganz entscheidend. Aber insgesamt sind das bescheidene Bilder. Gut, dass ich das vorher schon wusste.

Der Internetshop hat immer noch nicht auf. Ich gehe zur Bibliothek von Cairns: Keine einzige deutsche Zeitung, kein Internet, kein Hotmail! Na, dann eben nicht. Gegen 10:15 Uhr ist beim Internet-Service endlich jemand da. Offensichtlich hatten sich die Staffs schlecht abgesprochen, wer heute hier ab 8 Uhr (!!) eigentlich Dienst hat. Eine kleine Enttäuschung, denn ich habe keine Mails aus Europa in meiner In-Box. Ich schreibe Stefan eine Mail damit alle wissen, dass ich wieder an Land bin und dass alles o.k. ist. Diese Mail kopiere ich auch für Onkel Dieter und

Warum schreibt mir mein allerbester Freund Conny seit vier Wochen keine einzige E-Mail ?!? Geht inzwischen an meinem Rechner auch nicht mehr E-Mail über T-Online. Als ich abfuhr war es nicht möglich, über die Fritz!Card und T-Online ins Internet zu kommen. Conny ist doch bestimmt in diesen vier Wochen mehrmals in meiner Wohnung gewesen. Hat er überhaupt eine von meinen vielen E-Mails bekommen? Hallo Conny !!! Was ist los? Bald (am Wochenende?) fahrt Ihr auch in den Süden. Es geht nach Tunesien und ich wünsche Euch schönes Wetter und eine tolle, erlebnisreiche Tour!

Anschliessend an die einseitige Kommunikation mit Europa gibt es zur Entschädigung für die nicht vorhandenen Mails die obligatorische Hazelnut-Torte bei Antonio. Heute ist hier wenig los, es ist ja auch erst 10:45 Uhr, keine Zeit für Windowsshopping. Aber ich geniesse den Kaffee, den Kuchen und die Ruhe und im Geiste sehe ich die rosige Jungfrau mit der Braunen am Nebentisch sitzen ...

Dann besorge ich mir eine Zeitung mit einem Bericht über den neuen Kanzler in Deutschland. Das ist gar nicht so einfach. Zeitungen aus Deutschland gibt es hier aus unerfindlichen Gründen überhaupt nicht. In den meisten australischen Zeitungen ist Schröder kein Thema. Aber der Weekly Telegraph aus London, den kann man hier kaufen und darin findet sich natürlich ein ausführlicher Artikel über die Wahlen in Deutschland. Auch das ‚politische Schwergewicht‘, der ‚Bulldozer‘ Helmut Kohl wird gebührend gewürdigt und sein Abgang von der politischen Bühne wird kommentiert.

Heute abend werde ich noch sortieren, welche Sachen ich mit nach Darwin nehme und welche ich hier wieder deponiere. Aber ich geniesse die Ruhe, lese, sehe mir das australische Fernsehen an und gehe dann zeitig und mit Wonne in das schöne breite Bett schlafen, was sich erstaunlicher Weise überhaupt nicht bewegt ...!

18:40 Uhr, Sunland CarPark, Cairns

Jürgen Albrecht
Leipziger Strasse 47/16.03
D-10117 Berlin
Fax: 030 2016 5019
E-Mail: dr.albrecht@t-online.de
AL/040599

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